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Bedeutung bewahrt haben, so besonders die Leip-
ziger (Engros-Messe, haben selbst den Charakter
von Ausstellungen angenommen dadurch, daß auf
ihnen keine wirklich vorhandenen Waren mehr
umgesetzt, sondern nur Muster zur Schau gestellt
und auf Grund derselben Lieferungsverträge ab-
geschlossen werden. Trotzdem sind die Ausstel=
lungen keineswegs aus den Messen hervorge-
gangen. Ihr Vorbild bildeten vielmehr die Mu-
seen und Kunstsammlungen, wie sie seit der
NRenaissance an den Fürstenhöfen entstanden waren,
und die ersten derartigen Veranstaltungen gingen
dementsprechend von den bildenden Künstlern aus
(Paris seit 1648). Auch die gewerblichen Aus-
stellungen, welche seit Mitte des 18. Jahrh. auf-
tauchen, beschränken sich meist auf Kunstgewerbe
und Luxusindustrie (Seiden--, Gobelin-, Por-
zellanmanufaktur, auch Uhrmacherei, Buchhandel)
und waren auf einen beschränkten Kreis vermögen-
der Liebhaber berechnet. Von andern Gewerben
benutzte zuerst die neu entstehende Maschinenindu-
strie diesen Weg, um ihre Erfindungen (besonders
Spinn= und Webemaschinen) bekannt zu machen.
Solche Ausstellungen fanden statt in London 1751,
Hamburg 1790, Prag 1791, Paris 1798. Mit
dem Anwachsen der Großindustrie, den Fort-
schritten der Technik und der Entwicklung des
Reiseverkehrs wuchsen die Ausstellungen in Be-
ziehung auf die Zahl der vertretenen Gewerbe
und den Umfang des Gebiets, dem sie angehörten,
bis zu den Landesausstellungen, welche die ganze
gewerbliche Produktion eines Landes zu umfassen
suchten. Frankreich gab auch hier ein Vorbild
7 Ausstellungen 1817/45), das auch in Deutsch-
land (anfangs für einzelne Bundesstaaten, für ganz
Deutschland München 1842, Berlin 1844, Leip-
zig 1851, München 1854) Nachahmung fand.
England zeigte sich zurückhaltend, wenn es auch
eifrig die Ausstellungen der andern Länder stu-
dierte. Dagegen ging von hier der Gedanke aus,
die Industrie aller Länder zu einem internatio-
nalen Wettbewerb zu vereinen. Mit besonderer
Unterstützung des Prinzgemahls Albert wurde er
durch die Londoner Weltausstellung von 1851 zum
erstenmal verwirklicht. Das Ausstellungswesen er-
hielt damit eine ganz neue wirtschaftliche Bedeu-
tung durch die Förderung der Exportindustrie.
Solcher Weltausstellungen wurden bis jetzt 11
veranstaltet: 1851 London, 1855 Paris, 1862
London, 1867 Paris, 1873 Wien, 1876 Phil-
adelphia, 1878 und 1889 Paris, 1893 Chicago,
1900 Paris, 1904 St Louis. Internationale,
aber nicht eigentliche Weltausstellungen waren die
Ausstellungen von Sidney 1879, Melbourne
1880, Moskau 1882 und 1888, Amsterdam 1883,
Nizza und Kalkutta 1884, Antwerpen 1894,
Brüssel 1888 und 1897, Mailand 1906. Die
Veranstaltung einer Berliner Weltausstellung ist
wiederholt angeregt worden, sie scheiterte aber an
der Zurückhaltung der Großindustrie wie der
Reichsregierung.
Ausstellungen.
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Gegenüber der Konkurrenz der Weltausstel-
lungen wurden Landesausstellungen alten Stils
in den großen Industrieländern seit 50 Jahren
nicht mehr abgehalten, während diese Art der
Ausstellungen dagegen in den kleineren Ländern,
z. B. Skandinavien und selbst Japan, Verbreitung
fand. Dagegen kam in das Ausstellungswesen
neues Leben durch weitgehende Beschränkung, die
sich einerseits in der räumlichen Dezentralisation,
anderseits in der Spezialisierung der Ausstellungen
zeigte. — Obenan stehen in Deutschland die In-
dustrieausstellungen der einzelnen Bundesstaaten
und der preußischen Provinzen, deren seit Begrün-
dung des Reichs fast in jedem Jahr eine oder mehrere
veranstaltet wurden. Man hat auch Ausstellungen
der Erzeugnisse eines Landes in einem andern ver-
anstaltet, zur Förderung des Exports oder der Ein-
fuhr. Der zweite Gesichtspunkt war die Spezia-
lisierung der Ausstellungen. In der Regel besteht
dieselbe in der Beschränkung auf einen bestimmten
Produktionszweig. Ausstellungen dieser Art sind
zum Teil zu regelmäßigen, in bestimmten Zwischen-
räumen wiederkehrenden Einrichtungen geworden.
So haben die großen Kunstzentren ihre regel-
mäßigen jährlichen Kunstausstellungen. Fast eben-
so regelmäßig kehren seit etwa zehn Jahren, teils
mit jenen verbunden teils selbständig, die Aus-
stellungen für das Kunstgewerbe wieder, an ihrer
Spitze die allgemeinen „Deutschen Kunstgewerbe-
ausstellungen“, deren dritte und bedeutendste 1906
in Dresden abgehalten wurde. Diesen Ausstel-
lungen ist wohl vor allem das Durchdringen der
neuen Ideen in der Wohnungskunst während des
letzten Jahrzehnts zu verdanken, so wie 1876 die
Münchener Ausstellung („Unserer Väter Werke“)
der deutschen Renaissance zum Sieg verholfen hatte.
— Zu den regelmäßigsten und bestorganisierten
gehören in den meisten Ländern (Frankreich, Eng-
land, Schweiz usw.) die landwirtschaftlichen Aus-
stellungen. In Deutschland werden die zahlreichen
Veranstaltungen dieser Art überragt durch die
jährliche, von Ort zu Ort wandernde Ausstellung
der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft. — Zu
erwähnen sind auch die Ausstellungen von Mo-
toren und Kraftmaschinen, welche besonders für
die Verbreitung des Kleinmotors gewirkt haben,
die Ausstellungen der elektrischen Industrie und
andere. Ausstellungen landwirtschaftlicher Ma-
schinen sind meist mit den landwirtschaftlichen
Ausstellungen verbunden, ein Beispiel für das
Gegenteil bietet der jährliche dreitägige Breslauer
Maschinenmarkt. Auch die Handwerkerbewegung
hat sich der Ausstellungen zur Propaganda ihrer
Zwecke bedient (Breslau 1904). Unter den inter-
nationalen Fachausstellungen seien hervorgehoben
die Fischereiausstellungen in Berlin (1880) und
London (1883) und die elektrotechnische Ausstel-
lung in Frankfurt (1891).
Einen andern mit dem ersten nicht immer zu-
sammenfallenden Gesichtspunkt für die Zusammen-
fassung von Gewerben auf einer Ausstellung gibt