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Kirche die Hierarchie durch den Subdiakonat und
die vier ordines minores (Akolythen, Exorzisten,
Lektoren, Ostiarier) erweitert. Die Ordinations-
gewalt steht nur den Bischöfen zu, welche allein
das heilige Sakrament der Priesterweihe (und
Firmung) spenden können; dagegen stehen den-
selben in der Ausübung der Weihegewalt die
Priester gleich. Die Regierungsgewalt ist nach
göttlichem Recht in Primat und Episkopat ab-
gestuft. Die zahlreichen Zwischenglieder (Legaten,
Metropoliten, Patriarchen, Primaten usw.) sowie
die Jurisdiktionsstellen unter dem Bischofe sind
Bildungen des kirchlichen Rechts. So bilden der
Jurisdiktionsprimat des römischen Bischofs, die
Weihe= und Jurisdiktionsstellung des Episkopats
und die Weihegewalt des Presbyterats die drei
Grundpfeiler der kirchlichen Verfassung.
Der Primat des Papstes beruht auf dem
Primat des Petrus (Matth. 16, 18. Joh. 21, 15),
dessen Nachfolger und Stellvertreter der Bischof
von Rom ist. Der Primat des Petrus ist nach
dem Wortlaut der Verheißung und Übertragung
sowie nach der Stellung des Petrus in der
apostolischen Kirche, die selbst im Galaterbrief an-
erkannt ist, nicht bloß ein Ehrenprimat (primus
inter pares), sondern ein Primat der Regierungs-
gewalt. Derselbe ist aber für die ganze Kirche bis
zur Wiederkunft Christi notwendig, er mußte als
dauernde Einrichtung von Christus gewollt sein und
deshalb auf den Nachfolger des Petrus übergehen.
Da aber Petrus in Rom starb, so kann als solcher
nur der Bischof von Rom gelten. Wer anders hätte
denn der Erbe Petri sein sollen? Das Vatikanische
Konzil (sess. IV) geht von der im hohenpriester-
lichen Gebet (Joh. Kap. 17) erflehten Einheit aus,
um daraus auf die Forldauer der Hirten und Lehrer
in der Kirche mit dem Prinzip der Einheit im
Nachfolger des Petrus zu schließen, wie es schon
der hl. Cyprian ausgeführt hat. Deshalb handelt
es zuerst von der Einsetzung des Primats in Petrus
und verwirft die Behauptung, daß Petrus nicht
mit dem wahren und eigentlichen Primat der
Jurisdiktion ausgerüstet, oder daß dieser Primat
ihm nicht unmittelbar und direkt, sondern der
Kirche und von dieser ihm als dem Diener der
Kirche übertragen worden sei. Der bloße Ehren-
vorrang (Febronius) und Autoritätsprimat (Gal-
likaner) wird ausdrücklich verworfen. Sodann
bespricht das Vatikanum die Fortdauer des Pri-
mats des Petrus im römischen Papst und beruft
sich besonders auf die Stelle des hl. Irenäus:
Ad Romanam Eeclesiam propter potentiorem
principalitatem necesse fuit omnem con-
venire Ecclesiam (Adv. haer. 3, 3, 2). End-
lich wird das Wesen des Primats dahin bestimmt:
Ecclesiam Romanam super omnes alias or-
dinariae potestatis obtinere principatum, et
hanc Romani Pontificis iurisdictionis po-
testatem, qguae vere episcopalis est, immedia-
tam esse, so daß alle Hirten und Gläubigen zur
hierarchischen Unterordnung und zum wahren Ge-
Kirche.
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horsam nicht bloß in Sachen des Glaubens und
der Sitten, sondern auch in der Disziplin und
Regierung der Kirche verpflichtet sind. Zum Be-
weise beruft sich die Synode auf die römischen
Päpste und die allgemeinen Konzilien, namentlich
auf das Konzil von Florenz (1439), welches den
Primat des römischen Papstes über den ganzen
Erdkreis definiert habe. Es ist besonders an die
Dekrete des Papstes Stephanus I. und Gelasius
(494) und an die berühmte Formel des Hormisdas
(514/523), welche von den Bischöfen der orien-
talischen Kirche (519) und dem 8. allgemeinen
Konzil (869) unterzeichnet wurde, zu erinnern.
Später traten Nikolaus I., Leo IX., Gregor VII.
und die großen Päpste des Mittelalters für den
Primat ein. Die Griechen anerkannten denselben
auf dem allgemeinen Konzil von Lyon (1274),
während die bezüglichen Irrtümer von Wiclif und
Hus auf dem Konzil zu Konstanz, jene des Petrus
Oxomensis durch Sixtus IV. (1479) verworfen
wurden. Die gallikanischen und jansenistischen
Streitigkeiten haben wenigstens dazu beigetragen,
die Bedeutung des Primats und namentlich der
Unfehlbarkeit des Papstes zu klären und zum all-
gemeinen Bewußtsein zu bringen. Über das unfehl-
bare Lehramt des römischen Papstes definiert das
Vatikanum, daß wenn er ex cathedra loquitur,
i. e. eum omnium Christianorum Pastoris et
Doctoris munere fungens pro suprema sua
Apostolica auctoritate doctrinam de fide vel
moribus ab universa Eeclesia tenendam de-
finit, per assistentiam divinam ea infalli-
bilitate pollere, qua divinus Redemptor
Ecclesiam suam in definienda doctrina de
fide vel moribus instructam esse voluit;
ideoque eiusmodi Romani Pontificis defini-
tiones ex sese, non autem ex consensu Ec-
clesiae irreformabiles esse (sess. IV, c. 4).
Als Beweis wurden außer den biblischen Stellen
über den Primat Luk. 22, 32, die Formel des
Hormisdas und die Bestimmungen der Konzilien
von Lyon (1274) und Florenz (1439) angeführt.
Das Vatikanum bemerkt ausdrücklich, daf diese
Vollgewalt des Papstes der ordentlichen und un-
mittelbaren bischöflichen Gewalt keinen Ein-
trag tue, vielmehr seien die Bischöfe vom Heiligen
Geist als die rechtmäßigen Nachfolger der Apostel
eingesetzt (sess. IV. c. 3). Dies bezieht sich auf
Apg. 20, 28, wo die Presbyter von Ephesus als
Bischöfe angeredet werden und ihr Hirtenamt ge-
nannt wird, das einerseits an den guten Hirten,
den Hirten und Bischof der Seelen (1 Petr. 2, 25),
den Oberhirten (1 Petr. 5, 4), anderseits an die
Vorsteher der Gemeinden (1 Thesf. 5, 12) er-
innert. Außerdem kommt die Bezeichnung Bischof
Phil. 1, 1 und in den Pastoralbriefen vor. Eine
feste Gestaltung und Absonderung von dem Pres-
byterat erhielt der Episkopat erst im nachaposto-
lischen Zeitalter (Klemens von Rom, Ignatius),
während das Fortdauern der Charismen für
Apostel, Propheten, Lehrer sich noch in der „Lehre