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Italien, 700 aus Rußland, 150 aus Belgien).
Die Bergarbeiter rekrutierten sich lange nur aus
dem Kohlenrevier selbst und den angrenzenden Be-
zirken. Infolge des Aufschwungs der Industrie
im Lauf der 1870er Jahre kamen zahlreiche Ar-
beiter aus dem Osten ins Ruhrrevier, wo sie
höhere Löhne erhielten und bessere Lebensverhält-
nisse vorfanden. Dieser Zuzug aus den östlichen
Provinzen hat bis zum heutigen Tag angehalten.
Nur in Zeiten wirtschaftlicher Depression macht
sicheine Rückwanderung nach dem Osten bemerkbar.
2. Arbeitsverhältnisse. Für jedes Berg-
werk oder einzelne Abteilungen des Betriebs wird
eine Arbeitsordnung von dem Bergwerks-
besitzer erlassen. Dieselbe enthält Bestimmungen
über Anfang und Ende der Arbeitszeit, über die
Ausführung von Notarbeiten, bei Arbeiten unter
Tag über die Reglung der Ein= und Ausfahrt,
über die Festsetzung des Schichtlohns und den Ab-
schluß sowie die Abnahme des Gedinges, über Zeit
und Art der Abrechnung und Lohnzahlung, über
die Frist der zulässigen Aufkündigung, über die
Art und Höhe der Strafen, über die Art ihrer
Festsetzung usw. Unter Gedinge versteht man eine
gegen vereinbarten Lohn zu leistende Bergarbeit
im Gegensatz zur Stundenschicht. Das Nullen
von Förderwagen, d. h. die gänzliche Nichtan-
rechnung ungenügend oder unrein beladener För-
derwagen, ist verboten und ein besonderes Ver-
fahren vorgeschrieben zur Feststellung des bei der
Lohnberechnung zu berücksichtigenden Teils solcher
Förderwagen. Dieft Feststellung kann unter Be-
teiligung von Vertrauensmännern der Arbeiter
erfolgen. Strafbestimmungen, welche das
Ehrgefühl oder die guten Sitten verletzen, dürfen
in die Arbeitsordnung nicht aufgenommen werden.
Geldstrafen dürfen in jedem einzelnen Fall
die Hälfte, bei schweren Verstößen den vollen Be-
trag des durchschnittlichen Tagesarbeitsverdien-
stes, die im Lauf eines Kalendermonats gegen
einen Arbeiter wegen ungenügender oder vor-
schriftswidriger Beladung von Fördergefäßen ver-
hängten Geldstrafen in ihrem Gesamtbetrag 5 M
nicht übersteigen.
Alle Strafgelder werden zum Besten der Ar-
beiter des Bergwerks verwendet. Besteht ein stän-
diger Arbeiterausschuß, so werden die Strafgelder
einer Unterstützungskasse zugunsten der
Arbeiter überwiesen, an deren Verwaltung der
Arbeiterausschuß beteiligt sein muß.
Auf den Bergwerken, die in der Regel minde-
stens 100 Arbeiter beschäftigen, besteht seit 1905
(in Bayern seit 1900) ein ständiger Arbeiter-
ausschuß. Er hat Anträge, Wünsche und Be-
schwerden der Belegschaft, die sich auf die Betriebs-
und Arbeitsverhältnisse des Bergwerks beziehen,
zur Kenntnis des Bergwerksbesitzers zu bringen und
sich darüber zu äußern: er wirkt mit bei Erlaß
von Arbeitsordnungen, ist an der Verwaltung
der Werkunterstützungskassen beteiligt, wählt die
Vertrauensmänner der Arbeiter bei Ermittlung
Bergwesen.
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der Ladung von Fördergefäßen und kann durch
die Arbeitsordnung noch weitere Aufgaben zu-
gewiesen erhalten. Als ständige Arbeiterausschüsse
können bestellt werden: 1) die Vorstände der für
die Arbeiter eines Bergwerks bestehenden Kranken-
kassen; 2) die Knappschaftsältesten von Knapp-
schaftsvereinen und Knappschaftskrankenkassen, wel-
che nur die Betriebe eines Bergwerksbesitzers um-
fassen; 3) die bereits vor dem 1. Jan. 1892 er-
richteten ständigen Arbeiterausschüsse; 4) solche
Vertretungen, deren Mitglieder in ihrer Mehr-
zahl von den Arbeitern des Bergwerks, der be-
treffenden Betriebsabteilung oder der mit dem
Bergwerk verbundenen Betriebsanlagen aus ihrer
Mitte in unmittelbarer und geheimer Wahl ge-
wählt werden. Die Wahl der Vertreter kann auch
nach Arbeiterklassen oder nach besondern Abtei-
lungen des Betriebs erfolgen. Die Verhältnis-
wahl ist zulässig. Zur Wahl berechtigt sind nur
volljährige Arbeiter, welche seit Eröffnung des
Betriebs oder mindestens ein Jahr ununterbrochen
auf dem Bergwerk gearbeitet haben. Die Ver-
treter müssen mindestens 30 Jahre alt sein und
seit der Eröffnung des Betriebs oder mindestens
3 Jahre ununterbrochen auf dem Bergwerk ge-
arbeitet haben. Wähler und Vertreter müssen die
bürgerlichen Ehrenrechte und die deutsche Reichs-
angehörigkeit besitzen, die Vertreter überdies der
deutschen Sprache mächtig sein. Die Zahl der Ver-
treter soll mindestens 3 betragen. Die Arbeiteraus-
schüsse sind mindestens alle 5 Jahre neu zu wählen.
Dem abbkehrenden großjährigen Bergmann
wird ein Zeugnis über die Art und Dauer
seiner Beschäftigung und auf Verlangen auch über
seine Führung und seine Leistungen ausgestellt.
Minderzjährige Arbeiter können ein solches
Zeugnis fordern. Sie dürfen als Arbeiter nur be-
schäftigt werden, wenn sie mit einem Arbeitsbuch
versehen sind. Auf jedem Bergwerk ist über die da-
selbst beschäftigten Arbeiter eine Liste zu führen.
Die regelmäßige Arbeitszeit darf für den ein-
zelnen Arbeiter durch die Ein= und Ausfahrt nicht
um mehr als eine halbe Stunde verlängert werden.
Ein etwaiges Mehr der Ein= und Ausfahrt ist
auf die Arbeitszeit anzurechnen. Für Arbeiter,
welche an Betriebspunkten, an denen die gewöhn-
liche Temperatur mehr als 28 Celsius beträgt,
nicht bloß vorübergehend beschäftigt werden, darf
die Arbeitszeit 6 Stunden täglich nicht übersteigen.
Über= oder Nebenschichten sind dann unzulässig.
Vor dem Beginn sowohl einer regelmäßigen Schicht
als einer Nebenschicht muß für den einzelnen Ar-
beiter eine mindestens achtstündige Ruhezeit liegen.
3. Knappschaftswesen. Die Bergleute
sind durch ihren gefahrvollen Beruf schon früh
darauf hingewiesen worden, durch Zahlung von
Beiträgen Einrichtungen zu treffen, die einerseits
sowohl den alternden oder kranken Genossen als
auch im Todesfall den Hinterbliebenen eine Unter-
stützung gewähren sollten und die anderseits geeignet
waren, die Lage des Bergmannsstandes überhaupt