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die Befriedigung eines bestimmten Bedarfs. Hier-
her gehören Ausstellungen für Sport, Automobi-
lismus, Hygiene, Heer und Marine, Musikfach-
ausstellungen, Ausstellungen für Reklamewesen usw.
Daneben gibt es Ausstellungen, bei denen die ge-
schäftlichen Absichten hinter dem idealen Zweck
der Belehrung und Anregung vollständig zurück-
treten, wie z. B. die deutsche Städteausstellung in
Dresden (1908), welche durch Modelle städtischer
Anlagen, Lehrmittelsammlungen aus städtischen
Schulen, statistische Darstellungen usw. ein Bild
der Blüte städtischer Verwaltungen gab. In klei-
nerem Maßstab werden solche Ausstellungen be-
sonders gern bei Gelegenheit wissenschaftlicher
Kongresse veranstaltet, aber auch auf andern Aus-
stellungen sind ganze Abteilungen, insbesondere
die sog. retrospektiven, ausschließlich der Belehrung
gewidmet.
Aus den Ausstellungen im engeren Sinn sind
zahlreiche ständige Veranstaltungen hervorgewach-
sen, welche entweder rein geschäftlichen Inter-
essen oder vorwiegend der Belehrung dienen. Ver-
anstaltungen der ersten Art haben als „ständige
Ausstellungen“ den Ausstellungscharakter insoweit
gewahrt, als sie die ausgestellten Gegenstände nur
vorübergehend vorführen, um sie dann durch an-
dere zu ersetzen. Hierher gehören die Exportmuster-
lager, welche entweder im exportierenden Land
(das erste Stuttgart 1882) oder im Einfuhrland
(ein belgisches in Konstantinopel, österreichisches
in Kalkutta, italienisches in Buenos Aires usw.)
errichtet sind, meist nur den Interessenten offen-
stehen und selbst Geschäftsabschlüsse vermitteln.
Ahnliche Zwecke verfolgen, meist ohne die aus-
gesprochen geschäftliche Organisation, die Handels-
museen (z. B. das Orientalische Museum in Wien
von 1864) und andere Veranstaltungen unter ver-
schiedenem Namen. Vorwiegend der Anregung der
Gewerbetreibenden, der Heranbildung des gewerb-
lichen Nachwuchses und der Belehrung des Publi-
kums dienen die zahlreichen Gewerbemuseen (das
ällteste in Deutschland das Landesgewerbemuseum
in Stuttgart 1848), in der Hauptsache Samm-
lungen gewerblicher Musterbeispiele. Bei den
Kunstgewerbemuseen steht häufig sogar das künst-
lerische und historische Interesse im Vordergrund.
Allerdings sind die Grenzen fließend, und gerade
bei den Kunstgewerbemuseen wird oft die dauernde
Sammlung mit vorübergehenden Ausstellungen
moderner Erzeugnisse verbunden.
Der Nutzen der Ausstellungen wird von Ge-
schäftsleuten wie von Volkswirten verschieden be-
urteilt. Große Unternehmungen mit einem aus-
gedehnten, wenig erweiterungsfähigen Kreis von
Abnehmern, ganz besonders solche, welche Stapel-
artikel produzieren (Hütten, Bergwerke, Zucker-,
Papierfabrikation usw.) betrachten die Ausstel-
lungen als eine lästige und kostspielige Ver-
pflichtung zur Repräsentation; um so größeren
Nutzen können aber junge, neue Verbindungen
suchende Unternehmungen aus den Ausstellungen
Ausstellungen.
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ziehen; Industrien, welche sich an den Geschmack
(Kunstgewerbe) oder an Luxus- und Modelaunen
(Automobilismus, wenigstens bis jetzt) wenden,
können sie kaum entbehren. Außer den Ausstellern
haben aber auch alle Gewerbe, welche von dem
Fremdenverkehr leben, die Eisenbahnen, die Aus-
stellungsstadt als Ganzes, ein Interesse an den
Ausstellungen, und dieses Interesse ist meist wirk-
samer als das der ausstellenden Industrie.
Vom volkswirtschaftlichen Standpunkt sind die
Ausstellungen in der Hauptsache günstig zu beur-
teilen als Anregung der Konkurrenz und damit des
wirtschaftlichen Fortschritts überhaupt, wie auch
der Anspannung der Kräfte in einzelnen besonders
guten Leistungen. Die internationalen Ausstel-
lungen sind außerdem eines der wirksamsten För-
derungsmittel des Exports. Es darf dabei nicht
vergessen werden, daß die Aussteller nicht nur für
sich, sondern auch für ihr Land und dessen In-
dustrie überhaupt Reklame machen. Für die fran-
zösische Industrie sind die Jahre nach den Welt-
ausstellungen immer Höhepunkte des Exports ge-
wesen. Außerdem geben die Ausstellungen die Mög-
lichkeit, einen Uberblick über den augenblicklichen
Zustand der industriellen Entwicklung zu gewinnen,
und schließlich haben wenigstens die Weltausstel-
lungen auch noch den idealen Nutzen, daß sie die
Völker einander kennen lehren und die Staaten
wegen des eingegangenen großen Risikos zu einer
friedlichen Politik zwingen.
Die finanziellen Ergebnisse werden meist zu
ungünstig beurteilt. Ein großer Teil der Aus-
stellungen hat erhebliche Überschüsse abgeworfen
(Paris 1889: 8 bzw. 3 Mill. A#), aber auch ein
Defizit des Ausstellungsbudgets ist oft nur ein
scheinbarer Verlust. So schloß die Ausstellung
in Paris 1900 mit einem Defizit von 2 Mill.
Franken, welches der Staat zu decken hatte;
außerdem hatten Staat und Stadt 40 Mill.
Zuschuß gegeben. Dagegen betrug die Mehrein-
nahme des Staats an indirekten Steuern, Erspar-
nis an der Zinsgarantie der Eisenbahnen usw.
über 60 Mill., und für die Stadt Paris dürfte
das Ergebnis ein ähnliches sein.
Allerdings bestehen im Ausstellungswesen un-
leugbare Mißstände. Die Häufung der Ausstel-
lungen, besonders in Deutschland, beeinträchtigt
ihre Wirkung und bedeutet auch an sich eine wirt-
schaftliche Kraftverschwendung. So fanden im
Jahr 1906 in Deutschland nicht weniger als sechs
große Provinzial- und Spezialausstellungen statt.
Die Medaillen und Prämiierungen haben durch
die zahlreichen Winkel= und Schwindelausstel-
lungen ihren Wert verloren. Neue Erfindungen,
welche ausgestellt werden, sind zwar seit der Pa-
riser Konvention von 1900 in den meisten Staa-
ten hinreichend geschützt, wenn sie bereits in einem
der Vertragsstaaten Schutz genießen. Ungeschützte
Erfindungen aber laufen nicht nur Gefahr, Ge-
meingut zu werden, sondern sie verlieren bei der
eigentümlichen Gestalt, welche der Begriff der