Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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wirtschaftlichen Bereich zog und nach wirtschaft- 
lichen Momenten beurteilte. Allein die Tätig- 
keiten, welche nicht unmittelbar mit der Sach- 
güterproduktion in Zusammenhang stehen, kann 
man streng genommen nicht Produktion nennen, 
mögen sie auch, wie z. B. die Tätigkeit des Arztes, 
Lehrers, Priesters, der Obrigkeit, indirekt der 
materiellen Wohlfahrt, speziell der Produktion 
sehr nützlich sein, da durch die meisten persönlichen 
Güter, namentlich durch geistige Kultur, staat- 
liche Ordnung und Sicherheit usw., die Produk- 
tion, der Erwerb und die Erhaltung ökonomischer 
Güter vielfach bedingt sind. Es empfiehlt sich, 
den Terminus Produktion (Güterschaffung) jener 
menschlichen Tätigkeit vorzubehalten, wodurch den 
wirtschaftlichen Gütern neuer Wert zuwächsst. 
Hierbei handelt es sich darum, entweder durch 
Landwirtschaft, Jagd, Fischerei, Bergbau der 
Natur Stoffe abzugewinnen oder ihnen durch die 
Gewerbe die nötige Form zu verleihen, oder sie 
unter die Menschen durch Handel zu verbreiten 
und zu verteilen. Von produktiven — Güter her- 
vorbringenden — Arbeiten sind bloß lukrative 
oder rentable Arbeiten zu unterscheiden, die schon 
vorhandene Güter von ihren bisherigen Besitzern 
auf andere Personen übertragen, wie z. B. gewisse 
Handels= und Geldgeschäfte. 
2. Arbeitsfähigkeit, Arbeitslust. 
Die Arbeit eines Volkes ist sowohl nach ihrer 
OQuantität als nach ihrer Qualität ins Auge zu 
fassen. Es kommt mithin in Betracht: a) die 
Vermehrung der Arbeit. Dieselbe steht mit der 
Bevölkerung im Zusammenhang. Diese hin- 
wiederum hängt ab von der Leichtigkeit oder 
Schwierigkeit, Unterhalt zu erlangen, bzw. von 
der hierüber herrschenden Ansicht. Es wird b) in 
Betracht kommen die Arbeitsfähigkeit eines Volks. 
Diese hängt ab vom Verhältnis der Arbeitenden 
zu den Nichtarbeitenden, von der Summe der durch- 
schnittlichen Arbeitsfähigkeit der einzelnen, von 
der Arbeitslust, endlich von der Arbeitsgliederung 
in der ganzen Wirtschaft des Volkes. Die Ver- 
hältnisziffer der Nichtarbeitenden steht in Bezie- 
hung mid der statistischen Verteilung der Geschlechter 
(Verhältnis der männlichen zur weiblichen Ar- 
beitskraft angeblich wie 175 zu 100) und Alters- 
klassen, mit dem Verhältnis der sog. produktiven 
Jahre (vom 14. bis 60. oder 65.) zu den unpro- 
duktiven, mit der Kindersterblichkeit, mit Krieg und 
Auswanderung, auch mit dem Verhältnis der 
kapitalistischen Rentner zu den reell arbeitenden 
Klassen. Die richtige Arbeitsgliederung verlangt 
eine richtige Verleilung der Arbeitskräfte auf die 
nationalen Produktionszweige. Ein Ubermaß in 
einzelnen Berufen ist geeignet, das Ebenmaß zu 
stören. Auf die Arbeitslust ist die Rechtssicherheit, 
die Geltung der Arbeit und die Ausdehnung von 
Einfluß, in der der Arbeiter die Vorteile seiner 
Arbeit mitgenießt, d. h. der jeweilige Zustand des 
Arbeitsrechts. In dieser Hinsicht ist die Vereini- 
gung von Arbeitssubjekt und Arbeitsobjekt, das 
Arbeit. 
  
  
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Arbeiten für eigene Rechnung von großem Vor- 
teil. Der Nachteil des modernen Lohnsystems für 
die Produktivität der Nation, die Interesselosig- 
keit des „Mietlings“ in den Fabriken ist nur durch 
die großartigen technischen Fortschritte der neueren 
Zeit paralysiert. Adam Smith scheint keinen 
andern Sporn des Fleißes als den Eigennutz an- 
erkannt zu haben. Gewiß aber sind auch höhere 
Arbeitsmotive tätig. Das zum Wetteifer an- 
spornende Ehrgefühl, auch das Pflichtgefühl, ver- 
bunden mit religiösen Ideen, wird nicht unwirk- 
sam sein. Solche Triebfedern spielten z. B. in 
den alten Zünften während ihrer Blütezeit eine 
nicht unbedeutende Rolle. 
3. Arbeitsteilung. Vom volkswirtschaft- 
lichen Standpunkt aus hat man sich die Arbeit 
des Volks als Organismus zu denken. Man kann 
von einer Arbeitsteilung sprechen mit Rücksicht 
auf die Trennung der Unternehmungen und Be- 
rufe, ländlicher und städtischer Arbeit. Man spricht 
aber auch, und dies gewöhnlich, von Arbeitstei- 
lung innerhalb der Unternehmungen, in die lei- 
tende Arbeit des Unternehmers und ausführende 
Arbeit des Gehilfen, Arbeiters; ferner von tech- 
nischer Arbeitsteilung, wobei man die Teilung der 
Arbeit in die einzelnen technischen Verrichtungen 
im Auge hat, endlich von räumlicher Arbeitstei- 
lung, darin bestehend, daß die einzelnen Produk- 
tionszweige sich räumlich nach Ländern, Landes- 
teilen, mitunter auch nach Straßen einer Stadt 
sondern. Die Vorteile der Arbeitsteilung beruhen 
vorwiegend in der zweckentsprechenden Verwen- 
dung der sehr verschiedenartigen Arbeitskräfte, in 
der durch die Vervollkommnung der Geschicklich- 
keit außerordentlich gesteigerten Leistungsfähigkeit, 
in der Beseitigung der Ubergänge von einer Arbeit 
zur andern, in der Vereinfachung der einzelnen 
Tätigkeiten und der Ermöglichung einer umfang- 
reichen Anwendung von Maschinen und Hilfs- 
werkzeugen. Sehr in den Vordergrund gestellt 
wurde die Arbeitsteilung von der englischen Schule 
der politischen Okonomie. Sie findet eine Grenze 
in der Natur der Dinge (Ackerbau hat weniger 
Arbeitsteilung als Industrie), in der Größe des 
vorhandenen Kapitals, in der Möglichkeit des 
Absatzes, in der Ausdehnung des Marktes, in 
der Beschaffenheit der wirtschaftlichen Rechtsord- 
nung und nicht zum letzten in der sittlichen Ein- 
sicht der Menschen in die Gefahren der Übertrei- 
bung derselben. Sowie nämlich in der Arbeits- 
teilung eine gewisse Grenze überschritten ist, kann 
sie nur auf Kosten der physischen, intellektuellen 
und moralischen Kräfte erfolgen. Alsdann leidet 
die körperliche und geistige Beschaffenheit der Ar- 
beiter, eine große Einseitigkeit greift um sich, von 
dem unkünstlerischen Zug der Produktion und den 
großen sozialen Gefahren für in wirtschaftlicher 
Abhängigkeit sich befindenden Personen mit ein- 
seitiger Spezialausbildung gar nicht zu reden. — 
Das Korrelat der Arbeitsteilung bildet die Ar- 
beitsvereinigung, die teils so stattfindet, doß
	        
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