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nach und bewilligte ihm außerdem noch eine be-
deutende Pension. An Achtung gewann er da-
durch in der Offentlichkeit allerdings nicht. Den
Rest seines Lebens widmete er, zurückgezogen von
der Offentlichkeit, zumeist den Wissenschaften und
der Ausführung seiner wissenschaftlichen Entwürfe,
indem er hoffte, dadurch seinen Ruhm dauernd
zu begründen. Gegen Ende seines Lebens wurde
er in alle seine Rechte und Ehren wieder einge-
setzt und nahm sogar einen Sitz in dem ersten
Parlament ein, welches Karl I. versammelte.
Aber in der öffentlichen Meinung half ihm auch
dies nichts; er hatte in seiner bisherigen Laufbahn
einen zu niedrigen Charakter an den Tag gelegt,
als daß ihm die allgemeine Achtung noch hätte zu-
teil werden können. Bacon starb 22. Jan. 1626.
Fragen wir nach den Leistungen Bacons auf
wissenschaftlichem Gebiet, so trat er hier ausge-
sprochenermaßen als „Reformator“ auf. Sein
Plan ging dahin, die Wissenschaft von Grund
aus neu zu gestalten. Was bisher die Wissen-
schaft geleistet, das erschien ihm ungenügend, zum
größten Teil verfehlt. Man müsse von vorn
beginnen und mit Abstreifung aller vorgefaßten
Meinungen einen ganz neuen Grund legen, um
auf diesem dann auch eine ganz neue Wissenschaft
aufzubauen. Seinen Plan suchte Bacon zu ver-
wirklichen in einem großen Werk, dem er den
Titel Instauratio magna gab. Dasselbe zerfällt
in drei Teile; der erste Teil führt die Überschrift:
De dignitate et augmentis scientiarum (Lond.
1623 u. ö., englisch schon 1605, deutsch von
Pfingsten, Pest 1783), in welchem ein neuer
Organisationsplan der gesamten Wissenschaften
entworfen wird; der zweite ist das Novum Orga-
num scientiarum (Lond. 1620 u. ö., Leipzig
1837 u. 1839, deutsch von Brück, 1830, und
von v. Kirchmann, 1870), in welchem die Grund-
züge einer neuen Methode, welche Bacon zum
Zweck der Restauration der Wissenschaften für
notwendig hält, gezeichnet werden; der dritte Teil
endlich sollte die Darstellung der Wissenschaften
selbst sowie deren Anwendung auf Erfindungen
enthalten. Hierzu hat jedoch Bacon nur einzelne
Beiträge geliefert. Es können hier eingereiht
werden die nach seinem Tod erschienene Sylva
Sylwvarum sive bistoria naturalis (Lond. 1627),
und die Essays moral, economical and poli-
tical (Lond. 1597 u. ö., zuletzt hrsg. von Wha-
tely, Lond. 1864, von Storr u. Gibson, ebd.
1885, lat. Titel: Sermones fideles; deutsch in:
„Kleinere Schriften Bacons“, hrsg. von Fürsten-
hagen, 1884). Eine Gesamtausgabe der Schriften
Bacons veranstaltete zuerst sein Sekretär Rawley
(6 Bde, Amsterd. 1663, Frankf. a. M. 1665).
Die beste neueste Ausgabe stammt von Spedding,
Ellis u. Heath (14 Bde, Lond. 1857/74; VIII
bis XIV: Leben u. Briefe).
Die „neue Methode“, welche Bacon konstruiert,
ist die exklusiv in duktive. Er hat dabei zu-
nächst die Naturphilosophie, die er als das Zentrum
Bacon von Verulam. 536
aller Philosophie betrachtet, im Auge, überträgt
dann aber diese exklusiv induktive Methode auch
auf alle übrigen Verzweigungen der Wissenschaft.
Bisher, sagt er, hat man zwei Mittel zur Er-
kenntnis der Wahrheit festgehalten, die Induktion
und die Demonstration. Das ist falsch. Die
Demonstration ist kein Weg zur Erkenntnis
der Wahrheit. Man verfährt bei der Demon-
stration wie die Spinnen, welche ihr Gewebe aus
sich selbst herausspinnen. Nur die Induktion führt
zum Ziel. Man muß zuerst durch Beobachtungen
und Versuche Tatsachen konstatieren und sammeln
und dann diese übersichtlich ordnen. Dann muß
an diese Tatsachen die Induktion herantreten, und
zwar so, daß man den allgemeinen Begriff sucht,
worunter sie fallen. Von den also gewonnenen
Begriffen muß man durch weitere Induktion zu
den nächsthöheren Begriffen emporsteigen, bis
man endlich durch fortgesetzte Induktion bei den
höchsten Begriffen anlangt. Kein Mittelglied
darf übersprungen werden. Nicht Flügel, sondern
Blei muß man dem Verstand anhängen. Auf
solche und nur auf solche Weise gelangt man zur
wahren Erkenntnis. Wir gleichen da der Biene,
welche sammelt und verarbeitet.
Wenn wir von diesen allgemeinen Grundsätzen
auf das spezielle Gebiet der Rechts= und
Staatslehre, das hier zunächst in Frage kom-
men muß, übergehen, so befinden wir uns freilich
in einiger Verlegenheit. Denn ex professo hat
Bacon dieses Gebiet der Wissenschaft nicht be-
handelt. Nur im achten Buch seines Werkes De
dignitate et augmentis scientiarum, wo er
von der Einteilung der Doctrina civilis handelt,
finden wir im dritten Teil einige magere An-
deutungen de republica, und auch hier behan-
delt er nur zwei Punkte, nämlich die Doctrina
de proferendis finibus imperü mund die Doc-
trina de iustitia universali sive de fontibus
iuris. Uber alles übrige, was weiter hier ein-
schlägt, habe er sich, wie er sagt, Stillschweigen
auferlegt, obgleich er allerdings sich darüber ver-
breiten könnte im Hinblick auf die Erfahrungen,
die er zeit seines Lebens bei seiner Teilnahme am
öffentlichen Leben gemacht habe. Warum er sich
Stillschweigen auferlegt, sagt er nicht. Auch in
den Essays moral, economical and political
(Sermones fideles) ist nichts weiteres über dieses
Thema zu finden; Bacon wiederholt nur, was er
in dem obengenannten Werk bereits über Recht
und Gerechtigkeit abgehandelt.
Unter solchen Umständen werden auch wir uns
hier auf bloße Andeutungen beschränken müssen.
Die Ratschläge, welche Bacon seinem König
(die Instauratio magna ist dem König gewid-
met) gibt, lauten sehr kriegerisch. Die gesamte
Volkserziehung soll eine solche sein, durch welche
das Volk zum Krieg tüchtig gemacht wird. Dar-
um soll vorgesorgt werden, daß der Adel nicht
zu sehr sich vermehre; denn die Folge des Über-
wucherns des Adels ist die, daß das gemeine Volk