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Schrift der weltlichen Macht vorbehält (XVI 13):
so drückt jeder dieser Sätze das direkte Widerspiel
gegen die christlich-germanische Auffassung aus.
Den heidnisch-römischen Staatsgedanken, wie er
von Machiavelli erneuert worden war, hat Hobbes
zu einer umfassenden Theorie entwickelt. Be-
merkenswert ist dabei, daß er zwar die erbliche
Monarchie für die zweckmäßigste Staatsform er-
klärt, daß aber seine Aufstellungen ebenso von jeder
andern, auch der republikanischen, gelten sollen.
In den Augen der zuvor erwähnten Schriftsteller
umgab den unumschränkten Herrscher der Abglanz
einer höheren, göttlichen Würde, und nicht zum
kleinsten Teil hieraus leiteten sie ihre Folgerungen
ab. Bei Hobbes dient das religiöse Element nur
dazu, der Macht der Staatsgewalt, die aus den
blinden Trieben der Furcht und der Selbsterhal-
tung abgeleitet wird, eine abermalige Verstärkung
zufließen zu lassen.
Man weiß, wie wenig die geschichtlichen Ereig-
nisse in England den hochgespannten Ansprüchen
der Stuarts und ihrer Parteigänger entsprochen
haben. Das Ende der langen Kämpfe, welche
die Mitte und den größeren Teil der zweiten
Hälfte des 17. Jahrh. füllen, war die endgültige
Beseitigung des absoluten Regiments auf dem
Inselreich. Als Wilhelm von Oranien im Jahr
1688 die Krone aus der Hand des Parlaments
empfing, bedeutete dies anerkanntermaßen den
Sieg der entgegengesetzten Prinzipien, welche die
Regierung des Königs an die Zustimmung des
Volkes gebunden und den Gesetzen des Landes
unterworfen wissen wollten. Anders entwickelten
sich die Dinge in Frankreich; dort triumphierte
das Königtum nach langen Kämpfen über den
Widerstand der Stände, dort wußte eine zentrali-
sierte Staatsverwaltung nach und nach alle leben-
digen Kräfte in dem einen Mittelpunkt zusammen-
zufassen, dort fand der fürstliche Absolutismus
zugleich den Mann, der ihn in seiner Person zur
vollendeten Darstellung brachte, den das Bewußt-
sein der königlichen Macht wie eine religiöse Über-
zeugung, wie eine Inspiration erfüllte, den Er-
finder des Wortes: L'état c'est moi!
Da Ludwig XIV. auf der Höhe seines Ruhmes
stand, schrieb Bossuet als Lehrbuch für den Dau-
bhin seine „Politik nach den Worten der Heiligen
Schrift“ (Politique tirée des propres paroles
de IEcriture Sainte; erst später unter Hinzu-
fügung eines nachträglich verfaßten, ebenso wie
der erste sechs Bücher umfassenden zweiten Teils
herausgegeben). Der große Bischof von Meaux
stand dem Hof zu nahe, als daß der Glanz des-
selben nicht auch ihn geblendet und ihm den Blick
für die tieferen Bedürfnisse eines politischen Ge-
meinwesens getrübt hätte. Aber wenn auch für
ihn das unumschränkte Königtum den eigentlichen
Kern und Mittelpunkt seiner politischen Gedanken
ausmacht, so ist doch zwischen diesen und der
Hobbesschen Theorie ein beachtenswerter Unter-
schied. Was in seinen Augen die Monarchie über
Absolutismus.
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alle Staatsformen erhöht, ist ihre enge Beziehung
zu Gott. Gott hat die Könige eingesetzt, ihre
Person ist geweiht, ein Abglanz des Göttlichen
ruht darauf, und die Verehrung der Untertanen
gegen sie hat einen religiösen Charakter. Die
Autorität des Königs ist eine absolute; er hat von
seinen Anordnungen keinem Menschen Rechenschaft
zu geben, und gegen seinen Richterspruch gibt es
keine Berufung. Man muß ihm gehorchen wie
der Gerechtigkeit selbst, sonst rüttelt man an der
Ordnung des Gemeinwesens. Nur Gott allein ist
der Richter der Könige, auf Erden gibt es keinen
Spruch, der sie zurechtweisen, keine Zwangsgewalt,
die sie beugen könnte, das ist der Sinn des jus
regium in der Rede Samuels. Daß sie über den
Gesetzen stünden, folgt jedoch daraus nicht; sie
sind denselben unterworfen, weil es ihre Pflicht
ist, gerecht zu sein und den Untertanen das Bei-
spiel der Gerechtigkeit zu geben, unterworfen frei-
lich nur als leitenden Prinzipien, nicht als zwin-
genden Normen. Es ist die moralische Pflicht der
Könige, ihre Macht im Interesse des allgemeinen
Wohls zu gebrauchen; gerade weil sie auf dem
Thron des Herrn sitzen, ist es Vermessenheit, wenn
sie die ihnen übertragene Gewalt gegen Gottes
Gesetz gebrauchen. Die Furcht Gottes ist das beste
Gegengewicht gegen die Überhebung, zu welcher
ihre Stellung sie verführen könnte; der Fürst wird
Gott um so mehr fürchten, weil er ihn allein zu
fürchten hat. Dafür ist ihm das Volk zu völligem
Gehorsam verpflichtet, eine Ausnahme hiervon
gibt es nur da, wo das Gebot des Fürsten dem
Gesetz Gottes widerstreitet; aber „der Staat ist in
Gefahr, der öffentliche Friede verliert alle Sicher-
heit, wenn es dem Volk erlaubt sein soll, sich aus
irgend welcher Ursache gegen den Fürsten zu er-
heben". Gewalttat und erklärte Gottlosigkeit
können von der Pflicht des Gehorsams nicht ent-
binden, dem Volk bleibt als Gegenmittel nur die
ehrfürchtige Vorstellung (des remonstrances.
respectueuses sans mutinerie et sans mur-
mure) und das Gebet. Auch das ist verfehlt,
wenn man glaubt, dem Staat in anderer als in
der von dem Fürsten vorgeschriebenen Weise dienen
zu können. Das heißt sich einen Teil der könig-
lichen Autorität beilegen und damit den öffent-
lichen Frieden stören. Von seiner erhabenen Stelle
aus sieht der König weiter als der einzelne Unter-
tan, in ihm ist der Sitz der staatsleitenden Ver-
nunft. Die Majestät, welche dem Fürsten eignet,
ist ein Abbild der Größe Gottes. Ein Fürst ist
kein Privatmann, er ist eine öffentliche Persönlich-
keit, er umfaßt in sich den Staat (tout I'Stat est.
en lui). Der Wille des ganzen Volkes ist in dem
seinen, die Macht aller übrigen in der seinigen
eingeschlossen. Kein Zweifel, Bossuet ist Absolutist
in der hergebrachten Bedeutung dieses Namens.
Ihm ist der König der Staat, und er will darum
von keiner andern Macht im Staate wissen, durch
welche die des Königs eingeschränkt werden könnte.
Aber er ist weit entfernt, das Staatsoberhaupt