231
statten oder ihm dabei wissentlich Hilfe leisten;
b) Telegraphenbeamte und andere mit der Beauf-
sichtigung oder Bedienung einer zu öffentlichen
Zwecken dienenden Telegraphenanstalt betraute
Personen, welche die einer Telegraphenanstalt an-
vertrauten Depeschen verfälschen oder in andern
als den im Gesetz vorgesehenen Fällen eröffnen
oder unterdrücken oder von ihrem Inhalt Dritte
rechtswidrig benachrichtigen oder einem andern
wissentlich eine solche Handlung gestatten oder ihm
dabei wissentlich Hilfe leisten. Strafbar ist in
beiden Fällen nur der Vorsatz, welcher in dem
Willen, zu eröffnen usw., besteht; Kenntnisnahme
des Inhalts ist nicht erfordert. Neben der Gefäng-
nisstrafe kann auf Verlust der Fähigkeit zur Be-
kleidung öffentlicher Amter auf Zeit erkannt werden.
Die zur Beaufsichtigung und Bedienung der Tele-
graphenanstalten und ihrer Zubehörungen ange-
stellten Personen werden nach § 318 des St. G. B.
mit Gefängnis von einem Monat bis zu drei Jahren
bzw. mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit
Geldstrafe bis zu 900 M bestraft, wenn sie vor-
sätzlich bzw. fahrlässig oder durch Vernachlässigung
der ihnen obliegenden Pflichten die Benutzung einer
zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphen-
anstalt verhindern oder stören. Die zur Leitung der
Eisenbahnfahrten und zur Aufsicht über die Bahn
und den Beförderungsbetrieb angestellten Personen
werden nach 8 316 des St. G. B. mit Gefängnis
von einem Monat bis zu drei Jahren bestraft, wenn
sie durch Vernachlässigung der ihnen obliegenden
Pflichten einen Transport in Gefahr setzen. Gegen
den säumigen Eisenbahn-und Telegraphenangestell-
ten kann gemäß § 319 des St. G.B. zugleich auf
Unfähigkeit zu einer Beschäftigung im Eisenbahn--
und Telegraphendienst oder in bestimmten Zweigen
dieser Dienste erkannt werden. „Angestellte Person“
istjeder, welcher durch einen dazu Berufenen dauernd
oder vorübergehend mit der Wahrnehmung einer
Funktion bei einer öffentlichen Zwecken dienenden
Telegraphenanstalt oder bei einer Staats= oder
Privatbahn betraut worden ist. Bestraft wird bei
ihnen die Pflichtvernachlässigung; liegt Vorsatz
oder Fahrlässigkeit in Bezug auf den eingetretenen
Erfolg vor, so finden auch auf sie die Strafbe-
stimmungen des gemeinen Verbrechens Anwendung.
Nach § 320 des St.G.B. sind die Vorsteher einer
Eisenbahngesellschaft sowie die Vorsteher einer zu
öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphenanstalt
mit Geldstrafe bis zu 300 M oder mit Gefängnis
bis zu drei Monaten zu bestrafen, wenn sie nicht
sofort nach Mitteilung des rechtskräftigen Erkennt-
nisses gegen die angestellten Personen die Ent-
fernung des Verurteilten bewirken. Gleiche Strafe
trifft denjenigen, welcher für unfähig zum Eisen-
bahn= oder Telegraphendienst erklärt worden ist,
wenn er sich nachher bei einer Eisenbahn oder
Telegraphenanstalt wieder anstellen läßt, sowie
diejenigen, welche ihn wieder angestellt haben, ob-
gleich ihnen die erfolgte Unfähigkeitserklärung be-
kannt war.
Amtsverbrechen und Amtsvergehen.
232
Die Beziehung des Beamten zum Staat hat
dahin geführt, daß der Verlust des Amtes nicht als
selbständige Strafe, sondern als eine sich von selbst
ergebende Folge der erkannten Strafe auftritt. Es
kann nicht nur bei den Amtsvergehen, sondern auch
gegen solche Beamte, welche an unerlaubten Ver-
dindungen teilnehmen, sei es, daß diese vor der
Staatsregierung geheim gehalten oder daß gegen
unbekannte Obere Gehorsam oder gegen bekannte
Obere unbedingter Gehorsam versprochen wird,
sei es, daß zu deren Zwecken oder Beschäftigungen
gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Voll-
ziehung von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel zu
verhindern oder zu entkräften, neben der Gefängnis-
strafe auf Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung
öffentlicher Amter auf die Dauer von einem bis
zu fünf Jahren erkannt werden (St. G.B. 88 128
129). — Wegen gemischten Amtsvergehens werden
mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren nach § 174 des
St.G.B. bestraft: a) Geistliche, Lehrer und Er-
zieher, welche mit ihren minderjährigen Schülern
oder Zöglingen unzüchtige Handlungen vornehmen
oder den von ihnen zu unterrichtenden oder zu er-
ziehenden Personen Gelegenheit zur Unzucht ge-
währen oder verschaffen (St. G. B. 8§ 181, Nr 2);
b) Beamte, die mit Personen, gegen welche sie eine
Untersuchung zu führen haben oder welche ihrer
Obhut anvertraut sind, unzüchtige Handlungen
vornehmen; c) Beamte, Arzte oder andere Medi-
zinalpersonen, welche in Gefängnissen oderin öffent-
lichen, zur Pflege von Kranken, Armen oder andern
Hilflosen bestimmten Anstalten beschäftigt oder an-
gestellt find, wenn sie mit den in das Gefängnis
oder in die Anstalt ausgenommenen Personen un-
züchtige Handlungen vornehmen. — Es sei noch
erwähnt, daß bei dem gemeinen Vergehen der Ur-
kundenfälschung die Begehung durch Arzte oder
andere approbierte Medizinalpersonen einen Straf-
schärfungsgrund bildet. Diese Personen werden
nach § 278 des St.G. B. mit Gefängnis von
einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft, wenn
sie ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheits-
zustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer
Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft wider
besseres Wissen ausstellen. Neben der Gefängnis-
strafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehren-
rechte erkannt werden. Auch bei fahrlässiger Tötung
und Körperverletzung sind Kunstfehler der genannten
Personen Strafschärfungsgründe. Beamte sind
jedoch die Arzte und Medizinalpersonen nicht.
Literatur. Buddeus, Art. „Amtsverbrechen 2c."“
in Weiskes Rechtslexikon 1 (1844); Schwenken,
Amtsvergehen (1848); Heffter, im Archiv des
Kriminalrechts XIII; Dollmann, Art. „Amtsver-
brechen“ in Bluntschlis Staatswörterbuch 1 (1857);
Zucker, Amtsverbrechen (1870); Meves, im Hand-
buch des deutschen Strafrechts III (1874) 915, IV.
(1877) 338; Binding, Lehrb. d. gemeinen deutschen
Strafrechts I1 (21904); v. Liszt, Lehrb. des deut-
schen Strafrechts (11905); H. Meyer, Strafrecht
61907); Berner, Lehrb. des deutschen Strafrechts
(11898); Seuffert, in Stengels Wörterbuch des
—