Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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wesentlich mehr als der oben mit 1929,17 Mill. M 
bezifferte Gesamtbetrag der Staatsschuld. 
5. Religion und Unterricht. Durch 
das am 5. Juni (ratifiziert am 21. Okt.) 1817 
mit dem päpstlichen Stuhl abgeschlossene Kon- 
kordat — die erste derartige Übereinkunft in 
Deutschland — und die am 1. April 1818 von 
Pius VII. erlassene, aber erst 1821 publizierte 
Zirkumskriptionsbulle Dei ac Domini nostri 
wurden die Verhältnisse der katholischen 
Kirche in Bayern geordnet. Da aber die im 
Konkordat ausgesprochene Freiheit mit einzelnen 
Bestimmungen des zugleich mit der Verfassungs- 
urkunde am 26. Mai 1818 veröffentlichten Re- 
ligionsedikts (Beil. II zur Verfassungsurkunde) 
im Widerspruch stand, verweigerten viele Geist- 
liche den Konstitutionseid, und der Papfst legte 
Protest ein. Trotz der Erklärung von Tegernsee 
(15. Sept. 1821), daß das Konkordat in allen 
seinen Teilen in volle Ausführung gebracht und 
der Verfassungseid sich nur auf die bürgerlichen 
Verhältnisse beziehen solle, blieben jene Wider- 
sprüche ungelöst. Unter Ludwig I. wurden zwar 
mehrere unkirchliche Bestimmungen aufgehoben, 
auch die Korrespondenz der Bischöfe 1841 frei- 
gegeben, aber die guten Beziehungen trübten sich 
schon unter dem Nachfolger wieder durch neue 
Konflikte. Im Jahr 1850 verlangte der zu Frei- 
sing versammelte Episkopat von Maximilian II. 
die Aufhebung der einseitigen, konkordatswidrigen 
Bestimmungen, welche nicht ohne schlimme Folgen 
für die katholische Kirche in Bayern geblieben 
waren. Da unter dem 8. April 1852 nur unbe- 
deutende Zugeständnisse erfolgten, reichten die 
Bischöfe 1853 eine neue Vorstellung ein, erhielten 
aber nur geringe Erleichterungen (19. Nov. 1854); 
die wichtigsten Forderungen, besonders hinsichtlich 
der theologischen Studienanstalten, blieben un- 
erfüllt, und die Kirche wartete während der Re- 
gierung Maximilians II. vergebens auf Aner- 
kennung ihrer Rechte und ihrer Selbständigkeit. 
Nachdem unter Ludwig II. am 20. Dez. 1869 d 
Lutz Kultusminister geworden war, wurden durch 
Ministerialverfügung vom 20. Nov. 1873 selbst 
die geringen Zugeständnisse von 1852 und 1854 
wieder zurückgenommen, und eine völlig kultur- 
kämpferische Verwaltungspraxis griff Platz: Ein- 
mischung in die innersten Angelegenheiten der 
Kirche, selbst in Glaubenssachen, Begünstigung 
der Altkatholiken, versuchte Einführung des Pla- 
zets usw. Noch heute besteht in Bayern der Bruch 
des Konkordats, und die Enzyklika des Heiligen 
Vaters vom 22. Dez. 1887 Sanctissimo officio 
ist nur eine Fortsetzung des Protestes, der bereits 
1818 von Rom aus gegen die Verletzung des 
Konkordats erhoben wurde (vogl. Das Königreich 
Bayern, sein Konkordat vom 5. Juni bzw. 24. 
Okt. 1817 und seine Konstitution vom 26. Mai 
1818. 1888). 
Es bestehen in Bayern zwei Erzbistümer: 
1) München-Freising (Sitz in München) mit 39 
Bayern. 
  
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Dekanaten und 411 Pfarreien; Suffraganbis- 
tümer sind: Augsburg mit 40 Dekanaten und 
900 Pfarreien, Passau mit 20 Dekanaten und 
216 Pfarreien, Regensburg mit 32 Dekanaten 
und 471 Pfarreien. 2) Bamberg mit 21 Deka- 
naten und 194 Pfarreien; Suffraganbistümer 
sind: Eichstätt mit 18 Dekanaten und 203 Pfar- 
reien, Würzburg mit 36 Dekanaten und 443 
Pfarreien, Speyer mit 12 Dekanaten und 232 
Pfarreien. Nach dem 7. Artikel des Konkor- 
dats sollten auch die von 1802 an aufgelösten 
Klöster teilweise wiederhergestellt werden. Von 
den männlichen Orden haben die Benediktiner, 
Franziskaner und Kapuziner, Redemptoristen, 
Augustiner, Karmeliten, Barmherzigen Brüder 
und Minoriten Niederlassungen. Zufolge des 
Reichsgesetzes vom 4. Juli 1872 wurden die Red- 
emptoristen auch aus Bayern ausgewiesen. Fach- 
und Speziallehranstalten für Theologie und 
Philosophie sind ein bischöfliches und 5 könig- 
liche Lyzeen, ein theologisches Konvikt (Georgi- 
anum in München), 8 Klerikalseminare, mehrere 
Knaben= und katholische Studienseminare, unter 
diesen das adlige Julianeum in Würzburg. 
Die evangelische Kirchenverfassung be- 
ruht auf dem Synodalsystem. Es bestehen zwei 
Generalsynoden, die eine für die Pfalz, die 
andere für die rechtsrheinischen Kreise; denn die 
zwei Synoden der beiden rechtsrheinischen Konsi- 
storialbezirke können in eine gemeinsame vereinigt 
werden. Mitglieder sind vom Landesherrn ernannte 
geistliche und weltliche Personen und die in den 
Diözesansynoden gewählten Vertreter des geistlichen 
und des weltlichen Standes. Die Mitglieder der 
Synode in der Pfalz sollen sämtlich aus der Wahl 
der Diözesansynoden hervorgehen. Die Dauer der 
Synodalperiode ist eine vierjährige (Edikt vom 
26. Mai 1818, Gesetz vom 4. Juni 1848, und 
für die Pfalz auch der königliche Beschluß vom 
17. Juni 1876). Weitere Kirchenvertretungen sind 
die Diözesansynoden, die Gemeindekirchenräte und 
ie Gemeindekirchenversammlungen. Die Refor- 
mierten bilden sieben kleinere Gemeinden. — Mit 
der Leitung der Kirchenverwaltung als oberste geist- 
liche Behörde ist für die rechtsrheinischen 
Landesteile das protestantische Oberkonsistorium 
zu München betraut, welches aus einem Präsidenten 
protestantischer Konfession und einem weltlichen und 
vier geistlichen Oberkonsistorialräten (einer refor- 
miert) gebildet ist. Unter ihm stehen das unmittel- 
bare Dekanat München (8 Pfarreien mit 15 Pfarr- 
stellen) und zwei Konsistorien zu Ansbach (33 De- 
kanate und 472 Pfarreien mit 536 Pfarrstellen) 
und Bayreuth (30 Dekanate und 328 Pfarreien 
mit 373 Pfarrstellen). Für die Pfalz, wo seit 
1818 Union zwischen Lutheranern und Refor- 
mierten besteht, ist ein protestantisches Konsisto- 
rium zu Speyer eingesetzt, welches seit 1848 dem 
Kultusministerium unmittelbar untergeordnet ist 
(16 Dekanate mit 234 Pfarreien und 256 Pfarr- 
stellen). Ein protestantisches Predigerseminar be- 
 
	        
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