Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

927 Bodmerei 
systems sehr bestimmt zu erkennen. Er fordert 
Eingangsfreiheit der Rohstoffe, Zollpflicht der 
eingeführten Manufakturen, Ausfuhrzoll auf die 
notwendigsten Lebensmittel: Korn, Salz, Wein, 
einerseits damit der inländische Bedarf nicht ge- 
schmälert werde, anderseits um durch diese Ein- 
nahmequelle die Steuerlast der Untertanen zu 
mindern und womöglich dieselbe teilweise auf aus- 
ländische Konsumenten abzuwälzen. — Auch in 
der Behandlung des Steuerwesens leistet Bodin 
sehr Bemerkenswertes. Energisch fordert er eine 
möglichst genaue Aufnahme der Bevölkerung 
(recensement) als die allein richtige Grundlage 
einer gerechten Besteuerung. Sehr entschieden be- 
kämpft er die Steuerprivilegien des Klerus und 
des Adels. Anderseits eifert er gegen den Wucher 
und erblickt in ihm eine der Hauptursachen der 
sozialwirtschaftlichen Ungleichheit, welche er als 
eine größere Gefahr für den Bestand der öffent- 
lichen Ordnung beurteilt denn die politische Un- 
gleichheit. 
Die hier anzuführenden Schriften Bodins 
sind: Oratio de instituenda in republica inven- 
tute (Tolosa 1559); luris universi distributio 
(Par. 1579); Methodus ad facilem historiarum 
cognitionem (ebd. 1566); La response aux para- 
doxes de M. de Malestroit touchant L’enchéris- 
sement de toutes choses et le moyen d'y remé- 
dier (1568), auch unter dem Titel: Discours sur 
le rehaussement et la diminution tant d’or due 
Targent et le moyen d'y remédier (1578), in 
späteren Ausgaben der République mit abgedruckt 
(Lyon 1593, Genf 1600 ff); Les six livres de la 
république (1576) von Bodin selbst ins Latei- 
nische übersetzt: De republica libri 6 (1584 u. ö.); 
Auszüge aus der „Republik“ veröffentlichten Wer- 
denhagen (Amsterdam 1635, latein.) und Lavie 
(Lond. 1755, franz.); La démonomanie des sor- 
ciers (1578), auch unter dem Titel: Fléau des 
démons et sorciers (Niort 1616); Apologie de 
René Herpin (Pseudonym) pour la République 
de J. Bodin (1581); Colloquium heptaplomeres 
de rerum sublimium arcanis abditis. cur. 
L. Noack (Suerini 1857) (teilweise schon veröffent- 
licht von G. E. Guhrauer: Das Heptaplomeres des 
Jean Bodin (1841).— Von deutschen übersetzungen 
der Schriften Bodins seien hier genannt: Res- 
publica, übersetzt von J. Oswaldt (Mömpelgard 
1592 u. ö.); Discurs. Joch. Bodini.. . Von den 
Ursachen der Thewrung wie auch dem Auff= und Ab- 
schlag der Müntz . (Hamburg 1624/25). Die 
Démonomanie übersetzte J. Fischart unter dem be- 
zeichnenden Titel: Vom Außgelaßnen Wütigen 
Teufelsheer der . Hexen und Hexenmeister (Straß- 
burg 1581 ff). 
Literatur. Guhrauer, Leben u. Charakter B. 
im Umriß (Einleitung der oben genannten Aus- 
gabe); Baudrillart, J. B. et son temps (Par. 
1853); Barthelemy, Etude sur J. B. (edb. 1876); 
E. Hancke, J. B., eine Studie über den Begriff der 
Souveränität (1894); P. Errea, J. B.; un pré- 
curseur de Montesquien (Brüssel 1895); E. Four- 
nol, B., prédécesseur de Montesquieu (1896). 
Val. Mohl, Gesch. u. Lit. der Staatswissenschaft 
III (1856) 375; Bluntschli, Gesch. des Staatsrechts 
  
— Bottie. 928 
(1864) 26 ff; Roscher, Gesch, der Nat.-Okonomik 
(1874) 139 ff. LGramich, rev. Weinand.) 
Bodmerei s. Seerecht. 
Boctie, Etienne de la, der früheste her- 
vorragende politische Publizist der französischen 
Renaissance, wurde geboren zu Sarlat (Perigord) 
am 1. Nov. 1530, war um 1550 Rat beim Par- 
lament in Bordeaux und starb, noch nicht 32 Jahre 
alt, den 18. Aug. 1562 zu Germinac bei Bor- 
deaux in den Armen seines Freundes Michel 
Montaigne, dem er seine Schriften und Bücher 
vermacht hatte, und der durch Veröffentlichung 
seines Nachlasses der Welt zeigen wollte, daß sein 
junger Freund „der größte Mann des Jahr- 
hunderts“ gewesen. Montaigne veröffentlichte von 
ihm zuerst 1572 zu Paris die sämtlich nach grie- 
chischen Vorlagen gefertigten Abhandlungen: La 
Mesnagerie de Kénophon; Les Regles du 
mariage de Plutarque; Lettre de consolation 
de Plutarque à sa femme; Ensemble quelque 
Vers latins et françois de sa composition: 
Item un discours sur la mort dudit sieur de 
la Boétie. Dazu kamen noch in späteren Aus- 
gaben die Mesnagerie d'’Aristote, eine Reihe 
von (29) Sonetten in den verschiedenen Ausgaben 
der Essays von Montaigne und eine gleichfalls 
mit poetischen Zugaben ausgestattete Historique 
description du solitaire et sauvage pays de 
Médoc (1595). Zeigte La Bobtiehier die schranken- 
lose Begeisterung für das klassische Altertum, na- 
mentlich seine wirtschaftlich-sozialen Anschauungen, 
wie sie den Kreisen seiner Standesgenossen an den 
Parlamenten im Anschluß an die in gleicher Rich- 
tung sich bewegende Wiederbelebung des römischen 
Rechts durch die Cujas, Pithon, Loysel, de Mesme 
u. a. eigen war, so machte der 1578 veröffentlichte 
Discours de la servitude volontaire ou le 
contre un offenbar, wie weit er über letztere hin- 
ausging. Zwar hatte Montaigne die kleine Schrift 
als eine „Rede zu Ehren der Freiheit gegen den 
Tyrannen“ angekündigt, „der nicht liebt und nicht 
geliebt wird“, allein darüber wurde man sich bei 
der rasch steigenden Bewunderung des Discours 
bald klar, daß derselbe etwas ganz anderes be- 
deutete als eine rhetorische Ubung. Hatten schon 
der Legist Franz Hotman (Franco-Gallia sive 
Tractatus de regimine regum et de jure suc- 
cessionis [Genf 15731) und Hubert Languet 
(Vindiciae contra tyrannos (Basel 1579.) zu- 
gunsten des hugenottischen Republikanismus das 
Recht des Volkes gegen die Könige bis zu deren 
Absetzung verteidigt, so ging La Bobtie einen 
kühnen Schritt weiter, indem er das absolute 
Recht des Individuums gegen den Tyrannen ver- 
kündete und damit, vielleicht unbewußt und un- 
freiwillig, eine der schwierigsten Fragen der Politik 
und des neuen Staatsrechts aufwarf, eine Frage, 
die seinem Discours bis in unsere Tage — La- 
mennais veröffentlichte ihn nochmals — aktuelle 
Bedeutung erhielt. Wie entstand die Schrift? 
La Bobtie war ein Gelegenheitsschriftsteller so sehr,
	        
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