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nalen Gemeinschaft der in diplomatischem Verkehr
stehenden Staaten hat sich jedoch der völkerrecht-
liche Grundsatz entwickelt, daß den Fremden der
freie Aufenthalt im Inland sowie für ihre Person
und ihr Vermögen der Schutz der Gesetze zu ge-
währen sei, solange sich dieselben den inländischen
Gesetzen und Polizeiverordnungen unterwerfen
und sonst nicht lästig fallen. Die Anwendung des
heutigen Privatrechts ist demzufolge nicht auf die
Staatsangehörigen etwa mit Einschluß der domi-
zilierten und naturalisierten Fremden beschränkt,
das Privatrecht reguliert vielmehr die Rechtsver-
hältnisse, welche überhaupt seiner Normierung
unterliegen, ohne Rücksicht darauf, ob die in dem-
selben stehenden Personen Reichsangehörige oder
Fremde sind. Zur größeren Sicherstellung der
Fremden, behufs besserer Garantie ihrer Verkehrs-
freiheit und ihrer Rechte sind seitens des Deutschen
Reichs Niederlassungs-, Naturalisations-, Han-
dels-, Friedens-, Freundschafts= und Konsular-
verträge abgeschlossen worden. Aber auch ohne
solche Verträge tritt der Rechtsschutz ein; unkulti-
oierte Staaten werden sogar mit Waffengewalt
gezwungen, die rechtlichen Interessen der Indivi-
duen zu respektieren (Venezuela). Ja die Staaten
leisten nicht nur auf Grund vertragsmäßiger Ver-
einbarung, sondern auch ohne diese Ausländern
materielle Unterstützung, wenn sie derselben in
Fällen der Not oder des Kriegs bedürftig sind.
In Deutschland haben auf Grund des Unter-
stützungswohnsitzgesetzes hilfsbedürftige Ausländer
gegen den nächsten Ortsarmenverband sogar einen
Anspruch auf Unterstützung, und es sind wegen der
gegenseitigen Unterstützung Hilfsbedürftiger und
deren Rückübernahme in ihren Ursprungsstaat
vom Deutschen Reich Ubereinkommen mit Italien,
Dänemark, OÖsterreich-Ungarn, der Schweiz, Bel-
gien, Rußland und Luxemburg getroffen.
Zu einer gesetzlichen Reglung der Frem-
denbehandlung haben jedoch die dahinzielenden
Bestrebungen noch nicht geführt. Zwar hat das
Institut de droit international nach langen
und eingehenden Verhandlungen 1892 einen Ge-
setzentwurf über die Zulassung und Ausweisung
der Fremden zusammengestellt, derselbe ist aber
bisher noch nirgends Gesetz geworden. Zur Zeit
entscheiden über die Stellung der nichtnaturali-
sierten Fremden in Deutschland zuerst die ab-
geschlossenen Verträge, und wo solche fehlen, die
Gesetze des Reichs und neben diesen die in Geltung
gebliebenen Gesetze der Einzelstaaten. Durch die
Offnung des Reichs werden die landesrechtlichen
Befugnisse der Fremden polizeilich nicht berührt.
Sofern nicht durch einen Vertrag mit einem aus-
wärtigen Staat seitens des Reichs oder eines
Einzelstaats die Verpflichtung übernommen ist,
den Ausländern den Aufenthalt im Inland zu
gestatten, haben die einzelnen deutschen Staaten
die Macht, jedem Fremden das Betreten ihres
Gebiets ganz oder beschränkt zu versagen und den
zugelassenen Fremden wieder aus seinem Gebiet
Aufenthaltsrecht usw.
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zu entfernen. Diese Verweigerung des Aufenthalts
kann durch eigene Interessen und durch internatio-
nale Rücksichten veranlaßt und gerechtfertigt oder
die Rechtsfolge eines Strafurteils sein. Grund-
sätzlich wird jedoch den Ausländern der Aufent-
halt im Reichsgebiet in demselben Umfang, nicht
aber mit denselben Rechten wie dem Inländer
gestattet. So wird in dem Niederlassungsvertrag
mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom
27. April 1876 den Schweizern in Bezug auf
Person und Eigentum die gleiche Behandlung zu-
gesichert wie den Reichsinländern; sie können in
Deutschland ab= und zugehen und sich daselbst
dauernd oder zeitweilig aufhalten; doch müssen
sie, um sich dauernd in Deutschland niederzulassen,
ihrer Militärpflicht genügt haben und mit einem
Attest ihrer Heimatsbehörde versehen sein, daß
sie im Vollgenuß der bürgerlichen Ehrenrechte sich
befinden und einen unbescholtenen Leumund ge-
nießen. Ihr Hausiergewerbebetrieb und ihr Markt-
verkehr können beschränkt werden. In den zwischen
dem Deutschen Reich und Belgien, China, Costa
Rica, der Dominikanischen Republik, Frankreich,
Griechenland, Großbritannien, Hawaii, Japan,
Korea, Liberia, Mexiko, Persien, Portugal, Ru-
mänien, Salvador, Samoa, Serbien, Siam,
Spanien und Tunis abgeschlossenen Handels-,
Schiffahrts= und Konsularverträgen ist den An-
gehörigen der genannten Staaten unter den gleichen
Bedingungen, Lasten und Abgaben wie den eigenen
Staatsangehörigen Handel, Industrie und Ge-
werbe, das freie Aufenthaltsrecht und der Schutz
ihrer Person und ihres Vermögens garantiert.
Von ihrem Vermögen, welches außer Landes ge-
führt wird, darf weder Abschoß noch Nachsteuer
noch irgendwelche andere Abgabe erhoben werden.
Über den Erwerb von Grundbesitz entscheiden die
landesgesetzlichen Vorschriften. Die Konsular-
verträge mit Nordamerika, Brasilien, den Nieder-
landen, Rußland und Osterreich-Ungarn, der Ber-
liner Vertrag vom 13. Juli 1878, die Konven-
tionen über das Schutzrecht in Marokko und im
Kongostaat setzen das freie Aufenthaltsrecht der
Fremden als selbstverständlich voraus. Pässe dür-
fen von Ausländern weder beim Eintritt noch beim
Austritt über die Grenzen des Bundesgebiets noch
während ihres Aufenthalts oder ihrer Reisen inner-
halb desselben gefordert, Aufenthaltskarten nicht
eingeführt werden. Nur für den Verkehr mit
Rußland besteht nach den Verordnungen vom
14. Juni 1879 und 29. Dez. 1880 der Paßzwang
als Retorsionsmaßregel. In den erwähnten Han-
dels-und Schiffahrtsverträgen ist auch vereinbart,
daß im Fall eines Kriegs zwischen den kontra-
hierenden Staaten deren Angehörigen gestattet ist,
im Gebiet des Deutschen Reichs zu bleiben und
ihre Geschäfte fortzuführen; sie unterliegen dann
denselben Auflagen und Kontributionen wie die
eigenen Staatsangehörigen, sind aber frei von je-
der Zwangsanleihe. Offentliche Rechte werden den
Ausländern durch ihren Aufenthalt nicht erworben