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Auch in die deutschen Schutzgebiete ist die Ein-
wanderung zweifelhafter und unerwünschter Ele-
mente ausgeschlossen. In Samog ist die Einwan-
derung und Niederlassung der Chinesen nur mit
Genehmigung des Gouverneurs zulässig.
V. Rückwanderung. Die Liebe zur heimat-
lichen Erde hat von jeher einen starken Prozent-
satz der Auswanderer, die in der weiten Welt ihr
Fortkommen gefunden und denen es vergönnt
war, sich durch Ersparnisse ein von Existenzsorgen
freies Alter zu verschaffen, in das alte Vaterland
zurückgeführt. Eine ähnliche Erscheinung zeigt ja
auch die Binnenwanderungsbewegung. Auch hier
strömt ein großer Teil der in jungen Jahren in
die Stadt und die Industriezentren abgewanderten
Personen im höheren Lebensalter aufs Land
zurück. Dem Heimatstaat bleibt durch diese Rück-
wanderung nicht nur eine Summe nationaler
Kräfte erhalten, auch der wirtschaftliche Wohl-
stand erhält dadurch eine wesentliche Kräftigung.
Von der Rückwanderung nach jahrelangem Auf-
enthalt im Ausland ist die der temporären Aus-
wanderer wohl zu unterscheiden. Auch diese ge-
reicht, wie wir namentlich bei Besprechung der ita-
lienischen Auswanderung gesehen haben, im all-
gemeinen dem gesamten Staatsleben zum Vor-
teil. Schwere Bedenken und Gefahren kann aber
eine plötzliche Massenrückwanderung unbemittel-
ter Elemente hervorrufen, die in der Ferne
nicht die erhoffte Arbeitsgelegenheit gefunden
haben. Am schärfsten ist diese Erscheinung bis
jetzt im Jahr 1907 zutage getreten, wo infolge
der amerikanischen Finanz= und Wirtschaftskrisis
innerhalb weniger Wochen Hunderttausende das
Land des Sternenbanners verließen und sich wie-
der ihrem europäischen Vaterland zuwandten.
Nur zu leicht kann das unerwartete Zurückfluten
eines so gewaltigen Arbeiterstroms schwere soziale
Mißstände im Heimatland veranlassen. In der
richtigen Erkenntnis der großen Gefahren wurde
denn auch seitens der Auswandererstaaten, nament-
lich Italiens und Osterreich-Ungarns, die nach-
teiligen Folgen möglichst abzuschwächen gesucht
durch Gewährung freier Eisenbahnfahrt, durch
eine umfangreiche Organisation der Arbeitsver-
mittlung, durch Vergebung von Notstandsarbeiten
seitens staatlicher und kommunaler Behörden.
Deutschland ist infolge der geringen Auswande-
rung der letzten Jahre von den nachteiligen Fol-
gen einer derartigen Rückwanderung weniger be-
droht, wohl aber müssen auch die deutschen Regie-
rungen umfassende Vorkehrungen treffen, weil die
slawische und ungarische Auswanderung in ihrem
größten Teil von deutschen Häsen aus und auf
deutschen Schiffen erfolgt und ebenso die zurück-
gewiesenen Einwanderer wie die Rückwanderer
dieser Volksstämme in Europa wieder zuerst deut-
schen Boden betreten. Um zu vermeiden, daß unbe-
mittelte Elemente fremder Staatsangehörigkeit
der Fürsorge der deutschen Einzelstaaten zur Last
fallen, sind schon im Jahr 1904 die in Deutsch-
Auswanderung.
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land konzessionierten Auswanderungsunterneh-
mungen von der preußischen Regierung zur Über-
nahme einer Garantie gezwungen worden, durch
welche sie sich verpflichtet haben, für die Durch-
beförderung der außerdeutschen Rückwanderer in
ihre Heimat zu sorgen und dem Staat und den
Gemeinden die Kosten abzunehmen, die ihnen
durch die Rückwanderer etwa erwachsen. Gleich-
zeitig ist durch Anweisung der Grenzbehörden
dafür Sorge getragen worden, daß der Staat
auch gegen Uberflutung durch solche unerwünschte
nicht deutsche Rückwanderer geschützt wird, die sich
fremder Schiffslinien zur Rückfahrt aus Amerika
bedient haben. Geeignete Elemente dieser Rück-
wanderer werden eventuell auch für die Arbeit in
landwirtschaftlichen und industriellen Betrieben
des Inlands zu gewinnen gesucht. Zu wünschen
wäre, daß von deutscher Seite der zahlenmäßigen
Feststellung der deutschen Rückwanderung, wenig-
stens der über die See, deren statistische Erfassung
ohne größere Schwierigkeit möglich wäre, eine
größere Beachtung geschenkt würde. Seit dem
Jahr 1905 werden vom Keiserlichen Statistischen
Amt nach Auskünften der beiden großen deut-
schen Schiffahrtsgesellschaften Mitteilungen über
die Höhe der Einwanderung veröffentlicht (Reichs-
Arbeitsblatt). Vielleicht ließen sich diese Angaben
nach Einwanderung oder Rückwanderung sowie
Dauer des Aufenthalts in der Fremde speziali-
sieren. Eine vortrefflich ausgebildete Rückwan-
dererstatistik besitzen Jtalien und Großbritannien,
auch die amerikanische Union (hier aber eigentlich
Auswandererstatistik).
Das Zurückfluten der großen Arbeiterscharen,
das uns zum erstenmal als Folge der ameri-
kanischen Krisis vom Jahr 1907 vor Augen trat,
dürfte in der Zukunft zu einer ständigen Begleit-
erscheinung großer Stockungen im Wirtschafts-
leben werden. Das Typische in der Entwicklung
der modernen Auswanderung dürfte überhaupt
sein, daß immer mehr an Stelle der eigentlichen
Auswanderung ein internationales Sachsen-
gängertum tritt, daß der Begriff „Auswanderer",
da die Entwicklung des Verkehrs und der Industrie
die Arbeiterschaft der Erde in immer größere Bewe-
gung bringt, gegen den Begriff „Wanderarbeiter“
zurücktritt, daß das Arbeiterproletariat immer
mehr internationalisiert wird, der einzelne Ar-
beiter in der weiten Welt aber doch wieder in
wirtschaftlicher und nationaler Hinsicht mit den
Interessen der Heimat verbunden bleibt.
VI. Durchwanderung. Dieselbe kann na-
mentlich aus gesundheits-, armen= und sicherheits-
polizeilichen Gründen eine Beachtung seitens der
staatlichen Organe verdienen. Hier sollen nur
die in Deutschland bzw. Preußen geltenden Vor-
schriften über die Durchwanderung kurz skizziert
werden. Wohl kein anderes Land hat eine so ge-
waltige Durchwanderung aufzuweisen wie der
preußische Staat. Da diese fast ausschließlich aus
dem slawischen Osten mit seinen mangelhaften