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Zeit beliebige Kapitalbeträge abzutragen, was bei
der Form der Renteneintragung kaum erreicht
werden kann“ (v. Laeèr).
Wir müssen den Real= und Personalkredit
bei dem Bauern unterscheiden. Wo Besitz= und
Meliorationskredit in Frage kommt, da ist die
Rentenschuld am Platze; wo es sich um Er-
gänzung des Betriebskapitals handelt, welches in
kurzer Zeit wieder in die Hand des Besitzers zu-
rückkommt, ist Kapitalverschuldung die gegebene
Form. Zur Befriedigung des Realkredits sind
die Landschaften (s. Art. Banken und Kreditinsti-
tute) mustergültige Anstalten zur Befriedigung des
landwirtschaftlichen Hypothekenkredits. In Ver-
bindung mit dem Realkreditinstitut muß aber die
Lebensversicherung zur Entschuldung des Grund-
besitzes herangezogen werden. Rentenschuld in
Verbindung mit abgekürzter Lebensversicherung
des Besitzers stellen den besten und billigsten Weg
zur Tilgung der Realverschuldung dar. Für den
Personalkredit sind die ländlichen Kreditkassen
(s. Art. Darlehnskassen) das bewährteste Mittel.
Noch eine ganze Reihe von Reformvorschlägen
sind gemacht worden. Soll eine Übereinstimmung
zwischen der Verschuldung des Grundbesitzes und
dem Ertragswert desselben dauernd hergestellt
werden, so genügt nicht allein die Einführung
einer der Eigenart des Grund und Bodens ent-
sprechenden Verschuldungs form, sondern es be-
darf auch materieller Rechtsvorschriften, welche die
Ansprüche der Gläubiger auf das wirkliche Er-
tragsergebnis des Bodens beschränken, also der
Festlegung einer Verschuldungsgrenze,
welche sich ebenfalls aus sozialen Gesichtspunkten
rechtfertigen läßt. Das preußische Gesetz vom
20. Aug. 1906 läßt die grundbuchmäßige Ein-
tragung einer unüberschreitbaren, unlöschbaren,
aber nur fakultativen Verschuldungsgrenze zu.
Allen diesen Einrichtungen liegt aber die Auf-
fassung zugrunde, daß sie sich fruchtbringend nur
werden durchführen lassen, wenn für eine Or-
ganisation der bäuerlichen Elemente gesorgt
wird. Seit Auflösung der alten Agrarverfassung
war die Tätigkeit der an ihre Stelle getretenen
Organisationen, der sog. landwirtschaftlichen Ver-
eine, entsprechend dem Zug der atomisierenden
Volkswirtschaft, vorwiegend auf das technische,
weniger auf das sozialwirtschaftliche Gebiet ge-
richtet. Allgemein ist heute die Ansicht verbreitet,
daß irgend eine Form berufsständiger Organi-
sation für den Bauernstand nötig ist. Die Grund-
lage dafür können die Bauernvereine, die Ge-
nossenschaftsverbände und die Landwirtschafts-
kammern abgeben. Nötig ist ferner, daß zunächst
normale Verschuldungsverhältnisse hergestellt wer-
den, indem man an eine planmäßige Entschul-
dung herantritt, wie dies zur Zeit (1908) durch
die Entschuldungsvorlage der ostpreußischen Land-
schaft der Verwirklichung nähergerückt werden soll.
Während sich die bisherigen Ausführungen in
der Richtung auf Erhaltung des Bauernstands
Bauernstand.
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bewegten, ist noch der Bestrebungen für Schaf-
fung eines solchen zu gedenken. Gerade mit
Rücksicht hierauf haben nämlich Praktiker wie
Theoretiker das seinerzeit ergangene Verbot der
Neubegründung von Erbpachtsverhältnissen,
wonach kein Rentenvertrag länger als 30 Jahre
unablösbar sein durfte, als zu weitgehend beurteilt
und sich für versuchsweise Wiedereinführung der
Erbpacht ausgesprochen, alseines Mittels, um einen
Stand mittelgroßer (bäuerlicher) landwirtschaft-
licher Unternehmer oder grundbesitzender länd-
licher Arbeiter ins Leben zu rufen. Die Erbpächter
bildeten ein stabiles und in ihrer wirtschaftlichen
Lage gesichertes Element; strebsamen und spar-
samen Personen war es verhältnismäßig leicht, in
den Stand der Erbpächter zu gelangen, da sie für den
Ankauf der Gutssubstanz keine Aufwendungen zu
machen, sondern höchstens das notwendige In-
ventar anzuschaffen und außerdem für die erforder-
lichen umlaufenden Betriebsmittel zu sorgen hatten.
Auch zur Sicherung tüchtiger Landtaglöhner als
Stamm eines angesessenen und gesitteten Arbeiter-
stands in der Nähe großer Gutswirtschaften gibt
es kaum ein besseres Mittel als die Verleihung
von Erbpachtgütern an bewährte Feldarbeiter,
denen die Aufbringung eines Erbbestandgeldes
leichter fällt als die eines Kaufschillings. Der
Zeitpächter verbürgt nicht das Interesse für Gut
und Melioration, der Erbpächter dagegen hat die
Sicherheit des Besitzes und Wertzuwachses des-
selben. Die Kanonisten nannten die Emphyteuse
geradezu contractus meliorationis. Ein anderes
Mittel zur Erlangung von Bauernbesitzungen ist
in der preußischen Renten gutsgesetzgebung
geschaffen, welche den Gedanken verfolgt, die Be-
sitzungen statt mit Hypotheken, mit unkündbaren
Renten zu belasten und den Erwerb von Grund-
eigentum dadurch zu erleichtern, daß statt Kauf
gegen Kapital mehr Kauf gegen Rente in An-
wendung kommt. Vgl. den Art. Rentengüter.
Literatur. Langethal, Gesch. der deutschen
Landwirtschaft (4 Bde, 1847/56; Fortsetzung in
Raumers „Histor. Taschenbuch", 1863); Rodbertus,
Zur Erklärung u. Abhilfe der heutigen Kreditnot
des Grundbesitzes (2 Bde, 1893); Laveleye-Bücher,
Ureigentum (1879); Brunner, Deutsche Rechtsge-
schichte I (21906) u. II (1892); Hanssen, Agrarhist.
Abhandlungen (1880/84); Miaskowski, Das Erb-
recht u. die Grundeigentumsverteilung im Deutschen
Reich (2 Bde, 1882/84); Bäuerliche Zustände in
Deutschland, Frankreich, England, Italien, in den
Schriften des Ver. f. Sozialpolitik Bd 20/29 58
61 73/75; Schäffle, Inkorporation des Hypothekar-
kredits (1883); ders., Deutsche Kern= u. Zeitfragen
(1894 f); Inama-Sternegg, Deutsche Wirtschafts-
gesch. (3 Bde, 1879/1901); Fuchs, Die Epochen
der deutschen Agrargesch. u. Agrarpolitik (1898);
Schmoller, Der Kampf des preuß. Königtums um
die Erhaltung des B.s (im Jahrbuch für Gesetz-
gebung 1888); Stadelmann, Preußens Könige in
ihrer Tätigkeit für die Landeskultur (3 Tle, 1878
bis 1885); Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben im
Mittelalter (3 Tle, 1886); derf., Deutsche Ge-