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und sozialen Fragen regelnden Staatsganzen und
der einem solchen für diese Angelegenheiten zwar
untergeordneten, in weitem Umfang ihre besondern
Verhältnisse aber selbständig ordnenden Gebiets-
teile (Kronländer, Staaten usw.) bezeichnet. Jener
Begriff kann allerdings als ein dem weiteren Be-
griff des Autonomismus untergeordneter bezeichnet
werden, erheischt aber wegen der Fülle des ein-
schlägigen Materials eine besondere Behandlung
(s. auch d. Art. Zentralisation und Dezentrali-
sation).
Nur eine Bemerkung möge hier noch ihren Platz
finden. Es wird in der Gegenwart von verschiede-
nen Gelehrten viel von der Autonomie, von der
Selbständigkeit der Gesellschaft geredet. Es
ist sicher ganz am Platz, sehr energisch zu be-
tonen, daß die eigentliche Staatsgewalt, d. h. die
höchste, in letzter Hinsicht ausschlaggebende Ge-
walt des Staats und die direkt von ihr einge-
setzten und abhängigen Organe, nicht übermäßig
das Feld ihrer Tätigkeit ausdehnen und da nicht
eingreifen sollen, wo nicht das Interesse der Wah-
rung der Gerechtigkeit, deren Begriff allerdings
selbst unter überzeugten Katholiken in sehr ver-
schiedenem Umfang aufgefaßt wird, dies not-
wendig macht. Es muß aber verwirrend wirken,
wenn dem Staat, soweit es sich um allgemeine
oder auch nur um einen bestimmten Kreis von Per-
sonen umfassende, aber doch über das Maß gegen-
seitiger vertragsmäßiger Abmachungen hinaus-
gehende Festsetzungen handelt, sobald nicht mehr
die Handhabung der Justizhoheit und der staat-
lichen Gewalt im Verhältnis zum Ausland sowie
die zu diesen Zwecken ausgeübte Militär= und
Finanzhoheit in Frage steht, die Organisation
der Gesellschaft entgegengesetzt wird, als ob diese
eine selbständige handlungsfähige Gewalt, wie
Staat und Kirche, wäre. Nur diese zwei höchsten
Gewalten existieren auf Erden, die zwei Schwerter
der mittelalterlichen Rechtsvorstellung. Was man
als zwingend eingreifende Wirksamkeit der Ge-
sellschaft bezeichnet, ist nichts als zugelassene und
heutzutage fast immer ausdrücklich übertragene
Delegation staatlicher Befugnisse. Die Staats-
gewalt ist ihrer Natur nach eine einheitliche. Wer
sollte denn in letzter Instanz über Differenzen
zwischen Staat und Gesellschaft entscheiden? Es
ist aber naturgemäß und nötig, daß dieselbe viel-
fach in autonomer und föderativer Form erscheine,
um sich der Mannigfaltigkeit der Verhältnisse an-
zupassen. In welchem Grad dies freilich in den
einzelnen Staaten zu geschehen hat, hängt von
der Natur der dieselben zusammensetzenden Ele-
mente, von der Verschiedenheit der den betreffenden
Staat bildenden nationalen Bestandteile, von
territorialen Eigentümlichkeiten und endlich von
den Zeitverhältnissen ab. Eine allgemeine Regel
kann darüber nicht aufgestellt werden.
Was die Literatur anlangt, so ist bezüglich
der dogmatischen Behandlung auf die verschiedenen
Werke über deutsches Privatrecht, z. B. das mehr-
Autorität.
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fach zitierte Werk von Beseler (71885), ferner auf
die verschiedenen Lehrbücher des Pandektenrechts,
sodann auch auf Ungers System des österr. allg.
Privatrechts (I, II u. VI 1856/64, I u. I1 31892,
VI/1894) u. auf Puchtas Gewohnheitsrecht (2 Bde,
1828/37; 1158) hinzuweisen. Dieser letztere hat
die richtige Lehre von der A. gegenüber Thibauts
irrtümlicher Auffassung wieder festgestellt, welcher
diesen Begriff auch auf die Verfügungen ausdehnte,
welche einzelne Privatpersonen durch Verträge oder
sonstige Dispositionen über ihre Rechtsverhältnisse
in Abänderung von nicht unbedingt verpflichtenden
Rechtsregeln treffen. Dieser irrtümliche Stand-
punkt wurde später von v. Gerber, Archiv für zivi-
listische Praxis XXXVII, Nr2, wieder verteidigt.
lber die durch diesen Aufsatz hervorgerufene pole-
mische Literatur val. Beseler a. a. O. Als besondere
Abhandlungen über die A. erschienen auch: J. C.
Majer, A. (1872); R. Hermann, Dissert. de auto-
nomia iuris germanici (Jena 1859). Bezüglich der
historischen Entwicklung der autonomen Rechtsorga-
nisationen find die verschiedenen Lehrbücher der
deutschen Reichs= u. Rechtsgeschichte zu vergleichen,
außerdem Gierke, Deutsches Genossenschaftsrecht
(3 Bde, 1868/81). Ferner sind zu nennen: Maurer,
Art. „A.“ in Bluntschli u. Braters Staatswörter-
buch 1 (1857); Gneist, Verwaltung, Justiz, Rechts-
weg, Staatsverwaltung u. Selbstverwaltung nach
engl. u. deutschen Verhältnissen (1869); Brunner
in Holtzendorffs Rechtslexikon 1 (1880) 218 219;
Pfaff u. Hofmann, Kommentar zum Osterr. all-
gemeinen bürgerl. Gesetzbuch (2 Bde, 1877 ff)u;
Gareis, Allg. Staatsrecht (1883) 85/87 (im Hand-
buch des öffentl. Rechts der Gegenwart, hrsg. von
Marquardsen). Endlich für das Privatfürstenrecht:
/r. Schulze-Gävernitz, Hausgesetze der regierenden
deutschen Fürstenhäuser (3 Bde, 1862/83); Heffter,
Die Sonderrechte der souveränen u. mediatisierten
Häuser Deutschlands (1871); Scholly, Das A.recht
des hohen Adels (1894). [Kämpfe.]
Autorität bedeutet das Ansehen, welches
eine Person innerhalb eines größeren oder klei-
neren Kreises genießt und ihr den Anspruch ver-
leiht, das Denken, Wollen und Handeln der übrigen
mehr oder minder zu beeinflussen. Man unter-
wirft sich dem Ausspruch einer Autorität, wenn
man denselben darum als gültig hinnimmt, weil
er von einer bestimmten Persönlichkeit herrührt.
Man handelt auf die Autorität eines andern hin,
wo man sich von ihm die Richtung des Handelns
vorschreiben läßt. Den Gegensatz bildet jedesmal
die selbsterworbene Überzeugung oder die aus
eigener Entscheidung stammende Tat. Diese machen
den Stolz und das auszeichnende Merkmal des
freien Menschen aus, trotzdem kann die Menschheit
der Autorität nicht entraten. Auch nicht in der
Wissenschaft. Sollte nur das dafür gelten, was
der einzelne Forscher selbst erfahren, festgestellt
oder bewiesen hätte, so wäre jeder Fortschritt un-
möglich. Ein jeder stützt sich vielmehr auf die
Autorität seiner Vorgänger und entnimmt von
ihnen in weitem Umfang Tatsachen und Lehrsätze.
Daneben spricht man noch besonders von wissen-
schaftlichen Autoritäten und versteht darunter Fach-
leute, deren Urteil auf einem bestimmten wissen-