Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

257 
Anwaltschaft s. Advokatur. 
Apanage. 1. Geschichtliches; Par- 
agium. Apanagium (abgeleitet von neulat. 
apanare — Brot und Unterhalt geben; apana- 
mentum, apanatio = Unterhalt, Abfindung 
Nachgeborner) bezeichnet staatsrechtlich die zum 
standesgemäßen Unterhalt der nichtregierenden 
Mitglieder eines fürstlichen Hauses bestimmte 
Dotation. Die Entschädigung und pekuniäre Aus- 
stattung der durch die Einführung des Erstgeburts- 
rechts von der Thronfolge ausgeschlossenen Glieder 
fürstlicher Familien hieß in der Sprache des aus- 
gehenden Mittelalters: fürstlicher, gräflicher Unter- 
halt, Pension, Subsistenz, Erbsgebührnis, Alimen- 
tation, Alimentsgelder, fürstliches Deputat, Ab- 
findung. Erst im 17. Jahrh. verbreitete sich der 
Ausdruck Apanage. Er findet sich im Westfälischen 
Frieden (Art. IV., § 12) und in Testamenten 
einzelner Fürstenhäuser. Im 18. Jahrh. wurde 
der Ausdruck allgemein. Er stammt aus Frank- 
reich, wo die Apanagierung unter der dritten 
Dynastie sehr früh eingeführt wurde. Das Be- 
dürfnis, für pekuniäre Ausstattung der jüngeren 
Prinzen des Hauses Sorge zu tragen, entstand 
mit Einführung der Primogenitur. Ubi primo- 
genitura, ibi apanagium. Solange das Tei- 
lungssystem herrschte, wurden nach dem Tod des 
Vaters sämtliche Brüder regierende Herren, wenn 
auch dem ältesten Sohn regelmäßig ein Vorzug, 
ein Direktorium, eingeräumt wurde. Infolge der 
schwer zu erzielenden Eintracht schwächten die 
Teilungen regelmäßig die Hausmacht. Das Stre- 
ben, sie zu vermeiden, führte teils zu Verboten 
derselben teils dazu, die Sukzession unter Abfin- 
dung der Nachgebornen nach dem Recht der Erst- 
geburt zu ordnen. Gegenüber der heutigen Geld- 
versorgung Nachgeborner war die frühere Art der 
Versorgung eine mannigfaltige. Oft erhielten die 
Apanagierten neben den Geldrenten Natural= 
lieferungen: Holz, Wein, Getreide, auch Wohnung 
und Beköstigung (letzteres noch in Mecklenburg- 
Schwerin). Häufig setzte eine Sekundogeni- 
tur die Nachgebornen in den Genuß von Regie- 
rungsrechten und wurde mit der Einführung der 
Primogenitur oder nachträglich als Ausstattung 
der Nachgebornen benutzt. Eine sehr häufig vor- 
kommende Abfindungsform Nachgeborner war 
endlich das Paragium. Bei Einführung des 
Rechts der Erstgeburt erhielten die Nachgebornen 
als Entschädigung für die ihnen entgehende Suk- 
zession in Land und Leuten nicht ausschließlich 
eine fixierte Geldrente, die sich linienweise im 
Mannesstamm des Apanagierten forterbte, son- 
dern sehr häufig, ja überwiegend eine Abfindung 
an Land und Leuten — ein Paragium —, ge- 
wöhnlich mit gewissen untergeordneten Hoheits- 
rechten. Der Ubergang von der Anweisung be- 
stimmter Güter (Amter, Pflegen), um die Ein- 
künfte derselben zu beziehen, zu den späteren jähr- 
lichen Rentenzahlungen war eine der Umwandlung 
der alten Natural= in die modernen geldwirtschaft- 
Staatslexikon. I. 3. Aufl. 
Anwaltschaft — Apanage. 
258 
lichen Verhältnisse parallel gehende Entwicklung. 
Bei der ursprünglichen Beschaffenheit der Finanz= 
wirtschaft war das Paragium, die Abfindung mit 
Land und Leuten, näherliegend als das Apa- 
nagium. Der Reinertrag der Domänen war be- 
deutend, das Steuersystem und Staatsschulden- 
wesen wenig ausgebildet. Der Erstgeborne zog 
es vor, einige Amter des väterlichen Fürstentums 
zur Nutznießung abzutreten, während es ihm ver- 
hältnismäßig schwer gefallen wäre, eine wenn auch 
geringere Geldsumme aufzubringen. Im Par- 
agium bot ferner die Gewährung untergeordneter 
Regierungsrechte einen Übergang zur völligen 
Untertanschaft der Nachgebornen. Manche der 
älteren Primogeniturordnungen gewährten ja 
den Nachgebornen überhaupt noch das eine oder 
andere Mitregierungsrecht. 
2. Charakter und Bedingungen der 
Apanageberechtigung. Die Apanage ist 
ein deutschrechtliches Institut des hohen Adels 
(regierende Fürsten und Mediatisierte) und hat 
ein Analogon im Recht der Bauerngüter, in der 
Abfindung der nicht zur Erbfolge gelangenden 
Familienglieder. Die Abfindung ist aber nur be- 
dingt, denn die Sukzessionsrechte der Abgefundenen 
und ihrer Nachkommen in die Stelle des Erst- 
gebornen, wenn sie die Nachfolge trifft, werden 
dadurch nicht aufgehoben. Die Apanage hat Ahn- 
lichkeit mit Alimentationsansprüchen. Maßgebend 
für die Beurteilung der Apanage sind jedoch nicht 
die privatrechtlichen Grundsätze über die Alimen= 
tationspflicht, sondern die autonomen Bestim- 
mungen und das Herkommen des betreffenden 
Hauses. Die Apanage beschränkt sich z. B. nicht 
auf jenes nahe Verwandtschaftsverhältnis, das 
dem Anspruch auf Alimente zugrunde liegt. Ferner 
ist der Anspruch auf Apanage nicht vom Nach- 
weis der Vermögenslosigkeit bedingt, so daß der- 
jenige vom Bezug der Apanage ausgeschlossen 
wäre, der seinen Unterhalt aus eigenen oder son- 
stigen Mitteln unabhängig von dieser zu bestreiten 
imstande wäre. Davon kamen früher allerdings 
insofern Ausnahmen vor, als beispielsweise in 
manchen katholischen Häusern mit Erlangung 
geistlicher Dignitäten und Pfründen das Recht 
auf Apanage erlosch. Auch ist es denkbar, daß 
der Throninhaber die Apanage eines einen fremden 
Thron besteigenden Prinzen aus diesem Anlaß 
vermindert. Vielen älteren Hausverträgen liegt 
unverkennbar die Auffassung der Apanage als 
eines Pflichtteils zugrunde. Daher wurde oft 
von einer „Quart“ (z. B. niederhessische Quart), 
auch direkt von einem Pflichtteil, „Su Latein 
legitima“, gesprochen. Gegenwärtig, wo das 
öffentliche Recht „aus dem Rahmen des Privat- 
fürstenrechts herausgetreten ist“ (Gerber), ist der 
Gesichtspunkt der Entschädigung für die Ent- 
ziehung des Mitregierungsrechts durch die Ein- 
führung der Primogenitur in den Hintergrund 
getreten und die Apanage auf die Notwendigkeit 
der Gewährung einer der hohen Würde der fürst- 
9 
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.