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zum erheblichen Teil in Naturallieferungen
(annona) und in Frondiensten verschiedener Art;
dies gilt auch noch für die indirekten Steuern.
Als solche werden angeführt: gebührenartige Ab-
gaben beim Passieren von gewissen Wegestellen,
Markt- und Hafenzölle, auch sonstige Ein= und
Ausfuhrzölle, Verkaufssteuern (wir würden es
wohl Stempelsteuern nennen) für eine Menge von
Gegenständen, namentlich für Nahrungsmittel;
Steuern beim Sklavenverkauf. Es werden hier-
her auch gerechnet die Abgaben bei den Akten des
bürgerlichen Rechts, welche man, abgesehen von
der Erbschaftssteuer, jetzt zu den Gebühren zählen
würde. Diese kurzen Andeutungen würden,
theoretisch betrachtet, zu dem Schluß berech-
tigen, daß man einem nach allen Richtungen hin
ausgebildeten Steuersystem gegenüberstehe, und
auch der Gerechtigkeit scheint namentlich durch den
sorgsamen Zensus Genüge geschehen zu sein. Ganz
anders aber gestaltet sich das Bild in der Praxis.
Der „Zöllner“ der Bibel, der von allen gering-
geschätzte, von der Gesellschaft gewissermaßen aus-
geschlossene Mann ist ein bezeichnendes Bild des
Steuer= oder Zollwesens in den römischen Pro-
vinzen. Immunitäten, Steuerbefreiungen bevor-
zugter Klassen und Personen, welche im Lauf der
Kaiserzeit immer mehr zunahmen, wälzten den
Druck desto stärker auf die übrigen Steuerzahler,
als die Gesamtanforderung eher stieg als herab-
ging. Zu den schon erwähnten außerordentlichen
Ausschreibungen, welche von Rom aus geschahen,
kamen noch Zuschläge der Statthalter der Pro-
vinzen und der städtischen Magistrate, da auch die
Gemeinden als solche noch einen Teil der allge-
meinen Lasten zu übernehmen hatten. Selbst die
Register des Zensus wurden gefälscht zugunsten
der Reichen, zum Nachteil der weniger Bemittelten.
Unter den christlichen Schriftstellern geißelt der
Priester Salvianus von Marseille (gest. 484) in
seiner Schrift „Von der Regierung Gottes“ (zitiert
bei Clamageran) die Zustände, und kaiserliche
Edikte wurden gegen die Mißbräuche erlassen,
durch ihre Notwendigkeit das Vorhandensein jener
bestätigend. Gilt dies von dem Verfall des Steuer-
wesens zu Ende der Keiserzeit, so bietet die vor-
hergegangene Zeit der Republik ein noch weniger
erfreuliches Bild. Es entwickelten sich die schwersten
Mißbräuche und Bedrückungen aus den Steuer-
verpachtungen, welche bis auf Cäsar allgemein
stattfanden. Für die Verderblichkeit des Systems
sei nur an Verres erinnert. Man kann sagen,
daß hinsichtlich des Steuerwesens in den Provinzen
im Bereich der Republik ein immer tiefer sinkender
Zustand eingetreten war, daß sodann durch die
Kaiser eine Reform und Ordnung hineingebracht
wurde, aber mit dem absterbenden Staatswesen
auch wiederum verfiel.
Auch bei den Germanen kreffen wir den
Grundsatz an, daß der Freie weder von seiner
Person noch von seinem Grund und Boden
Steuern zahlte. Wo die germanischen Stämme
Besteuerung.
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bei ihrem Vordringen die römischen Einrichtungen
fanden, wurden dieselben zunächst benutzt, um von
den Unterworfenen die Abgaben zu erheben. Es
blieb die alte Katastrierung für die früheren römi-
schen Untertanen bestehen, ebenso der Zensus. Es
trat indessen eine Umwandlung in der Richtung
ein, daß seit dem 6. Jahrh. die Grundsteuer zu
einer auf Grund und Boden ruhenden Reallast
wurde, so daß dann auch persönlich steuerfreie Be-
sitzer dieselben zahlen mußten, wenn sie solche
Grundstücke erworben hatten, während die frühere
Personensteuer sich in einen vererblichen Kopfzins
verwandelte. Inwieweit auch die freien Franken
der eigentlichen Steuerpflicht in den Gegenden
mit römischen Einrichtungen unterworfen wurden,
indem die Rechte der römischen Kaiser gewisser-
maßen auf die Könige übergingen, ist nicht genau-
zu bestimmen. Es herrschten jedenfalls große Ver-
schiedenheiten vor. Im großen und ganzen aber
entrichteten die Freien ihre Beiträge zu den Staats-
lasten, sofern man diesen Ausdruck überhaupt schon
anwenden darf, in Form von Ehrengeschenken,
welche nach altem Herkommen dem König und dem
Reich jährlich früher auf dem Märzfeld, dann zur
Zeit der kleineren Herbstversammlungen und später
auch bei andern Gelegenheiten dargebracht wur-
den (Walter); es waren ursprünglich hauptsächlich
Vieh und Getreide, was gespendet wurde. Der
Charakter der Freiwilligkeit, des Außergewöhn-
lichen der Leistungen durchdringt das deutsche
Steuerwesen bis in die neuere Zeit hinein und
tritt noch zutage in der Art und Weise, wie
Steuerbewilligungen seitens der Stände gewährt
wurden. Anfänglich freiwillige Leistungen, welche
sich regelmäßig wiederholten, erhielten sie indessen
trotz der äußerlichen Form des Geschenks in Wirk-
lichkeit die Bedeutung von Verpflichtungen,
namentlich wenn der Berechtigte es verstand, seine
Ansprüche zu vertreten. Es kommt dies zum Aus-
druck z. B. darin, daß man diese Verpflichtungen
ablöste. Die Hauptleistung des freien Germanen
war die persönliche Waffenpflicht. An diese
knüpfte sich mit der Zeit eine Reihe von Vor-
gängen, welche eine Steuerpflicht begründeten.
Karl der Große führte wichtige Veränderungen
ein. Der Kriegsdienst war mehr und mehr Roß-
dienst geworden und dadurch so kostspielig, daß je
nach der Größe des Vermögens mehrere zusammen
einen Mann stellten. Wer nicht persönlich mit-
zog, zahlte eine Beihilfe (adiutorium). Die
Last des Kriegsdienstes veranlaßte aber auch, daß
manche sich in die Abhängigkeit von Stiften und
Grafen begaben; sie übernahmen damit gewisse
Leistungen, erlangten aber auch Vorteile, dar-
unter den, hinsichtlich des Kriegsdienstes vertreten
zu werden. Als Strafe für die Nichterfüllung der
obliegenden persönlichen Dienstleistung wurde eine
Heerbannbuße auferlegt, welche mit der Pflicht des
Heerbanns auf die Stifte usw. überging. Diese
Andeutungen werden genügen, um zu zeigen, wie
hier nach und nach öffentlich-rechtliche Verhält-