Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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(1890: 8875, 1880: 4541) Katholiken, 1460 
(1880: 1752) Israeliten. — Nach der Berufs- 
zählung vom Jahr 1895 gehörten an: 76 329 
(1882: 78 418) der Landwirtschaft, 138 043 
(104 956) der Industrie und dem Bauwesen, 
37326 (24129) dem Handel und Verkehr, 
13967 (12 382) dem öffentlichen Dienst und den 
freien Berufen; 3898 (3451) verrichteten wech- 
selnde Lohnarbeit und häusliche Dienste, 22 766 
(13 456) waren ohne Beruf und Berufsangabe. — 
Die Bevölkerung verteilt sich auf 138 Gutsbezirke, 
246 Landgemeinden und 22 Städte. Von der 
Gesamtfläche entfallen auf Acker und Gärten 60%, 
auf Wiesen und Weiden 8,5% und auf Wald 
25% . Die Viehzucht ist ansehnlich. Der Berg- 
bau auf silber= und kupferhaltige Erze im Harz 
hat aufgehört, es werden nur fremde, vorwiegend 
amerikanische Erze verhüttet. Reich ist dus Land 
an Braunkohlen (1905: 1,4 Mill. t Förderung). 
Für die Salzgewinnung kommen besonders in 
Betracht das herzogliche Salzbergwerk Leopolds- 
hall und die Deutschen Solvaywerke bei Roschwitz 
und Plömnitz. In der Industrie nehmen die 
Rübenzuckerfabrikation und die Bierbrauerei die 
erste Stelle ein; bedeutend ist auch die chemische 
Industrie auf Verarbeitung der Abraumsalze. 
Den beträchtlichen Handel fördern die schiffbaren 
Flüsse Elbe und Saale, gute Landstraßen und 
Eisenbahnen (295 km). 
3. Verfassung, Verwaltung. Anhalt 
ist eine konstitutionelle Monarchie; der Herzog 
teilt die gesetzgebende Gewalt mit dem Landtag. 
Der Thron ist erblich nach dem Recht der Erst- 
geburt und der Linealsukzession, nur im Mannes- 
stamm nach der agnatischen Erbfolgeordnung. 
Beim Aussterben der Dynastie besitzt Preußen 
Ansprüche auf die von ihr beherrschten Länder. 
Der Herzog führt das Prädikat „Hoheit“, welches 
auch den Prinzen und Prinzessinnen zukommt. 
Er sowohl wie die Mitglieder des herzoglichen 
Hauses werden mit dem zurückgelegten 21. Jahr 
volljährig; bei der Minderjährigkeit des Herzogs 
führt die Mutter oder der nächste Agnat die Vor- 
mundschaft. Hofreligion ist die evangelische. Be- 
züglich des Domaniums hat laut Gesetz vom 
28. Juni 1869 eine Auseinandersetzung des her- 
zoglichen Hauses und des Landes stattgefunden, 
wonach ein Teil des bis dahin vom Land verwal- 
teten herzoglichen Stamm= und Privatguts und 
Landesvermögens in den ausschließlichen Besitz 
des herzoglichen Hauses übergegangen ist, von 
letzterem dagegen auf jegliche Beihilfe des Landes 
zur Bestreitung der Hof= und Haushaltungskosten, 
mit Einschluß aller Apanagen, Aussteuer und 
Wittums für Prinzen und Prinzessinnen, ver- 
zichtet worden ist. Demgemäß besteht auf Grund 
des Domanialauseinandersetzungsrezesses vom 
3. Dez. 1872 das herzogliche inländische Pri- 
vatgrundvermögen in 10 782,6 ha Domänen, 
25 460.,6 ha Forsten; der landesfiskalische Grund- 
besitz in 22144 ha Domänen, 23 306 ha For- 
Anhalt. 
  
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sten usw. — Die Zusammensetzung und Wirkung 
des Landtags (Einkammersystem) beruht auf 
der Landschaftsordnung vom 19. Juli und 31. Aug. 
185)9, zuletzt abgeändert durch Gesetz vom 19. Mai 
1895. Der Landtag besteht aus 36 Mitgliedern, 
zwei werden vom Herzog für die Dauer der Land- 
schaftsperiode (6 Jahre) ernannt, acht von den meist- 
besteuerten Grundbesitzern, zwei von den meist- 
besteuerten Handel- und Gewerbetreibenden, vier- 
zehn von den übrigen Wahlberechtigten der Städte 
und zehn von den übrigen Wahlberechtigten des 
platten Landes gewählt. Die Abgeordneten müssen 
der christlichen Religion angehören, drei Jahre im 
Land wohnen und ebenso wie die Wähler über 
25 Jahre alt sein. Sie werden durch indirekte 
Wahl in geheimer Abstimmung durch Stimmzettel 
gewählt und erhalten 12 X Diäten und Reise- 
entschädigung. Die Ausübung des aktiven Wahl- 
rechts ist, abgesehen von den Meistbesteuerten, an 
keinen Zensus gebunden. Der Landtag wird jähr- 
lich einberufen. — Oberste Behörde ist das 
Staatsministerium in Dessau, unter einem Staats- 
minister, neu organisiert durch Verordnung vom 
28. April 1870. Diesem sind unterstellt die Regie- 
rung (mit zwei Abteilungen: für das Innere und 
das Schulwesen), das Konsistorium, die Finanz- 
direktion, das Medizinalkollegium, das Statistische 
Bureau. Unter der Finanzdirektion stehen die 
5 Kreiskassen, die 5 Bauverwaltungen und die 
15 Forstrevierverwaltungen. Alle diese Behörden 
befinden sich in Dessau; das Oberbergamt ist in 
Bernburg. Die Separationen und Ablösungen 
werden auf Grund des Staatsvertrags vom 
18. Sept. 1874 von der preuß. Generalkommission 
in Merseburg geleitet. Unter der Zolldirektion 
(Provinzialsteuerdirektion in Magdeburg) stehen 
das Hauptsteueramt in Dessau und sieben Ober- 
kontrollbezirke; die Salzwerkdirektion Leopolds- 
hall ist dem Staatsministerium unmittelbar unter- 
stellt. Für das Staatsschuldenwesen besteht seit 
der Auseinandersetzung bezüglich des Domaniums 
eine Verwaltung, deren vier Mitglieder zur Hälfte 
der Herzog, zur Hälfte der Landtag ernennt. — 
Für die innere Verwaltung ist das Land in fünf 
Kreise geteilt: Dessau, Cöthen, Zerbst, Bernburg, 
Ballenstedt; die Kreise sind gleichzeitig Kommunal= 
verbände. Die Verfassung der Gemeinden beruht 
auf der Gemeinde-, Stadt= und Dorfordnung 
vom 26. Mai 1882 mit einigen Abänderungen 
aus dem Jahr 1890. Die Ortspolizei wird in 
den 22 Städten durch die Magistrate, die in 
Dessau, Bernburg, Cöthen und Zerbst unmittel- 
bar der Regierung untergeordnet sind, in den 12 
herzoglichen Schloßbezirken durch Polizeiverwalter 
und in den 82 Amtsbezirken durch die Amts- 
vorsteher, deren Organe die Gemeinde= und Orts- 
vorstände sind, wahrgenommen. Die Gerichtsbar- 
keit in streitigen Verwaltungssachen wird durch die 
Kreisverwaltungsgerichte (Kreisausschüsse, in den 
vorgen. vier Städten Stadtausschüsse), das Land- 
verwaltungsgericht und das Oberverwaltungs- 
 
	        
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