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zu leiten vermag. Die Geseze von Kastilien, Ara-
gonien, Navarra, Valencia, Katalonien, die Samm-
lung der Fueros, der Privilegien und Freiheiten
legen die Bedeutung der Demokratie, d. h. des
freiheitlichen, fortschreitenden Volkselementes so
nahe, daß die Erbmonarchie in der Anerkennung
und Wiederbelebung der in den nationalen Sitten
noch tief wurzelnden Freiheiten und Traditionen
den stärksten Damm gegen die revolutionäre Demo-
kratie aufrichten würde. Eine mit den verschiedenen
Graden aristokratischer und demokratischer Insti-
tutionen, mit Ständigkeit und Fortschritt gemischte
Monarchie als die geeignetste Bürgschaft aller
sozialen Güter, kurz eine Regierungsform, deren
Typus die katholische Kirche in ihrer Hierarchie
zeigt, war Balmes' Ideal, durchweg im Anschluß
an die Prinzipien des hl. Augustinus. Der Ver-
wirklichung dieses Ideals galt der Kampf seines
Lebens, und wiederholt hat er erklärt, für den
Karlismus nur darum eingetreten zu sein, weil
letzterer dieses für das Land zuträglichste System
verfolgt habe. Von der Anschauung ausgehend,
der eminent katholische und monarchische Geist des
spanischen Volkes sei noch stark genug, bei Zurück-
drängung der revolutionären Einwirkungen ein
der monarchischen Vergangenheit des Landes wür-
diges, selbstbewußtes, echt nationales Leben wieder
zu begründen, war Balmes der systematische Be-
kämpfer jeder französischen oder englischen Allianz,
die nur störend auf die Rekonstitution des Landes
einwirken könne. „Wir glauben nicht“, sagte er,
„daß unser Wohl von irgend einem Bündnis oder
gar einer elenden Nachäfferei abhängt. In der
Nation liegt ein Prinzip des Lebens, der Kraft,
der Energie, durch dessen Benutzung Spanien
wieder den Rang erhalten kann, der ihm zukommt.
Bis auf günstigere Verhältnisse laßt uns in den
Geistern den Drang nach einer besseren Zeit hegen
und pflegen. Hüten wir uns, den Aufschwung
nationaler Gedanken zu hemmen durch Annahme
des Protektorats einer fremden Nation.“ Daß
Balmes einer von diesen Gesichtspunkten ge-
tragenen Reformpolitik sowie der Zentralisation
im Sinn einer kräftigen und einheitlichen Ver-
waltung zustimmte, ergibt sich aus seiner sozialen
Auffassung der modernen Revolution; es galt
ihm, auf diesem Weg der Schwäche der Regierung
und der Anhänglichkeit des Volkes an die Einheit
der Macht als den Ausgangspunkten der Reform
entgegenzukommen.
Über seine auswärtige Politik, die er vor-
zugsweise in der Schrift über Pius IX. entwickelt
und der Donoso Cortes (s. d. Art.) ein europä-
isches Echo verschaffte, sei nur bemerkt, daß in dem
Kampf um die Welthegemonie, in den die inner-
staatlichen Umwälzungen (1848) die nordischen
Mächte verwickeln würden, nach Balmes' Ansicht
Rußland der Sieger sein, aber wegen der gänz-
lichen Abhängigkeit der es beherrschenden Ideen
von Frankreich und Deutschland damit seinen
Banken und Kreditinstitute.
Verfall und Untergang herbeiführen werde. Die
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abendländische Zivilisation sei durch das doppelte
Prinzip des Protestantismus, das Privaturteil
in Glaubenssachen und die religiöse Suprematie
der Staatsgewalt, unheilvoll entkräftet. Die Auf-
gabe des Papsttums sei es, hier festzustehen, sich
auf keine fremde Stütze zu verlassen, seine eigenen
Kräfte vollauf zu entfalten. „Sein Geschick könnte
sich nicht ohne Gefahr an das Los irgend welcher
politischen Macht knüpfen. Es ist dringend not-
wendig, daß es sich soviel als möglich durch seine
Haltung vor allen Wechselfällen, die Europa be-
drohen, sicherstelle. Seine Klugheit muß das aus-
wählen, was die neuere Bewegung Gutes in sich
schließt, um den Ideen eine weise Richtung zu
geben und in der Region der Tatsachen eine fried-
liche Umgestaltung herbeizuführen.“ Als den Zeit-
punkt dieser Umgestaltungen bezeichnete Balmes
den zeitweiligen Umsturz der weltlichen Sou-
veränität des Papsttums, deren Wiederherstellung
als eine Forderung politisch-sozialer Notwendig-
keit sich aus den innereuropäischen Verwicklungen
ergeben werde. Wenn wir schließlich noch darauf
hinweisen, daß Balmes eine große französisch-
russisch-amerikanische Allianz als den entscheiden-
den Faktor in dieser Weltlage angekündigt hat, so
glauben wir seine Politik hinreichend charakterisiert
zu haben. — Nach Balmes' Tod erschienen noch
Escritos pöstumos (Barcelona 1850), Poesias
pôstumas (ebd.) und eine größere Auswahl poli-
tischer Schriften (Escritos politicos) in einem
Band (ebd.).
Außer der oben angeführten Literatur sei
noch hingewiesen auf die von Balmes' Freund Al-
beric de Blanche-Raffin verfaßte einzige größere
Biographie: J. Balmes, sa vie et ses ouvrages
(Par. 1849; deutsch von F. X. Karker, 1852). Eine
zweite Auflage dieser Schrift, worin über manche
wenig genügend aufgeklärte Punkte persönlicher,
politischer u. wissenschaftlicher Art weitergehende
Mitteilungen hätten erfolgen sollen, kam wegen des
zu frühen Todes des Verfassers (gest. 1852 als
Redakteur des Univers) nicht zustande. Immerhin
machte A. de Blanche-Raffin (Kap. 33) auf eine
ganze Reihe handschriftlicher Arbeiten des genialen
Publizisten aufmerksam, die ebensowenig wie das
reiche Briefmaterial zur Veröffentlichung gelangt
sind. Eine kritische Gesamtausgabe der B.schen
Schriften liegt bis heute nicht vor. Eine Über-
setzung seiner „Vermischten Schriften“ (3 de,
1855/56) besorgte J. Borscht. Zur tieferen Beleuch-
tung der Lehren von B. u. der Vertretung seiner
Politik durch Donoso Cortes veröffentlichte T. J.
Buß (im Anschluß an A. de Blanche-Raffin II 10)
die Schrift: „Zur kath. Politik der Gegenwart"
(1850). Weinand.]
Banken und Kreditinstitute. Eine alt-
hergebrachte Einteilung unterschied die für den
Besitzer des unbeweglichen Eigentums bestimmten
Geldinstitute von denen, welche dem beweglichen
Vermögen, und von denen, die der Arbeit und dem
Handwerk dienen. Die dem liegenden Vermögen
gewidmeten Institute nannte jene alte Einteilung
Kreditgesellschaften oder Kreditvereine schlechtweg,