Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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Fruchtbarkeit der Katholiken polnischer Abstammung 
zurückzuführen und wird wohl hauptsächlich durch 
das niedrigere Heiratsalter dieses Volksteils bedingt. 
Die Statistik der Geburtsverhältnisse sei mit 
einem kurzen Überblick über die Frequenz der un- 
ehelichen Geburten abogeschlossen. Dieselben 
find, wie betont werden muß, an sich kein Beweis 
für die größere oder geringere Immoralität der be- 
treffenden Länder und können nicht ohne weiteres 
als Maßstab der Sittlichkeit betrachtet werden. Das 
ist auch die Ansicht namhafter katholischer Schrift- 
steller. Mit Recht sagt P. v. Hammerstein (Kon- 
fession und Sittlichkeit (1893 13): „Der Prozent- 
atz unehelicher Geburten ist ein zweischneidiges 
Schwert. Bei einer einfachen ländlichen Bevölkerung 
ist die geringe Zahl derselben ein günstiges Zei- 
chen... Anders in den großen Städten. Dort ist 
die geringe Zahl der außerehelichen Geburten oft 
ein Zeichen des höchsten Grades der sittlichen Kor- 
ruption. Wenn daher die fast 4% Londons in 
Pommern vorkämen, so würde das ein relativ gutes 
Zeugnis sein; in London, wo diese Zahl sogar hinter 
der von England überhaupt um 2 % zurückbleibt, 
ist sie dagegen ein Beweis, daß die sittliche Fäulnis 
eine furchtbare Höhe erreicht hat.“ Zu demselben 
Ergebnis gelangt P. Krose (Der Einfluß der Kon- 
fession auf die Sittlichkeit (1900] 14): „Je raffi- 
nierter das Laster wird, desto mehr wächst die Ge- 
schicklichkeit, die natürlichen Folgen der Unsittlichkeit 
zu hintertreiben. Und so paradox es klingen mag, 
in gewissem Sinn ist es wahr, daß in unsern mo- 
dernen Großstädten eine hohe Zahl von unehelichen 
Geburten gewissermaßen ein „gutes Zeichen“ ist; 
sie zeigt wenigstens, daß die schlimmste Art von 
Korruption noch nicht eingetreten ist.“ Nach Jura- 
schek waren unter 1000 Gebornen einschließlich der 
Totgebornen durchschnittlich unehelich geboren: 
  
  
  
  
  
  
  
1861/70|1 871880 1881½90 1891/1900 
115.00 88.9 93,1 90,6 
85, 75,7 80.7 72,3 
210,8 133,3 138, 2 12 
148, 1 128.9 128,6 126,3 
150,889,8 96,3 86,8 
144,.582, 4S1,7 77.3 
94.8 74,0 807 74,3 
148,3 74,2 76.1 71.8 
185,8 135.5133,4 116,3 
136,1 96,6 8,4 95,3 
182,5 137,.2 139, 7113 
54.8 499 3,2 48.4 
162,1L %½ 
176,0|144,0 
— 73,.393,5 88.1 
— — 9.6 10,6 
5500720 66.4 
544004 48,8 46.6 
78.0 750083,7 89.7 
73,0 73 .9 84,2 
390 34,042 29.7 
60.90 49,.714 42.4 
97,.7 87,9 81.,6 71,2 
32524, 227,1 16,2 
1120 1060 988,4 95.3 
83,0 88,0 1759,2 72,9 
97.0 105,0103,2 109,9 
  
  
  
1 Geborne einschließlich Totgebornen im Jahr 1901. 
In den Staaten West= und Mitteleuropas, aus 
denen genaue Nachrichten über die unehelichen Ge- 
burten vorliegen, hat die an der Volkszahl gemessene 
Häufigkeit dieser Geburten seit 50 Jahren nicht zu- 
genommen; die uneheliche Geburtenziffer dieser 
änder betrug in den Jahrzehnten 1841/50: 2,62, 
Bevölkerung. 
  
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1851/60: 2,73, 1861/70: 2,87, 1871/80: 2,64, 
1881/90: 2,62 und 1891/1900:2,54 auf 1000 Ein- 
wohner. 
Ahnlich wie die Geburtenziffer ist auch die Sterb- 
lichkeitsziffer im Lauf des 19. Jahrh. we- 
sentlich kleiner geworden. Der Rückgang vollzog 
sich zwar nicht mit der Regelmäßigkeit wie bei der 
Geburtenhäufigkeit, da einzelne Epidemien und 
Kriegsjahre die Sterblichkeit besonders stark empor- 
schnellen ließen; aber immerhin ist die Abnahme der 
Sterblichkeit namentlich im letzten Drittel des 
19. Jahrh. allenthalben deutlich erkennbar. Es ent- 
fielen auf je 100 Einwohner Todesfälle: 
  
  
  
  
  
  
  
  
im Jahr 4% Bayern Preußen — Ungarn 
1865 — 3,07 2,68 3,03 2,92 
1866 — 3.02 3,55 4,08 3.80 
1867 — 2,92 — 2,93 3.28 
1868 — — — — 3,30 
1870 — 3,12 2,60 2,84 3,25 
1871 — — 288 — — 
1872 *# — 2.92 — — 
1875 2.76 3,14 2,64 3,01 3.72 
1880 2,60 2,89. 2,54 2.98 3,86 
1881/85 2,58 2,87 2,54 3,02 3,29 
886, 2,44 2,64 2,40 2,88 3.01 
1891/95 2,33 2,49 2,28 2,79 3,18 
1896/1900 2,13 2,421 2,171 2,54 2,97 
1 Gestorbne einschließlich Totgebornen im Jahr 1901. 
Man erfieht aus diesen Ziffern deutlich die Wir- 
kungen der Kriege für die davon betroffenen Länder. 
Osterreich hatte den Krieg des Jahrs 1866 in seinen 
Grenzen zu überstehen, in dessen Gefolge sich auch 
die Cholera entwickelte. Desgleichen litt Ungarn be- 
trächtlich, aber doch in geringerem Grad, weil nur zu 
einem kleinen Teil von der Invasion heimgesucht. 
Das fiegreiche Preußen hatte aber weder anläßlich 
des Kriegs von 1866 noch in demjenigen der Jahre 
1870/71 eine erhebliche Steigerung der Sterblich- 
keit zu verzeichnen, am wenigsten durch den letzteren. 
Während des ersteren verbreitete sich die Cholera 
auch in das siegreiche Land. Solche Seuchen wirken 
weit ungünstiger, weit allgemeiner und verheerender 
als der Verlust an Menschenleben durch die Waffen. 
— Es entfielen weiter auf je 100 Einwohner To- 
desfälle: 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
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— *— " "“ —x 
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—z eez5 
18652,43 2,32 1,6t7 2,982,45 2,58 — 
1870 2,83 2,29 1,67 2,98 2,32 2,57 2.85 
18752,.31 2,28 1,853,09227 2,54 2,40 
1880 2.30 2,6 1,98 3,05 2, 23 2,35 2,19 
18852,19 1,92 1.84271.1 2,10 2.14 
1890 2.28 1,96 1,82 2,65 2,08 2,05 2,10 
18952.22 1,88 1,84 2,53 1,96 1,87 1,97. 
1901.2,12 1,82 1,78 2,84 1,86 1,86 1,91 
Die Sterblichkeit betrug danach am Ende des 
Jahrh. im mittleren Durchschnitt beiläufig 2,5 ⅝. 
Mit mehr als 3% sind Rußland und Spanien, 
mit weniger als 3 / Todesfälle Rumänien, Oster- 
reich und Ungarn vertreten. Abgesehen von Spanien 
haben alle diese Staaten zu gleicher Zeit auch eine 
den Durchschnitt erheblich überragende Geburten- 
ziffer zu verzeichnen gehabt. Durch die niedrigste 
Sterblichkeitsziffer, weniger als 2% Todesfälle, 
zeichnen sich die Schweiz, Belgien, die Niederlande,
	        
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