647
gierung Geltung erlangen. — Von der Befugnis
des Einführungsgesetzes zur deutschen Gerichts= F
verfassung, wonach in den größeren Bundesstaaten
mit mehreren Oberlandesgerichten ein oberstes
Landesgericht eingesetzt werden kann, hat Bayern
allein Gebrauch gemacht und ein partikuläres
Oberstes Landesgericht in München er-
richtet. Diesem ist zugewiesen die Verhandlung
und Entscheidung der sonst zur Zuständigkeit des
Reichsgerichts gehörenden Revisionen und Be-
schwerden gegen zweitinstanzliche Urteile der Ober-
landesgerichte in Zivilsachen, mit Ausnahme der
Handelssachen, in denen auch für Bayern das
Reichsgericht die dritte Instanz bildet. — Ebenso
wie Württemberg und Baden, regelt auch Bayern
die Besteuerung des inländischen Bieres selbständig
durch Landesgesetzgebung und erhält den Betrag
dieser Steuern. Das Reservatrecht der Besteue-
rung des inländischen Branntweins wurde durch
Kammerbeschluß vom 22. (26.) Sept. 1887 auf-
gehoben. — Im Bundesrat hat Bayern ständigen
Sitz in dem Ausschuß für Landheer und Festungen,
es führt den Vorsitz in dem Ausschuß für aus-
wärtige Angelegenheiten und hat Anspruch auf
die Stellvertretung im Vorsitz des Bundesrats,
allerdings ein Ehrenrecht, das schwerlich einmal
zur praktischen Ausführung kommen dürfte, nur
im Fall der Verhinderung Preußens, d. h. der
sämtlichen (17) preußischen Bundesratsbevoll-
mächtigten.
Das bayrische Heer bildet einen in sich ge-
schlossenen Bestandteil der Kriegsmacht des Reichs
mit selbständiger Verwaltung unter der Militär-
hoheit des Königs von Bayern. Im Krieg aber,
und zwar mit Beginn der Mobilisierung, tritt es
unter den Befehl des „Bundesfeldherrn“ (des.
Deutschen Kaisers). Im Frieden steht diesem nur
ein Inspektionsrecht zu, über dessen Vornahme
und Ergebnis er sich mit dem König von Bayern
erst „ins Vernehmen“ setzen muß. In Bezug auf
Dienstzeit, Organisation, Formation usw. gelten
im wesentlichen die für Preußen bestehenden Vor-
schriften. Die Militärgesetzgebung des Reichs,
nicht die früheren preußischen Militärgesetze, gilt
dagegen auch für Bayern. Beim Reichsmilitär-
gericht in Berlin besteht für das bayrische Heer
ein besonderer „bayrischer Senat“, dessen Mit-
glieder vom König von Bayern ernannt werden
(Reichsgesetz vom 9. März 1898). Die allgemeine
Wehrpflicht datiert vom 30. Jan. 1868.— Das
bayrische Heer gehört zur 4. deutschen Armee-
inspektion und ist in 3 Armeekorps (München,
Würzburg und Nürnberg) eingeteilt, von denen
jedes zwei Divisionen hat. Landesfestungen sind
nur noch Ingolstadt und Germersheim; Neu-Ulm
gehört zum Rayon der Reichsfestung Ulm.
Die oberste vollziehende Behörde ist das Ge-
samtministerium, welches sich in 7 Staats-
ministerien gliedert, nämlich die Ministerien des
königlichen Hauses und des Außern, der Justiz,
des Innern, für Kirchen= und Schulangelegen-
Bayern.
648
heiten (auch für Wissenschaft und Kunst), der
inanzen, für Verkehrsangelegenheiten (Eisen-
bahnen, Post und Telegraphie) und endlich das
Kriegsministerium. Das Staatsministerium des
königlichen Hauses und des Außern hat unter
sich die bayrischen Gesandtschaften in Berlin,
Dresden, Stuttgart (auch für Baden und Hessen),
Wien, Paris (auch für Belgien), Rom, im Vati-
kan und in St Petersburg, die Generalkonsulate in
Bremen, Hamburg, Dresden, Frankfurt a. M.,
die Konsulate in Karlsruhe, Stuttgart, Leipzig
und Lübeck sowie die Bergbehörden. Unter dem
Obersten Landesgericht (Müncheny stehen
5 Oberlandesgerichte (Augsburg, Bamberg,
München, Nürnberg, Zweibrücken), zu welchen
28 Landgerichte mit 269 Amtsgerichten gehören.
Der Disziplinarhof (Gesetz vom 26. März 1891)
und der Gerichtshof für Kompetenzkonflikte (Ge-
setz vom 18. März 1879) werden von Mitgliedern
des Obersten Landesgerichts, letztere zugleich von
Räten des Verwaltungsgerichtshofs besetzt. Dem
Finan zministerium sind unterstellt die Zentral-
staatskasse und der Oberste Rechnungshof, dem
Ministerium des Innern (seit 1. April 1908) eine
Abteilung für Ausnützung der Wasserkräfte. Eine
Reorganisation des Obersten Rechnungshofs und
eine Trennung vom Finanzministerinm ist (1908)
in Aussicht gestellt.
Das Land wird in 8 Regierungsbezirke (früher
Kreise) geteilt: Oberbayern, Niederbayern, Pfalz,
Oberpfalz und Regensburg, Oberfranken, Mittel-
franken, Unterfranken und Aschaffenburg, Schwa-
ben und Neuburg. Als oberste Verwaltungsbehörde
befindet sich in jedem Regierungsbezirk eine Kreis-
regierung, die in zwei Kammern, für das Innere
und für die Finanzen, zerfällt. Den Kammern
des Innern sind die Magistrate in den 41 un-
mittelbaren Städten, die königliche Polizeidirektion
in München und die Bezirksämter in den 151 Ver-
waltungsdistrikten, alle Anstalten für Gesundheit,
Unterricht, Wohltätigkeit und Sicherheit unter-
geordnet. Unter den Bezirksämtern üben die
Vorstände der kleineren Stadt= und Landgemein-
den die Ortspolizei aus.
An der Spitze der Kreisregierung steht je ein
Regierungspräsident; unter ihnen fun-
gieren in den Bezirksämtern die Bezirksamt-
männer, denen regelmäßig ein Bezirksamtsassessor
zugeteilt ist. Auch ein Bezirksarzt ist in jedem
Bezirk angestellt. — Außer der allgemeinen Volks-
vertretung besteht noch in jedem der 8 Regierungs-
bezirke ein Landrat als Vertretung der Kreis-
gemeinde, und in jedem der 151 Verwaltungs-
distrikte ein Distriktsrat als Vertretung der
Distriktsgemeinde (Gesetze vom 28. Mai 1852).
Letzterer wird aus den Großgrundbesitzern und den
auf 3 Jahre gewählten Vertretern der andern
großen Grundbesitzer und der Gemeinden gebildet.
Dazu kommt ein Vertreter des Staatsärars, wenn
dieses bei den Umlagen beteiligt ist. Der Landrat
ist aus den auf 6 Jahre gewählten Abgeordneten