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Anwaltschaft s. Advokatur.
Apanage. 1. Geschichtliches; Par-
agium. Apanagium (abgeleitet von neulat.
apanare — Brot und Unterhalt geben; apana-
mentum, apanatio = Unterhalt, Abfindung
Nachgeborner) bezeichnet staatsrechtlich die zum
standesgemäßen Unterhalt der nichtregierenden
Mitglieder eines fürstlichen Hauses bestimmte
Dotation. Die Entschädigung und pekuniäre Aus-
stattung der durch die Einführung des Erstgeburts-
rechts von der Thronfolge ausgeschlossenen Glieder
fürstlicher Familien hieß in der Sprache des aus-
gehenden Mittelalters: fürstlicher, gräflicher Unter-
halt, Pension, Subsistenz, Erbsgebührnis, Alimen-
tation, Alimentsgelder, fürstliches Deputat, Ab-
findung. Erst im 17. Jahrh. verbreitete sich der
Ausdruck Apanage. Er findet sich im Westfälischen
Frieden (Art. IV., § 12) und in Testamenten
einzelner Fürstenhäuser. Im 18. Jahrh. wurde
der Ausdruck allgemein. Er stammt aus Frank-
reich, wo die Apanagierung unter der dritten
Dynastie sehr früh eingeführt wurde. Das Be-
dürfnis, für pekuniäre Ausstattung der jüngeren
Prinzen des Hauses Sorge zu tragen, entstand
mit Einführung der Primogenitur. Ubi primo-
genitura, ibi apanagium. Solange das Tei-
lungssystem herrschte, wurden nach dem Tod des
Vaters sämtliche Brüder regierende Herren, wenn
auch dem ältesten Sohn regelmäßig ein Vorzug,
ein Direktorium, eingeräumt wurde. Infolge der
schwer zu erzielenden Eintracht schwächten die
Teilungen regelmäßig die Hausmacht. Das Stre-
ben, sie zu vermeiden, führte teils zu Verboten
derselben teils dazu, die Sukzession unter Abfin-
dung der Nachgebornen nach dem Recht der Erst-
geburt zu ordnen. Gegenüber der heutigen Geld-
versorgung Nachgeborner war die frühere Art der
Versorgung eine mannigfaltige. Oft erhielten die
Apanagierten neben den Geldrenten Natural=
lieferungen: Holz, Wein, Getreide, auch Wohnung
und Beköstigung (letzteres noch in Mecklenburg-
Schwerin). Häufig setzte eine Sekundogeni-
tur die Nachgebornen in den Genuß von Regie-
rungsrechten und wurde mit der Einführung der
Primogenitur oder nachträglich als Ausstattung
der Nachgebornen benutzt. Eine sehr häufig vor-
kommende Abfindungsform Nachgeborner war
endlich das Paragium. Bei Einführung des
Rechts der Erstgeburt erhielten die Nachgebornen
als Entschädigung für die ihnen entgehende Suk-
zession in Land und Leuten nicht ausschließlich
eine fixierte Geldrente, die sich linienweise im
Mannesstamm des Apanagierten forterbte, son-
dern sehr häufig, ja überwiegend eine Abfindung
an Land und Leuten — ein Paragium —, ge-
wöhnlich mit gewissen untergeordneten Hoheits-
rechten. Der Ubergang von der Anweisung be-
stimmter Güter (Amter, Pflegen), um die Ein-
künfte derselben zu beziehen, zu den späteren jähr-
lichen Rentenzahlungen war eine der Umwandlung
der alten Natural= in die modernen geldwirtschaft-
Staatslexikon. I. 3. Aufl.
Anwaltschaft — Apanage.
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lichen Verhältnisse parallel gehende Entwicklung.
Bei der ursprünglichen Beschaffenheit der Finanz=
wirtschaft war das Paragium, die Abfindung mit
Land und Leuten, näherliegend als das Apa-
nagium. Der Reinertrag der Domänen war be-
deutend, das Steuersystem und Staatsschulden-
wesen wenig ausgebildet. Der Erstgeborne zog
es vor, einige Amter des väterlichen Fürstentums
zur Nutznießung abzutreten, während es ihm ver-
hältnismäßig schwer gefallen wäre, eine wenn auch
geringere Geldsumme aufzubringen. Im Par-
agium bot ferner die Gewährung untergeordneter
Regierungsrechte einen Übergang zur völligen
Untertanschaft der Nachgebornen. Manche der
älteren Primogeniturordnungen gewährten ja
den Nachgebornen überhaupt noch das eine oder
andere Mitregierungsrecht.
2. Charakter und Bedingungen der
Apanageberechtigung. Die Apanage ist
ein deutschrechtliches Institut des hohen Adels
(regierende Fürsten und Mediatisierte) und hat
ein Analogon im Recht der Bauerngüter, in der
Abfindung der nicht zur Erbfolge gelangenden
Familienglieder. Die Abfindung ist aber nur be-
dingt, denn die Sukzessionsrechte der Abgefundenen
und ihrer Nachkommen in die Stelle des Erst-
gebornen, wenn sie die Nachfolge trifft, werden
dadurch nicht aufgehoben. Die Apanage hat Ahn-
lichkeit mit Alimentationsansprüchen. Maßgebend
für die Beurteilung der Apanage sind jedoch nicht
die privatrechtlichen Grundsätze über die Alimen=
tationspflicht, sondern die autonomen Bestim-
mungen und das Herkommen des betreffenden
Hauses. Die Apanage beschränkt sich z. B. nicht
auf jenes nahe Verwandtschaftsverhältnis, das
dem Anspruch auf Alimente zugrunde liegt. Ferner
ist der Anspruch auf Apanage nicht vom Nach-
weis der Vermögenslosigkeit bedingt, so daß der-
jenige vom Bezug der Apanage ausgeschlossen
wäre, der seinen Unterhalt aus eigenen oder son-
stigen Mitteln unabhängig von dieser zu bestreiten
imstande wäre. Davon kamen früher allerdings
insofern Ausnahmen vor, als beispielsweise in
manchen katholischen Häusern mit Erlangung
geistlicher Dignitäten und Pfründen das Recht
auf Apanage erlosch. Auch ist es denkbar, daß
der Throninhaber die Apanage eines einen fremden
Thron besteigenden Prinzen aus diesem Anlaß
vermindert. Vielen älteren Hausverträgen liegt
unverkennbar die Auffassung der Apanage als
eines Pflichtteils zugrunde. Daher wurde oft
von einer „Quart“ (z. B. niederhessische Quart),
auch direkt von einem Pflichtteil, „Su Latein
legitima“, gesprochen. Gegenwärtig, wo das
öffentliche Recht „aus dem Rahmen des Privat-
fürstenrechts herausgetreten ist“ (Gerber), ist der
Gesichtspunkt der Entschädigung für die Ent-
ziehung des Mitregierungsrechts durch die Ein-
führung der Primogenitur in den Hintergrund
getreten und die Apanage auf die Notwendigkeit
der Gewährung einer der hohen Würde der fürst-
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