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liche Familiendokumente, geheime Verhandlungen,
Instruktionen, Berichte, Dokumente, überhaupt
Schriftstücke, welche veröffentlicht das Staats-
interesse gefährden oder die Rechte der landesherr-
lichen Familie und die von Privatpersonen in un-
statthafter Weise berühren könnten. Auch können
sonstige moralische und rechtliche Bedenken gegen
Veröffentlichung von Archivbeständen maßgebend
sein, und selbst das Taktgefühl muß noch mit-
sprechen, wo alle jene Normen auch nicht vor-
handen sind. Staatsarchive gewähren unterein-
ander freie Benutzung der Bestände. Privaten
gegenüber soll alle mögliche Rücksicht genommen
werden, besonders da, wo es sich um allgemeine
Interessen, also z. B. um Bereicherung der Wissen-
schaft, handelt. Wie jedoch hierbei das Interesse
des Staats bzw. des Besitzers nicht beeinträchtigt
werden darf, so muß auch das archivalische Material
vor jeder Schädigung gesichert sein. Daß der Zweck
der Archivbenutzung und die Person, welche sie
anstrebt, auch in Betracht gezogen werden, ist be-
rechtigt; denn zur Befriedigung der Neugierde oder
der Sammelwut eines Sonderlings zu dienen,
dafür sind weder die Archive noch die Archivare
da. Die Benutzung von Archivalien soll immer
im Archiv selbst, d.h. in dem Arbeitszimmer des-
selben geschehen. Aushändigung von Archivalien
an Private nach auswärts ist nicht statthaft. Wollen
Private eine solche Vergünstigung genießen, so darf
die Ubersendung von Archivalien doch stets nur an
ein Archiv, eine Bibliothek oder sonstige Behörde
stattfinden, die Garantie für sichere Aufbewahrung
leisten kann. Es ist eine erfreuliche Tatsache, daß
auf dem gesamten Gebiet des Archiowesens ein
frischer Aufschwung, der den Forderungen der
Neuzeit Rechnung trägt, zu bestätigen ist. Hierfür
spricht auch, daß mit dem Jahr 1899 zum ersten-
mal ein allgemeiner deutscher Archivtag (in Straß-
burg) stattfand, auf welchem eine Reihe in obiger
Ausführung berührter Grundsätze zu weiteren fach-
männischen Besprechungen kamen und der sowohl
für die wissenschaftliche und amtliche Entwicklung
des Archivwesens wie auch für den persönlichen
Verkehr der Archivare und den gegenseitigen Aus-
tausch gesammelter Erfahrungen und erworbener
Kenntnisse sicher in der Folgezeit von ersprieß-
lichem Wert sein wird. Seit jener Zeit finden
alljährlich Archivtage, gewöhnlich im Anschluß
an die Generalversammlung der deutschen Ge-
schichts= und Altertumsvereine an demselben Ort,
wo diese tagt, statt und fördern die Sache des
Archivwesens in dem obengedachten Sinn.
Die Literatur ist reicher an Abhandlungen
über einzelne Gebiete als an erschöpfenden Lehr-
büchern des Archivwesens. Mit Beschränkung auf
das 19. Jahrh. sind zu nennen: Zinkernagel, Hand-
buch für angehende Archivare (1800); Bachmann,
lber A. (1801); Oegg, Ideen einer Theorie der A.
wissenschaften (1804); Epplen, Anleitung zur Ein-
richtung der A. u. Registraturen (1805); v. Medem,
Erhard u. Höfer, Zeitschrift für A.kunde, Diplo-
matik u. Gesch. (2 Bde, 1834/36); Friedemanns
tinien. 352
Zeitschrift für die A. Deutschlands (2 Bde, 1846/53);
Archivalische Zeitschrift von Fr. v. Löher (13 Bde,
1876/88); Archivalische Zeitschrift, Neue Folge, seit
1890 hrsg. durch das Bayr. Allg. Reichsarchiv in
München; Fr. v. Löher, Allehre (1890); Burk-
hardts Korrespondenzblatt der deutschen A. (3 Bde,
1878/80); Gollmert, Die preuß. Staatsarchive (im
A. für Landeskunde der preuß. Monarchie IV);
A. Kaufmann, lber deutsches A. wesen (in Deutsche
Vierteljahrsschrift, Juli/Sept. 1867); Burkhardt,
Die A.frage vor dem Reichstag (1868); v. Hagke,
Über die Wiederherstellung eines deutschen Reichs-
archivs u. über Reformen im 2 wesen (1868);
K. Menzel in v. Sybels Histor. Zeitschrift XXII
(1869); G. Holtzinger, Katechismus der Registra-
tur= u. A.kunde (1883); Fr. Leist, Urkundenlehre
(1882); Muller, Feith u. Fruin, Anleitung zum
Ordnen u. Beschreiben von A.en; für deutsche
Archivare bearb. von H. Kaiser (1905). über die
archivalische Literatur der Jahre 1898/1906 vgl.
auch Abert in der Archivalischen Zeitschrift XIV
(1907). lZingeler.]
Argentinien, südamerikanische Republik,
besteht aus dem Gebiet der Bundeshauptstadt
Buenos Aires, 14 Provinzen: Buenos Aires,
Santa Fé, Entre Rios, Corrientes, Jujuy, Salta,
Tucuman, Santiago del Estero, Cördoba, San
Luis, Catamarca, Rioja, San Juan, Mendoza,
und den Nationalterritorien: Chubut, Feuerland,
Formosa, Neuquen, Rio Negro, Santa Cruz,
Pampa, Misiones und Chaco.
1. Geschichte. Als Entdecker gilt der spanische
Pilot Juan Diaz de Solis, der 1509 den La Plata
erreichte und denselben 1515 bis zur Mündung
des Parand befuhr, aber von den Eingebornen
erschlagen wurde. Glücklicher waren die Expedi-
tionen von Sebastian Caboto (1527) und Pedro
de Mendoza, welcher, von Spanien zum Statt-
halter des neu entdeckten Landes ernannt, 1585
Buenos Aires gründete, das aber wegen der An-
griffe der Indianer bald wieder aufgegeben wurde.
Eine zweite Ansiedlung 1542hatte dasselbe Schick-
sal; erst nach einer dritten Gründung 1581 ver-
mochte sich die Stadt zu behaupten. Von hoher
Bedeutung für die Entwicklung des Landes war
die segensreiche Tätigkeit der Jesuiten, welcher
leider zu früh ein Ende gemacht wurde (s. unten).
In administrativer Hinsicht war die Kolonie von
Peru abhängig und hatte manche schlimme Wand-
lung zu bestehen, selbst dann noch, als Spanien
1776 die Gebiete von Bolivia, Uruguay, Para-
guay und Argentinien zu einem Vizekönigreich
La Plata vereinigte (Hauptstadt wurde 1778
Buenos Aires). 1782 wurde dieses in acht
Intendanzen geteilt, von denen vier Oberperu,
vier Argentina bildeten; aus letzterem entstanden
dann die Republiken Paraguay, Uruguay und die
Argentinische Konföderation. 1810 entstanden
infolge der Gewaltmaßregeln Napoleons gegen
Spanien Unruhen und Wirren unter der in sich
uneinigen Bevölkerung. Mehrere Jahre wurde
gekämpft, bis sich auf dem Kongreß zu Tucumän
am 9. Juli 1816 die Plata-Staaten für un-