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nalds die beste Finanzreform des neueren Frank-
reichs durchsetzte, die Reaktion gegen die allseits
sich mehrenden revolutionären Erhebungen, die Er-
gebnisse der Kongresse zu Troppau, Laibach und
Verona, der ernste, aber schwankende Charakter
Karls X. (seit 16. Sept. 1824), die Neuwahlen
von 1824, bei denen nur 19 Liberale in der
Kammer blieben, vermochten Bonalds Hoffnungen
auf die Befestigung der Monarchie nicht zu be-
leben. Am 29. Mai 1825 wohnte er als Dele-
gierter der Pairs der Salbung und Krönung
Karls X. zu Reims an, konnte sich aber der leb-
haftesten. Befürchtungen für die Monarchie nicht
entschlagen angesichts der sich vertiefenden, in
großen Demonstrationen, wie beim Begräbnisse
des Generals Foy,. sich kundgebenden Oppositions-
lust in den Majoritätsparteien der Kammer, in
der Magistratur, in der Armee, in der Regierung,
am Hofe selbst. Der „heroischen Pflichterfüllung“
blieb er mit seinen Freunden Msgr. Fraissinous,
den Grafen von Seze, Clermont-Tonnerre, Saint-
Romain in der Pairskammer treu. Im Jahr 1827
ließ er sich bewegen, den Ehrenvorsitz in der zur
Führung des Zensurwesens eingesetzten Über-
wachungskommission zu übernehmen, welche Villele
nach ihrer zeitweiligen Beseitigung durch Karl X.
wieder eingerichtet hatte (24. Juni).
Mit dem Rücktritt Villeles (4. Jan. 1828),
den weitgehenden Konzessionen Martignacs
hinsichtlich der Preßb= und Wahlfreiheit und dem
Ausfall der Juniwahlen 1830 waren seine letzten
Hoffnungen dahin. Bonald, der mit Bezug auf
Martignac geschrieben hatte, daß „es nichts
Schlimmeres gebe als starke Maßregeln in den
Händen von Schwächlingen“, täuschte sich keinen
Augenblick über den Ausgang des durch die un-
glücklichen „Ordonnanzen"“ Polignacs (26. Juli
1830) wachgerufenen Kampfes. Die von Bonald
so oft angekündigte „zweite Revolution“ war da;
seine politische Laufbahn war zu Ende. Je weniger
Bonald sich mit der Politik der Restauration, ihren
Systemen und Wegen zur Neubegründung der
königlichen Autorität im Einklang befunden, desto
leichter wurde ihm der Verzicht auf ihre Ehren,
selbst die Pairie. Einen maßgebenden Einfluß
auf die Politik Ludwigs XVIII. wie Karls X.
hatte Bonald weder gesucht noch gefunden, an den
Polignacschen Preßordonnanzen war er in keiner
Weise beteiligt; die entgegengesetzten Behauptungen
sind unerwiesen.
Bonald lebte fortan das ersehnte, für ihn wahr-
haft patriarchalische Stillleben im alten Herren-
hause zu Monnaz die Angelegenheiten seines Hau-
ses, seiner Gemeinde und des Departements, der
Verkehr mit gleichgesinnten Freunden, die Aus-
breitung der Lehren, welche das Studium seines
Lebens ausmachten, füllten das letzte, glückliche
Jahrzehnt seines Lebens aus. Von Karl X.,
geschweige denn von den Trägern der „zweiten
Revolution“, hat er keinerlei Auszeichnung er-
halten. Die teuersten Erinnerungen der letzten
Bonald.
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Jahre knüpften sich an die zweimalige ehrenvolle
Aufnahme am päpstlichen Hof durch Pius VIII.
(um 1830) und besonders durch Gregor XVI.
(1839), der Bonalds Sohn Maurice zum Erz-
bischof von Lyon und zum Kardinal erhoben
hatte. — Bonald starb am 23. Nov. 1840 und
nahm den seltenen Ruhm mit sich ins Grab, unter
all den Männern, welche in der Revolutions-
und Restaurationsepache auf dem Gebiet der
Wissenschaft, Politik und Literatur sich aus-
gezeichnet, unbestritten einer der edelsten, reinsten
und makellosesten Charaktere gewesen und bis zum
Ende geblieben zu sein. „Bonald verband mit
aller Anmut des feinsten und zartesten Geistes
das offenste Herz, den loyalsten, ritterlichsten Cha-
rakter“, schrieb das Journal des Débats in seinem
Nekrolog (2. und 3. Jan. 1841). Kurz nach dem
Ausbruch der Julirevolution war ein letzter, ab-
schließender Kommentar Bonalds zu seiner Ge-
sellschaftslehre erschienen, die Démonstra-
tion philosophique des principes constitu-
tives de la société (Par. 1830). „Seit langer
Zeit“, sagt er in der Widmung an die christ-
lichen Könige, „habe ich mich der Verteidigung
des ewigen Systems der Gesellschaft geweiht. Um
des Glücks eurer Völker willen, christliche Könige,
zu eurem und eurer erlauchten Häuser Wohl habe
ich es unternommen.“
Mit jugendlicher Kraft erhebt er sich nochmals
gegen die Rousseauschen Phantasien von der Wild-
heit als dem Naturzustande des Menschen, gegen
den Sozialkontrakt, die Volkssouveränität, die
Deklaration der Menschenrechte. „Wenn boshafte
und verschlagene Köpfe dem Volk die Überzeugung
beibringen, daß es souverän sei, dann bieten sie
ihm wie die Schlange der Eva die verbotene
Frucht, dann gehen ihm auch die Augen auf,
nicht über die Pflichten und den Frieden des
privaten und bescheidenen Lebens, sondern über
die Inferiorität seiner Lage, jenen notwendigen,
unvermeidlichen Zustand, den der Hochmut der
neuen Ideen für Elend und Unterdrückung hält.
Das Volk bleibt in seiner völligen Unwissenheit,
verliert seine Einfalt und betritt den langen Weg
der Revolution und seiner eigenen Verelendung.“
Der Mensch, lehrt Bonald, vermöge nichts über
den Menschen, auch schulde er ihm nichts, es sei
denn um Gottes willen. „Jede andere Lehre ent-
zieht der Gewalt ihre Grundlage, der Pflicht ihre
Motive sie zerstört die Gesellschaft, indem sie aus
der Gewalt einen widerruflichen Kontrakt macht,
und entwürdigt den Menschen, aus dessen Pflich-
ten sie einen Markt für den Schacher persönlicher
Interessen macht.“ Die häusliche Gesellschaft ist
das wahre Vorbild für die öffentliche Gesellschaft.
Bonald blieb bis zuletzt der Ansicht, daß jedes
Verfassungssystem für die politische Gesellschaft,
welches sich nicht auf die häusliche Gesellschaft
anwenden lasse, falsch, naturwidrig sei; hier suche
man den Prüsstein für alles Verfassungswesen.
Die Monarchie, die natürlichste und vollkommenste