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rung persönlicher Schulden in hypothekarische be-
deutet, wenn frühere Handscheine in Hypotheken
umgewandelt werden. Verschiedene Umstände
tragen nämlich dazu bei, daß die ältere Art und
Weise der direkten und nahen Bargeldhilfe durch
reiche Nachbarn, Verwandte, einen bekannten
städtischen Kaufmann, Stiftungsfonds u. dyl.
abnimmt und die indirekte Beleihung durch un-
nachsichtige Kreditinstitute zunimmt: bald ist es
die Unpünktlichkeit der Schuldner, die Furcht vor
Verwicklung in Prozesse, bald das Erkalten des
Familiensinns und nachbarlichen Zusammenhalts,
bald der Wunsch des Gläubigers nach einem
jederzeit an der Börse realisierbaren Papier. An-
derseits darf ein Gleichbleiben der Hypothekar-
verschuldung für sich allein noch nicht als ein
günstiges Zeichen angesehen werden, da es ja noch
auf den Personalkredit ankommt. — Bedenklich
ist jene Zunahme der Verschuldung, welche nicht
durch Meliorationen entsteht, sondern aus Kauf-
schillingsresten und Erbgleichstellungsgeldern. Er-
stere entstehen durch zu niedere Anzahlung beim
Gutskauf, also durch Gutskauf zu hohen Preisen
mit unzulänglichen Mitteln, letztere durch Ein-
tragung der Erbportionen der Miterben auf das
dem Haupterben zugefallene Gut. Dadurch wird
nämlich der Landwirtschaft, insbesondere wenn
Verkäufer und weichende Erben sich der Stadt zu-
wenden, Betriebskapital entzogen, nicht aber ihr
solches zugeführt: es entsteht eine viel zu große
Belastung des Bodens mit Erbportionen an Nicht-
landwirte. Daß namentlich die Kaufschillings-
reste und Erbabfindungsgelder eine große Quote
der Verschuldung ausmachen, beweist der Um-
stand, daß jene Bauerngüter am wenigsten ver-
schuldet zu sein pflegen, welche seit Generationen
zu einer mäßigen, den Ertragswert nicht über-
steigenden Taxe von Vater auf Sohn vererbt
worden sind. — Gerade die letztere Art der Ver-
schuldung nun hat sowohl die freihändlerische
Agrargesetzgebung durch ihre Gestattung unbe-
schränkter Verschuldbarkeit als auch die dermalige
Form der Erbteilung sehr begünstigt; beide tragen
dadurch Mitschuld an der Vergrößerung des kapi-
talistischen Anteils am landwirtschaftlichen Er-
trag, so daß dem Grundbesitzer selbst ein abneh-
mender Teil des landwirtschaftlichen Ertrags übrig-
bleibt. Zu Annuitäten und Hypotheken kommen
noch Gebühren, so daß die Erleichterung im Ver-
gleich zur ehemaligen Notwendigkeit, vom Er-
trag der Feldfrüchte einen Teil dem Zehntherrn,
dem Staat, der Kirche abzugeben, eine geringe
ist. Der Bauer ist eben zur Aufbringung der
Zinsen so gut wie früher einen Teil seiner Arbeit
zu opfern genötigt. „Was ist gewonnen“, sagt
Stahl in seiner Rechtsphilosophie II 331, „wenn
der Landmann einen Teil seiner Arbeit, anstatt
dem Gutsherrn als Abgabe, dem Gläubiger als
Zins geben muß? Verloren aber ist viel, denn
der Gläubiger ist nicht wie der Grundherr zu Re-
missionen rechtlich verpflichtet, nicht durch natür-
Bauernstand. 624
liche Interessen mit den Grundholden verknüpft.
Sein Vorteil ist nicht, wie der des Gutsherrn,
die Erhaltung des Grundholden bei Wohlstand,
sondern dessen Bedrückung und zuletzt dadurch
eigener Erwerb des Gutes.“ Ja oft würde der
Gläubiger, der faktische Herr, im Fall eigentüm-
lichen Besitzes kaum einen so verläßlichen und ein-
träglichen Pächter zu finden imstande sein, als
es der nominelle Eigentümer infolge seiner An-
hänglichkeit an das überschuldete Erbgut ist.
Zur Umgestaltung der Schuldverhältnisse des
Bauernstands und Vorbeugung neuer Verschul-
dung ist vor allem das Prinzip für den Grund-
besitz einzuführen, daß an Stelle der Hypotheken=
schuld im landläufigen Sinn die Renten-
schuld treten muß. Es ist das unsterbliche Ver-
dienst von Rodbertus, festgestellt zu haben, daß
seiner Natur nach der Grundbesitz nur Renten
und nicht Kapital erzeugen kann, die Rentenver-
schuldung also die allein naturgemäße Form der
Reallast ist. Dieses Rentenprinzip muß aber
fünf Momente umfassen, nämlich 1) daß nur der
Reinertrag von Grund und Boden verschuldet
werden kann, also 2) der Zinsfuß nicht über die
Höhe des Reinertrags hinausgehen darf, 3) der
Arbeitslohn für den Grundbesitzer, als in dem
Reinertrag enthalten, freibleibt, 4) die Schuld
unkündbar ist und 5) die letztere so bemessen wird,
daß sie durch den Reinertrag nicht nur verzinst,
sondern auch amortisiert werden kann. Es entsteht
aber die Frage, ob die Rentenschuld als Rente
oder als amortisierbare, unkündbare,
im Verhältnis zur Rente richtig bemessene Kapi-
talschuld einzutragen ist und es im ersteren Fall
dann dem Kapitalmarkt überlassen bleiben soll,
den Kapitalwert der Rente zu finden. Am emp-
fehlenswertesten scheint zu sein, die Schuld als
unkündbare, amortisierbare Kapitalschuld einzu-
tragen mit unveränderlichem Zinsfuß, also in
Form einer Pfandbrief= oder Rentenbriefschuld.
Damit erreicht man die volle Wirkung des
Rentenprinzips und hat außerdem verschiedene
Vorteile. „Wenn wir die Schuld in Form
des Renten- oder Pfandbriefs eintragen lassen,
so ist der Schuldner gesichert; es kann ihm nie
gekündigt oder der Zinsfuß erhöht werden; der
Gläubiger weiß genau, wieviel er bekommt;
Kursschwankungen treten nicht in dem Grad ein,
wie wenn die Rente als solche eingetragen wäre,
und man erspart die Mühe und die Kosten der
Umschreibung bereits bestehender Eintragungen.
Zudem ist für die Geschwister des Anerben die
Form des Pfandbriefs viel schmackhafter als die
Form der Rente; außerdem würde ein sehr großer
Teil der Abzufindenden sofort in der Lage sein,
die Rente in Kapital umzusetzen. Es hat z. B.
eine Tochter einen Kaufmann geheiratet, ein Sohn
will auf einen andern Hof eine Anzahlung machen,
da muß der Kapitalwert vorhanden sein. Auch
hat die Form der Pfandbriefschuld noch den Vor-
teil, daß es hier gestattet und möglich ist, zu jeder