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Neuheit in den Patentgesetzen erhalten hat, durch
die öffentliche Zurschaustellung überhaupt die Pa-
tentfähigkeit. Innerhalb eines Staats kann diesem
formalen Mangel allerdings durch ein besonderes
Privileg abgeholfen werden, dessen Verleihung bei
uns durch Erlaß des Reichskanzlers geschieht.
Das Ausstellungswesen verlangt also eine bessere
Organisation und eine internationale Reglung.
Eine solche ist bereits von den Interessenten an-
gebahnt worden. Es haben sich in den einzelnen
Ländern aus den Kreisen der Industrie heraus
nationale Komitees gebildet (so in Deutschland
die „Ständige Ausstellungskommission für die
deutsche Industrie“), und diese sind im Dezember
1907 in Paris zu einer Konferenz zusammen-
getreten. Die Konferenz forderte zeitweiligen
Schutz des Urheberrechts an ausgestellten literari-
schen und künstlerischen Werken auch in Staaten,
welche außerhalb der Berner Konvention stehen,
ebenso einen zeitweiligen Schutz für ausgestellte
Erfindungen, gewerbliche Muster usw., auch wenn
dieselben Patentschutz nicht genießen; internatio-
nale Reglung des Prämien= und Medaillenwesens,
insbesondere Abhängigkeit des Rechts der Prämi-
ierung von einer behördlichen Verleihung an die
betreffende Ausstellung, Ausschließung von Er-
zeugnissen, welche falsche Angaben über Ursprung
und Herkunft tragen. Endlich wurde die Bildung
einer internationalen Vereinigung der nationalen
Ausstellungskomitees und die jährliche Wieder-
holung der Konferenz beschlossen. Die Beschlüsse
wurden den einzelnen Regierungen übermittelt,
und es ist wohl auf eine allmähliche internatio-
nale Reglung des Ausstellungswesens zu hoffen,
wie sie ähnlich im Patentrecht, Urheberschutz usw.
auf andern Gebieten bereits existiert.
Literatur. Bucher, Kulturhistor. Studien
aus den Industrie-A. aller Völker (1851); Exner,
Die Aussteller u. die A. (21873); Lessing, Das
halbe Jahrh. der Welt-A.en (1900); Paquet, Das
Ausstellungsproblem in der Volkswirtschaft (1908);
Ausstellungsjahrbuch, hrsg. von Heinr. Pudor (seit
906). [Huch.]
Auswanderung. Man bezeichnet mit
Auswanderung eine internationale, d. h. die
Staatsgrenzen überschreitende Wanderung zur
wirtschaftlichen Betätigung entweder innerhalb
eines Kontinents oder über die See. Die Aus-
wanderung ist entweder dauernd oder temporär.
Naturgemäß beansprucht die erstere ein größeres
Interesse. Der Unterschied zwischen den beiden
Formen der Auswanderung ist jedoch oft schwer
auseinanderzuhalten, da Personen, die eine dau-
ernde Auswanderung beabsichtigten, nach Jahren
der Arbeit mit den erworbenen Gütern oder auch
enttäuscht in ihren Erwartungen sich der alten
Heimat wieder zuwenden, zahlreiche temporäre
Auswanderer aber, sogar wenn sie nur Saison-
arbeiter sind, sich dauernd im Einwanderungs-
land niederlassen. Die vorübergehende Auswan-
derung wurde im wesentlichen erst durch die
Auswanderung.
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Schnelligkeit und Billigkeit der modernen Ver-
kehrsmittel ermöglicht. Im Gegensatz zur Einzel-
auswanderung, die heute die regelmäßige Form
bildet, besteht die Massenauswanderung
in dem Abwandern ganzer Völker, Volksteile oder
bestimmter Bevölkerungsklassen (z. B. religiöser
Parteien), im Gegensatz zur freiwilligen Auswan-
derung die Zwangsauswanderung in dem
Versetzen einzelner Personen oder Vollksteile in
ein anderes Gebiet wider deren Willen. Die Aus-
wanderung ist organisiert, wenn sie unter
einheitlicher (staatlicher usw.) Leitung vor sich geht.
I. Arsachen und Wirkungen. Wenrn auch
der den meisten Menschen innewohnende Wander-
trieb nicht zu unterschätzen ist, so übt den größten
Einfluß wenigstens auf die moderne Auswande-
rung doch die wirtschaftliche Lage aus. Ungesunde
Erwerbsverhältnisse und Krisen im Heimatland
und im Gegensatz dazu günstige Arbeitsbedingun-
gen und höhere Löhne im Einwanderungsgebiet be-
stimmen je nach ihrer Intensität die Stärke der
Auswanderungsbewegung. Mit dem Ausschwung,
den das wirtschaftliche Leben eines Landes nimmt,
geht gleichzeitig eine bessere Bewertung der ein-
zelnen Arbeilskräfte und damit eine Reduzierung
der Auswanderungsbewegung Hand in Hand;
das gleiche geschieht, wenn im Ausland Stockungen
auf dem Arbeitsmarkt eintreten. Die namentlich
früher vielfach vertretene Anschauung, daß in erster
Linie die Auswanderung in der Übervölkerung
ihren Anlaß habe, erleidet heute eine wesentliche
Einschränkung, insofern als in dem Drang ach Ver-
besserung der wirtschaftlichen Lage die erste Ur-
sache der Auswanderung erblickt wird. Dabei soll
nicht verkannt werden, daß die Auswanderung ein
Ventil für den Abfluß der überschüssigen Bevölke-
rung darstellt. Mit Recht wird darauf hingewiesen,
daß über das Vorhandensein einer Ubervölkerung
weder die absolute Bevölkerungszahl noch die Be-
völkerungsdichte entscheidet, sondern die Tatsache,
daß ein Land mit allen seinen Hilfsquellen und
bei größter Arbeitsleistung nicht mehr das für den
Unterhalt seiner Bewohner Erforderliche hervorzu-
bringen vermag. Neben der absoluten Über-
völkerung gibt es allerdings noch eine partielle
oder relative; sie ist vorhanden, wenn die Auf-
nahmefähigkeit einzelner Berufskreise oder Bevöl-
kerungsklassen erschöpft ist. Auch die Feststellung
einer relativen Ubervölkerung dürfte auf manche
Schwierigkeiten stoßen. Durch wirtschaftspolitische
Maßnahmen läßt sie sich übrigens in den meisten
Fällen beseitigen, ohne daß eine Auswanderung
einzutreten braucht. In gewissem Maß hängt die
Stärke der Auswanderung auch von der kulturellen
Entwicklung eines Volks ab. Die Auswanderungs-
bewegung war z. B. in Großbritannien, Deutsch-
land, Frankreich, Norwegen, Holland und der
Schweiz schon in den 1850er Jahren sehr intensiv,
während sie bei den kulturell zurückgebliebenen
Völkern Osteuropas erst seit den 1890er Jahren
Bedeutung erlangte. Gründe politischer und re-