Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

438 
weder im Staat noch in der Kommune. Eintritt 
in den Heerdienst kann gestattet, unter Umständen 
erzwungen werden. Die gesetzliche Schulpflicht 
trifft nur in Bayern und Elsaß-Lothringen den 
Fremden. 
Eine Einschränkung des freien Aufent- 
halts kann Ausländern gegenüber aus denselben 
Gründen erfolgen wie Inländern gegenüber, sie 
kann aber auch ferner durch den Beistand gerecht- 
fertigt sein, welchen sich die Staaten im Interesse 
der Präventivjustiz und der öffentlichen Sicherheit 
zu leisten verpflichtet sind. 
Die Ausweisung kann aus dem Gebiet des 
Deutschen Reichs erfolgen: a) als dauernde Neben- 
strafe gegen unter Polizeiaufsicht gestellte oder der 
Landespolizeibehörde überwiesene oder wegen ge- 
werbsmäßigen Glücksspiels verurteilte Ausländer; 
die Ausweisung ist durch die Landespolizeibehörde 
anzuordnen; b) infolge des Unterstützungswohn- 
sitzgesetzes und der demselben entsprechenden Ver- 
träge über die Rücklieferung hilfsbedürftiger Aus- 
länder. Durch die Einzelstaaten kann die Aus- 
weisung von Ausländern nach Landesrecht auf 
Grund der Fremdenpolizei erfolgen: a) infolge 
der Gesetze über die Armen= und Sittenpolizei und 
das Legitimationswesen, so daß mittel= und er- 
werbslose, legitimationslose, an ansteckenden 
Krankheiten leidende und geisteskranke Ausländer 
zurück= und ausgewiesen werden dürfen; b) als 
Vorbeugungsmaßregel gegen die Gefährdung der 
inneren oder äußeren Ruhe und Sicherheit eines 
deutschen oder eines mit dem Deutschen Reich be- 
freundeten Staates durch Ausländer, vorausgesetzt, 
daß letzterenfalls dem Deutschen Reich Gegensei- 
tigkeit verbürgt ist; c) zur Repressalie oder Retor- 
sion für gegen uns begangenes Unrecht. 
Die Ausweisung eines Ausländers durch die 
Behörde eines Einzelstaats gilt nur für das be- 
treffende Staatsgebiet, sofern sie nicht auf Reichs- 
gesetz beruht. In diesem Fall handeln die Landes- 
behörden als Organe des Reichs und mit Wirkung 
für das Reichsgebiet. Die Kosten des Ausweisungs- 
transports trägt der ausweisende Staat. Die Aus- 
führung der Ausweisung kann durch Transport 
oder durch Erteilung eines Zwangspasses oder 
durch Bekanntmachung der Ausweisungsverfügung 
geschehen. Die Landesbehörde bestimmt die Grenze, 
über welche der Ausgewiesene gebracht wird, wobei 
sie auf die Wünsche des Ausgewiesenen Rücksicht 
zu nehmen hat, sofern es sich nicht um die Aus- 
lieferung handelt. Die Ausweisungen der Aus- 
länder werden im „Zentralblatt für das Deutsche 
Reich“ bekannt gemacht. Der Staat, dem der Ab- 
gewiesene oder Ausgewiesene angehört, hat ihn 
wieder aufzunehmen, auch wenn er inzwischen seine 
frühere Staatsangehörigkeit verloren haben sollte, 
ohne die neue zu erwerben. — Die Ausweisung 
der Fremden als allgemeine Maßregel wird für 
den Fall des Kriegs im Völkerrecht für zulässig 
erachtet; dagegen ist strittig, ob auch im Frieden 
durch eine allgemeine Anordnung die Ausweisung 
Aufenthaltsrecht ufw. 
  
434 
sämtlicher Angehörigen eines fremden Staats 
völkerrechtlich zulässig sei. In der Literatur wird 
verlangt, daß diese Maßregel nicht nach dem Er- 
messen der Staaten, sondern nur aus bestimmten 
Gründen zugelassen werden solle. Als solche 
Gründe werden außer den vorangeführten noch 
Ungehorsam gegen die inländischen Gesetze und 
Option für das Ausland bezeichnet. Dementgegen 
hat die preußische Staatsregierung auf Grund 
ihrer Praxis Russen gegenüber eine Massenaus- 
weisung auch im Frieden verfügt (1885). Die 
Entscheidung der Frage ist, soweit nicht mit der 
betreffenden auswärtigen Regierung seitens des 
Reichs oder der Einzelstaaten Verträge abgeschlossen 
sind, aus dem Recht des Einzelstaates zu ent- 
nehmen. Der christlichen Weltanschauung wider- 
spricht jede die Rechte einzelner verletzende Maß- 
regel, und es sollte deshalb nur in Notfällen, nur 
gegen Entschädigung der verletzten Privatrechte 
und nur dann von ihr Gebrauch gemacht werden, 
wenn der bezweckte Erfolg mit Sicherheit vorher- 
zusehen ist. 
4. Aufenthaltsrechtim Ausland. Wie 
in Deutschland, steht auch in den auswärtigen 
Staaten der Staatsbehörde das Recht zu, Aus- 
länder aus ihrem Staatsgebiet auszuweisen. Von 
dieser Befugnis machen England und Nord- 
amerika nur im Weg der Gesetzgebung Gebrauch. 
Solche Gesetze werden mit kürzerer Zeitdauer er- 
lassen, z. B. in England die Prevention of Crime 
Act vom 12. Juli 1882 gegen die amerikanischen 
Agitatoren auf drei Jahre. In Belgien, dessen 
Gesetz vom 22. Sept. 1835 vorbildlich geworden 
ist, können Fremde, die in einer Gemeinde eine 
Niederlassung begründet haben und als Nieder- 
gelassene in das Gemeinderegister eingetragen 
worden sind, nur durch königliches Dekret auf 
Grund des Beschlusses des Ministeriums ausge- 
wiesen werden, sofern sie die öffentliche Ruhe ge- 
fährden oder strafrechtlich verfolgt werden oder im 
Ausland wegen Verbrechen oder Vergehen ver- 
urteilt worden sind. Fremde, die keine Nieder- 
lassung in Belgien haben, können jederzeit durch 
die Polizeibehörde ausgewiesen, und wenn sie 
Bettler oder Landstreicher sind, unmittelbar über 
die Grenze geführt werden (Gesetz vom 12. Febr. 
1897). Auch in den Niederlanden (Gesetz 
vom 13. Aug. 1847), Dänemark (Gesetz vom 
15. Mai 1875), Luxemburg (Gesetz vom 
18. März 1880) und Rumänien (Gesetz vom 
18. April 1881) kann die Ausweisung nieder- 
gelassener Fremder nicht durch die Polizeibehörden, 
sondern nur durch die Staatsregierung und nur 
wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit er- 
folgen. Und sie ist in diesen Staaten ebenso wie 
in Belgien auch für diesen Fall Niedergelassenen 
gegenüber ausgeschlossen, welche längere Zeit im 
Staat wohnen oder aus der Ehe mit einer In- 
länderin Kinder haben. In Frankreich kann 
der Minister des Innern jeden Fremden ausweisen. 
Inden Grenzdepartements steht schon den Präfekten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.