Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

325 Arbeiterwohnungen 
(Krankenhäuser, Heilanstalten, Lungenheilstätten, 
Erholungs= und Genesungsheime, Invalidenhäuser 
us w.) verwendet 1906: 41 Mill. M, 1900/06: 
193 Mill. M. So wurden insgesamt 2110 Mill. # 
verwendet; davon kamen auf das Jahr 1906: 
460 Mill. M — ein erfreulicher Fortschritt. Was 
aber die Hauptsache ist: beinahe 2 Milliarden Mark 
find in Reserve gelegt, um die später notwendig stei- 
genden Ausgaben für Renten usw. möglichst ohne 
Erhöhung der Beiträge bestreiten zu können. Es 
sind Ersparnisse, die allein den Kranken und In- 
validen zugut kommen. 
Bar ausgezahlt und in Reserven gelegt sind also 
für unsere deutschen Arbeiter bis heute (Ende 1907) 
mit Einschluß der landesgesetzlichen Knappschafts- 
leistungen (seit 1885) etwa 9 Milliarden M. 
Diese Summen gewinnen doppelte Bedeutung, 
da sie dem Arbeiter in den Tagen der Krankheit, 
der Invalidität, des Alters usw. zufließen, wo die 
Not am dringendsten ist. Sie dienen nicht bloß 
zur Steuerung der Not, sondern vermitteln dem 
Arbeiter oft wieder Gesundheit und neue Lebens- 
kraft und Lebenshoffnung. Dank unserer Versi- 
cherungsgesetzgebung kann heute auch der einfachste 
Arbeiter sich der sorgfältigsten Heilbehandlung durch 
Spezialärzte, in Spezialanstalten, Bädern, Lungen- 
heilstätten, Rekonvaleszentenanstalten usw. erfreuen. 
Sowohl die wirtschaftliche Lebenshaltung als auch 
die Gesundheitsverhältnisse unseres Volkes haben 
sich in erfreulicher Weise gehoben. Die Sterblichkeit 
ist stetig gesunken; während z. B. in dem Jahr- 
fünft 1871/75 im Deutschen Reich auf 1000 Ein- 
wohner 28,2 Sterbfälle kamen, betrug die Zahl 
1901/05 nur noch 19,9 (Das Deutsche Reich in ge- 
sundheitlicher und demographischer Beziehung 1907, 
S. 29). Die Zahl der Heilanstalten: Krankenhäusfer, 
Bäder, Lungenheilstätten, Walderholungsstätten, 
Rekonvaleszentenheime, Fürsorgestellen usw., hat sich 
stetig vermehrt. Allgemeine Krankenhäuser gab es in 
Deutschland 1877: 1822 mit 72219 Betten, 1904: 
3438 mit 189 347 Betten (a. a. O. 243). Während 
wir z. B. in Preußen 1892 erst 4 Lungenheilstätten 
(mit 243 Betten) hatten, zählten wir 1907 57 Heil- 
stätten mit 5651 Betten. Der sorgsamen Fürsorge 
für Lungenkranke entsprechend ist denn auch die 
Tuberkulosesterblichkeit von 31 auf 10 000 Lebende 
im Jahr 1886 auf 17 im Jahr 1906 gefallen 
(Tuberkulosis 1907, 599). Die Zahl der auf Kosten 
der Invalidenversicherungsanstalten behandelten 
Männer betrug 1906: 21959, die der Frauen 7536. 
Bezüglich der einzelnen Versicherungszweige 
s. d. Art. Invalidenversicherung, Krankenversiche- 
rung, Unfallversicherung, Versicherung gegen Ar- 
beitslosigkeit, Witwen= und Waisenversicherung. 
Literatur. über Alters= u. Invalidenkassen 
für Arbeiter (Gutachten des Vereins für Sozial- 
politik, 1874); Brentano, Die A. (1879); derf., Der 
A.#zwang (1881); Schäffle, Der korporative Hilfs- 
kassenzwang (21884); derf., Vereinigter Versiche- 
rungs= u. Spardienst bei Zwangshilfskassen (1884); 
Bödiker, Die Unfallgesetzgebung der europ. Staaten 
(1884); ders., Die A. in den europ. Staaten (1895); 
ders., Die Reichsversicherungsgesetzgebung (1898); 
van der Borght, Die soziale Bedeutung der deut- 
schen A. (1898); Rosin, Recht der A. (2 de, 
1890/1905); Piloty, Die A. 3gesetze (21900/02); 
Laß u. R. Maier, Haftpflicht u. Reichsversiche- 
rungsgesetzgebung (21902); Laß u. H. Klehmet, 
nuchel 
  
326 
Grundriß der deutschen A. (1903); Laß u. Zahn, 
Einrichtung u. Wirkung der deutschen A. (81904); 
Die A. als soziale Einrichtung I—V, bearbeitet 
von Bielefeldt, Hartmann, Klein, Laß u. Zahn 
(21905); A. v. Liszt, Das geltende A.Srecht (1906); 
M. Wagner, Die deutsche A. (1906); G. A. Klein, 
Statistik der A. des Deutschen Reichs (1885/1904). 
Über Reform der deutschen A.: Freund, Die 
Zentralisation der A. (1894); Kulemann, Die Re- 
form unserer Sozialverficherung (1894); Zeller, 
Die Vereinfachung und Verschmelzung unserer So- 
zialversicherung (1896). 
Speziell über die A. im Ausland unterrichten 
unter andern: Ertl, Das österreich. Unfallversiche- 
rungsgesetz (1887); A. Menzel, Die A. nach öster- 
reich. Recht (1893); L. Verkauf, Reform u. Ausbau 
der österreich. A. (19t05); Kögler, Die österreich. 
A. (1906); W. Hasbach, Das engl. A. swesen 
1883); O. Bielefeldt, Eine neue Ara englischer 
Sozialgesetzgebung (1898); v. d. Osten, Die A. in 
Frankreich (1884); Zacher, Die A. im Ausland 
(1898 ff); v. Loeper, Die Versicherung der Arbeiter, 
Witwen u. Waisen im Ausland (1907); Moris- 
seaux, La lgislation du travail (Brüssel 1898); 
Bellom, Les lois d’assurance ouvrières à 
D’étranger (Par. 1894 ff); E. u. M. Lacombe, Les 
retraites ouvrièeres (ebd. 1905); de Gailhard- 
Bancel, Les retraites ouvrières (Valence 1905); 
A. Weber, Les retraites ouvrieres en Italie et en 
France. Etude comparative (ebd. 1905); Congres 
international des accidents du travail et des as- 
surances sociales tenu à Dusseldorf le 17/24 juin 
1902 (Berl. 1902). Referate des 7. internat. A.8 
kongresses in Wien vom 17. bis 23. Okt. 1905. 
Hitze.] 
Arbeiterwohnungens. Wohnungsfrage. 
Arbeitsämter s. Statistik. 
Arbeitseinstellung s. Streik. 
Arbeitshäuser s. Armenpflege. 
Arbeitskammern. In den Kaiserlichen 
Februarerlassen von 1890 sind „für die Pflege 
des Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeit- 
nehmern gesetzliche Bestimmungen über die Formen 
in Aussicht“ gestellt, in „denen die Arbeiter durch 
Vertreter, welche ihr Vertrauen besitzen, an der 
Reglung gemeinsamer Angelegenheiten beteiligt 
und zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei Ver- 
handlung mit ihren Arbeitgebern und mit den 
Organen der Regierung befähigt werden. Durch 
eine solche Einrichtung ist den Arbeitern der freie 
und friedliche Ausdruck ihrer Wünsche und Be- 
schwerden zu ermöglichen und auch den Staats- 
behörden Gelegenheit zu geben, sich über die Ver- 
hältnisse der Arbeiter fortlaufend zu unterrichten 
und mit den letzteren Fühlung zu behalten“. Die- 
selben Gesichtspunkte, welche für eine Beteiligung 
der Arbeiter bei der Arbeitsordnung und den zum 
Besten der Arbeiter getroffenen Einrichtungen in 
der einzelnen Fabrik durch Errichtung von Ar- 
beiter-„Ausschüssen“ sprechen, lassen eine solche 
Mitwirkung auch bei Maßnahmen der Kommunal= 
verwaltung, der staatlichen Gesetzgebung und 
Verwaltung sowie freier Verbände erwünscht er- 
scheinen. Auch hier gilt: „Was für die Arbeiter 
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— Arbeitskammern. 
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