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fanden indessen auch die in direkten, gleichfalls
ursprünglich allenthalben unter Bewilligung der
Stände, ihre weitere Ausbildung. Man nannte
sie Umgeld (auch Ungeld) oder Akzise. Die
Entwicklung im einzelnen geschah unter dem Druck
des Geldbedürfnisses und unter dem Einfluß der
wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse —
letzteres sowohl bezüglich der Machtstellung der
Regierungsgewalten als derjenigen einzelner Ge-
sellschaftsklassen und politischer Körperschaften.
Wenn daher auch eine große Menge von Unter-
schieden im Lauf dieser historischen Entwicklung
hervortritt, so führt doch wieder in den Kultur-
staaten Europas wenigstens die ausgleichende
Macht der neueren Verkehrsverhältnisse und der
wirtschaftlichen Lebensbedingungen zu gewissen
Üübereinstimmungen in den Steuerarten der Jetzt-
zeit. (Das Nähere in dem Art. Steuern, ferner
in den Art. über die einzelnen Steuern: Grund-
und Gebäudesteuer, Einkommensteuer usw.)
3. Terminologie. Hinsichtlich der Ter-
minologie ist eine völlige Ubereinstimmung nicht
erreicht. Steuer subjekt ist ein jeder rechtlich zur
Entrichtung Verpflichtete, also gleichbedeutend mit
Steuerzahler, wohl zu unterscheiden von Steuer-
träger, d. h. von demjenigen, dessen Vermögen
oder Einkommen die Steuer schließlich zur Last
fällt (z. B. bei vielen indirekten Steuern ist der
Steuerzahler bemüht, durch den Preis des Pro-
dukts die Steuer vom Konsumenten tragen zu
lassen; es findet dann eine Steuerüberwäl-
zung statt). „Steuerobjekt (Bemessungsgrund-
lage) ist der Gegenstand oder die Handlung,
welche als Anlaß, Kennzeichen und Maßstab der
Steuerpflicht bezeichnet ist“ (Roscher). „Steuer-
quelle ist das Vermögen oder nach genauerer
Ausdrucksweise das Einkommen, aus welchem die
Steuer wirklich entrichtet wird, sind die steuer-
fähigen Privatwirtschaften, über welche das Ge-
meinwesen Gewalt ausübt“ (Schäffle). Steuer-
einheit ist die Zahl, das Maß, das Gewicht,
der Einheitswert, welcher bei der Besteuerung des
Objekts der Bemessung zugrunde gelegt wird.
Diejenige Steuerquote, mit welcher diese Steuer-
einheit belegt wird, heißt Steuer sa tz. Der Aus-
druck Steuer fuß ist bereits in dem Begriff Steuer-
satz enthalten, wird aber gebraucht für solche Fälle,
in welchen der Steuersatz einen echten Bruch
(bzw. so und so viel Prozent) der in Geldbeträgen
bestimmten Steuereinheit beträgt. Steuer kata-
ster (Register der capita = Steuerhufen, capi-
tastrum) nennt man die amtlichen Listen, in
welchen die der Besteuerung zugrunde liegenden
tatsächlichen Verhältnisse zusammengestellt sind.
Steuerrollen, Steuerlisten sind die amt-
lichen Verzeichnisse der Steuersubjekte mit An-
gabe der von denselben zu entrichtenden Steuer-
beträge. Steuertarife kommen als Listen der
Steuersätze für indirekte Steuern vor; man kann
wohl sagen, diese Bezeichnung bringt das Ver-
hältnis zum Steuer objekt zum Ausdruck,
Staatslexikon. I. 3. Aufl.
Bettelei — Beuterecht.
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während die Steuerlisten die Steuer subjekte
aufführen.
Literatur. Für die naturrechtliche Begrün-
dung: Ferd. Walter, Naturrecht u. Politik (21871)
§§ 378 ff; Trendelenburg, Naturrecht auf dem
Grund der Ethik (21868) § 159; Stahl, Philoso-
phie des Rechts nach geschichtl. Ansicht 1II (5 1878).
In den Werken über die politische Geschichte
sind die Steuern meist nur beiläufig behandelt.
J. B. Weiß (Weltgeschichte) macht Angaben über
die Steuerverhältnisse der einzelnen Staaten in
den versch. Perioden. Hauptwerke für die Gesch. der
Steuern sind für Griechenland: Böckh, Staats-
haushaltung der Athener 1 (61886); für Rom: IJ.
Marquardt, Röm. Staatsverwaltung II (21881 bis
85); Mommsen, Röm. Staatsrecht II (1888) u.
III (1887). Für die römische Provinzialbesteuerung
u. das Mittelalter: Clamageran, Histoire de l’im-
põt en France (3 Bde, Par. 1868/76). Für die
deutschen Steuerverhältnisse im Mittelalter die
Werke über Verfassungs= u. Rechtsgesch., insbes.
Waitz, Deutsche Verfassungsgesch. II (21882), IV
(21885), VIII (1878); Walter, Deutsche Rechtsgesch.
(2 Bde, :1857); Schröder, Lehrb. der deutschen
Rechtsgesch. (51907); Eheberg, Art. „Finanzen“
im Handwörterb. der Staatswissenschaften III. Für
England: Stubbs, Constitutional History of
England (3 Bde, Lond. "1897/98); Dowed, A
History of Taxation and Taxes in England (4 Bde,
ebd. 1884). — Die Werke über Finanzwissen-
schaft geben in den Abschnitten über die Steuern
sowohl historische Darlegungen als grundle-
gende Erörterungen. Zu nennen sind namentlich
die Werke von Ad. Wagner, Roscher, Eheberg,
v. Heckel, Leroy-Beaulieu sowie das von Schön-
berg hrsg. Handbuch der polit. Okonomie (III. Bd,
Aufsatz von Schall). Als Spezialwerke find zu
nennen: Hoffmann, Die Lehre von den Steuern
(1840); Hock, Die öffentl. Abgaben u. die Schul-
den (1863); Schäffle, Grundsätze der Steuerpolitik
(1880); ders, Die Steuern (2 Bde, 1895/97);
Neumann, Die Steuer (1887); Vocke, Abgaben,
Auflagen u. die Steuer (1887); Fuisting. Grund-
züge der Steuerlehre (1902). — Wertvolle Ab-
handlungen und Literaturübersichten enthält das
„Finanz-Archiv“", hrsg. von G. Schwarz (seit 1883).
— Weitere Literaturangaben s. bei den Art. Steu-
ern, Grund= u. Gebäudesteuer, Gewerbesteuer, Ein-
kommensteuer. lv. Huene, rev. Sacher.)
Bettelei s. Armenwesen.
Beuterecht. Beute ist dasjenige bewegliche
Gut, dessen man durch Verfolgung oder Nach-
stellung habhaft wird. In diesem figürlichen
Sinn gebraucht der deutsche Sprachgeist die
Worte: Kriegsbeute, Diebsbeute, Jagdbeute,
Seebeute, und in übertragener Bedeutung: Aus-
beute, Ausbeutung, Freibeuterei usw. Ein Recht
zur Wegnahme von Gegenständen im Verlauf
ausgebrochener Feindseligkeiten, ein „Beuterecht“,
kennt nur der Krieg. Unter der Herrschaft roher
Kampfformen und barbarischer Gebräuche, der
Blutrache, des Weiberraubs, der zügel- und maß-
losen Verheerungen, erscheint die Beute in alter
Zeit und gegenwärtig noch unter den Negerstäm-
men des zentralen Afrikas und im Südsee-Archipel
als Lohn für die Überwältigung des Gegners,
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