Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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Anleihegeschäft, das Konversionsge- 
schäft und das eigentliche Gründungs- 
geschäft. Das vermittelnde Bankinstitut be- 
sorgt die Ubernahme der Schuldverschreibungen 
und Aktien sowie den Vertrieb derselben an das 
Publikum. Nur diese letztere Tätigkeit (Emis- 
sion im engeren Sinn) gehört zum Börsenwesen. 
Die Übernahme einer Anleihe erfolgt im Hinblick 
auf das Risiko meist durch ein Syndikat oder 
Konsortium. Die Unterbringung neuer Papiere 
geschieht entweder durch freihändigen Verkauf 
oder durch Auflegung zur Subskription und Ein- 
führung zum Handel an einer größeren Börse. 
Dem Antrag auf Zulassung an einer Börse wird 
ein Prospekt beigefügt, in welchem die zur Be- 
urteilung des Papiers dienenden Anhaltspunkte 
niedergelegt sind. Das Konversionsgeschäft dient 
der Veränderung der Verzinsungs-oder Tilgungs- 
bedingungen einer begebenen Anleihe; dieselbe be- 
zweckt meist eine Zinsreduktion. Das Gründungs- 
geschäft setzt sich zur Aufgabe, nicht so fast neue 
Betriebe ins Leben zu rufen, als bestehende Unter- 
nehmungen in eine andere rechtliche Betriebsform 
zu bringen (z. B. Verwandlung in eine Aktien- 
gesellschaft). Der Weg, auf dem dies geschieht, ist 
ähnlich wie der bei Begebung einer Anleihe. Zum 
Emissionsgeschäft gehört auch die Mitwirkung 
von Bankinstituten bei Erhöhung des Grund- 
kapitals von Aktiengesellschaften. 
VI. Kursfeststellung. Die Preisbildung ist 
die wichtigste Erscheinung des Markts; der Kurs 
eines Papiers soll der jeweilige Ausdruck der 
Marktlage sein. Dieser Preis ist um so wichtiger, 
als er nicht nur den an der Börse, sondern auch 
vielen außer der Börse geschlossenen Geschäften 
zugrunde gelegt wird bzw. gelegt werden muß 
(ogl. Handelsgesetzbuch § 376). Die Feststellung 
des Kurses erfolgt durch besondere, an der Börse 
hierfür angestellte Personen, die Makler. Das 
Verfahren bei der Feststellung ist an den einzelnen 
Börsen verschieden. Es werden für das nämliche 
Papier zu verschiedenen Zeitpunkten der Börse 
mehrere Kurse festgestellt; es fehlt also ein einheit- 
licher Kurs. Man ermittelt dann oft einen An- 
fangs= und einen Schlußkurs und zeigt die zwischen- 
liegenden Veränderungen durch einen Mittelkurs 
oder auch durch einen höchsten und einen niedrigsten 
Kurs an. Eine andere Art des Verfahrens besteht 
in der Ermittlung eines Durchschnittskurses, der 
am Schluß der Börse von den Maklern unter 
Zugrundelegung aller abgeschlossenen Geschäfte 
gefunden wird. Eine dritte Art, das Auktions= 
verfahren, besteht darin, daß der Preis, der notiert 
werden soll, bekannt gegeben wird, worauf die In- 
teressenten erklären, daß sie zu einem höheren oder 
niedrigeren Preis zu geben oder zu nehmen bereit 
sind. Der letzte Preis, auf den man sich einigt, 
ist der Auktionspreis. Von besonderer Bedeutung 
ist der sog. Einheitskurs, der besonders an 
der Berliner Börse besteht. Die Makler nehmen 
Verkaufs= und Kaufsordres entgegen und setzen 
Börse. 
  
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zu genau bestimmter Zeit auf Grund derselben 
einen vorläufigen Kurs fest. Dieser Kurs sollte 
so beschaffen sein, daß alle „bestens“ gegebenen 
Aufträge, ferner alle höher als der Kurs limitier- 
ten Kaufs= und alle unter dem Kurs gestellten 
Verkaufsangebote ganz zum Zuge kommen können 
und die zum Kurs gegebenen Aufträge wenigstens 
teilweise Befriedigung finden. Zu dem so gefun- 
denen Kurs werden alle Ordres, welche den be- 
zeichneten Bedingungen entsprechen, definitiv aus- 
geführt. Dieser Kurs ist der einzige, der notiert 
wird. Der offizielle Kurs wird alsbald im offi- 
ziellen Kurszettel bekannt gegeben. Der Kurs 
wird regelmäßig nicht in dem absoluten Preis 
für das Papier ausgedrückt, sondern auf Hundert 
des Normalbetrags bezogen dargestellt. Ein Pa- 
pier zum Nominalwert von 1000 M kostet bei- 
spielsweise bei einem Kursstand von 125 den Be- 
trag von 1250 M, zum Kurs von 80 dagegen 
nur 800 M. Fällt der Kurswert eines Papiers 
mit dem Nominalwert zusammen, so steht es al 
pari. Im ersteren Fall steht es über, im zweiten 
Fall unter pari. Im ersteren Fall muß also ein 
Zuschlag (Agio) bezahlt werden, im letzteren Fall 
wird ein Abzug (Disagio) gemacht. Zum Ver- 
ständnis einer Kursnotiz ist folgendes wichtig: 
Die Bemerkung G. — Geld bedeutet, daß dieser 
Preis von Käufern geboten, die Bemerkung B.— 
Brief oder P. — Papier dagegen, daß der be- 
zeichnete Preis gefordert wurde. Werden alle Auf- 
träge erfüllt, so wird dem Kurs b. = bezahlt bei- 
gefügt, sofern dieser Zusatz sich nicht von selbst 
versteht. Wenn nur Käufer bieten, wird G., wenn 
nur Verkäufer anbieten, B. oder P. dem Kurs bei- 
gesetzt. Bleibt ein Teil der Käufer unbefriedigt, so 
wird die Notiz bez. und G., bleibt ein Teil der 
Verkäufer unbefriedigt, so wird bez. und B. (P.) 
notiert. Im einzelnen bestehen an verschiedenen 
Börsen bezüglich der Notierung abweichende Ge- 
bräuche. - 
Zu bemerken ist, daß der amtlich festgestellte 
Kurs die tatsächliche Marktlage nach dem Maß 
des Angebots und der Nachfrage darstellen soll; 
für die richtige Beurteilung des Kurses wäre aber 
außer der Kursnotiz auch die Angabe der Menge 
notwendig, welche umgesetzt wurde. Diese Angabe 
wird bei uns nicht gemacht. 
VII. Abwicklung des Termingeschafts. Alle 
per Ultimo geschlossenen Geschäfte werden zu einem 
einheitlichen Kurs, dem Liquidationskurs, abge- 
wickelt. Die Erfüllung selbst erfolgt in einem 
fein ausgebildeten Kompensationsverfahren, um 
alle unnötigen Transaktionen zu vermeiden. 
Für die Erleichterung dieser Ultimoregulierung 
bestehen an verschiedenen Börsen eigene Einrich- 
tungen, so der Liquidationsverein in Berlin, das 
Kollektivskontro in Frankfurt a. M. und Mün- 
chen usw. Ein Spekulant, dessen Erwartungen bis 
zu einer bestimmten Zeit nicht eingetreten sind, 
kann sich durch Bezahlung der Prämie bei Prä- 
miengeschäften freimachen. Will er aber, weil er
	        
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