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Interesse beteiligter Mittelspersonen, die Erfahrung
dieser Leute und die Unerfahrenheit der außer der
Börse stehenden und an derselben interessierten
Personen, damit im Zusammenhang die Macht
der genannten Mittelspersonen, der Anreiz für
dieselben, bestehend in der Möglichkeit, auf mühe-
lose Weise Gewinn zu machen, überhaupt der in
der Natur des Menschen liegende Egoismus, all
das sind Momente, welche die Gefahr eines Ex-
zesses in sich schließen und tatsächliche Ubelstände
begreiflich erscheinen lassen. Hieraus erklären sich
alle Mißbräuche, welche man gemeiniglich als
Börsenschwindel bezeichnet: Täuschung des Publi-
kums, Verbreitung sensationeller politischer Ge-
rüchte, Empfehlung unsolider Werte durch unge-
messene Anpreisung, falsche Informierung oder gar
Bestechung der Presse, Abschluß von Schein-
geschäften oder auch wirklichen Geschäften, um
weniger urteilsfähige Leute zur Nachahmung an-
zuspornen. Den Höhepunkt dieser Manipulationen
bildet die sog. Schwänze (Corner). Dabei werden
alle Stücke eines Papiers aufgekauft, um der Baisse-
partei die Möglichkeit zu benehmen, bis zum Stich-
tage die nötigen Effekten zu beschaffen. Nimmt
das Börsenspiel größeren Umfang an, erstreckt sich
dasselbe nicht auf einzelne Werte, sondern wird
allgemein die Spekulation zur Uberspekulation
angespornt, so tritt meist eine Spekulationskrisis
ein, welche einen jähen Kurssturz herbeiführt, der
naturgemäß von den schlimmsten Folgen für die
Gesamtheit begleitet ist.
Trotz der Möglichkeit all dieser Formen von
Mißbräuchen, welche bereits eingerissen waren und
auch wiederkehren können, darf man an der Not-
wendigkeit und Nützlichkeit des Börsenverkehrs
nicht zweifeln. Für den einzelnen ergibt sich aber
die Mahnung, gegenüber der Börse nicht blindes
Vertrauen, sondern weise Vorsicht walten zu lassen;
für die Gesetzgebung und die Börse selbst ergibt
sich die Aufgabe, alle Mittel anzuwenden, um die
bezeichnete Gefahr auf ein Minimum zu redu-
zieren, wenn es nicht gelingen sollte, dieselbe aus-
zuschließen.
X. Börsenrecht. Die rechtliche Reglung des
Börsenverkehrs erfolgte in der älteren Zeit vor-
wiegend auf dem Weg der Autonomie und des
Gewohnheitsrechts. Für die Weiterbildung ist
die Rechtsprechung der Handelsgerichte von großer
Bedeutung geworden. Auswüchse des Börsenver-
kehrs veranlaßten schon frühzeitig einzelne Erlasse,
welche ohne tiefere Erfassung des Wesens der Börse
lediglich im Hinblick auf beklagenswerte Folgen
durch Verbote gegen die Börse ankämpften. Das
Allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch verzichtete
auf eine einheitliche Reglung des Börsenrechts,
überließ vielmehr die Ordnung desselben dem
Landesrecht. Die Landesgesetzgebungen trafen ent-
weder in den Einführungsgesetzen Bestimmungen
über die Börse (Preußen, Württemberg) oder
unterwarfen die Börsen dem allgemeinen Vereins-
und Versammlungsrecht (Bayern, Baden, Sach-
Börse.
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sen); anderwärts, wie in Hamburg, unterstanden
die Börsen der Aufsicht der Handelskammern.
Die von Reichs wegen erlassenen Börsensteuergesetze
der Jahre 1881 und 1885 befaßten sich neben
der Besteuerung auch mit sonstigen börsenrecht-
lichen Fragen.
Den Anlaß zur reichsgesetzlichen Reglung des
Börsenrechts, also zum Börsengesetz vom 22. Juni
1896, gaben die bereits erwähnten Vorgänge.
Zu diesem Gesetz trat die Novelle vom 8. Mai 1908.
Schon vorher hatte das Börsengesetz von 1896
durch das Einführungsgesetz zum Handelsgesetz-
buch vom 10. Mai 1897 eine Anderung erfahren;
der Abschnitt über das Kommissionsgeschäft
(§§ 70/74) war beseitigt und die Reglung des-
selben richtiger durch das H. G.B. (8§ 383 ff) über-
nommen worden. Außerdem hatte man einige
Bestimmungen über Kursmakler usw. durch neue
Vorschriften ersetzt und ergänzt, zum Teil mit Rück-
sicht auf das neue bürgerliche Recht.
Das neue, vom 8. Mai 1908 datierte und am
1. Juni 1908 in Kraft getretene Gesetz hat einen
langen Werdegang gehabt. Schon als das nun-
mehr abgeänderte Gesetz vom Jahr 1896 in Kraft
trat, haben sich die eigentlichen Börsenkreise dagegen
gesträubt, die Bedingungen zu erfüllen, an deren
Innehaltung der Gesetzgeber die unbedingte Gültig-
keit des Termingeschäfts in Wertpapieren geknüpft
hatte. Die Grundlage für die zivilrechtlichen Vor-
chriften des Gesetzes bezüglich des Terminhandels
bildete die Eintragung in das Börsenregister;
durch diese sollte die Absicht, Börsentermingeschäfte
gültig abzuschließen, ausdrücklich kundgegeben
werden. Ehedem schon war von unglücklichen
Spekulanten der Einwand erhoben worden, daß
es sich nicht um ein ernstliches Kauf= bzw. Ver-
kaufsgeschäft, sondern nur um ein nach dem B. G. B.
(§764) klagloses Spiel gehandelt habe. Gegen
diesen Einwand des Differenzgeschäfts (Diffe-
renzeinwand) würde sich nun die Bankwelt
usw. seit dem Inkrafttreten des Börsengesetzes
haben schützen können, wenn sie guten Willens
gewesen wäre. Daß dies nicht der Fall war, hat
freilich den Spekulanten die Mittel an die Hand
gegeben, ihre durch Mißerfolge entstandenen
Schulden leicht abzuschütteln; sogar unglückliche
Bankiers haben den Differenzeinwand erhoben.
Allein, im Grund genommen ist doch die Klage
der also Geschädigten über Untergraben von Treu
und Glauben als Folge des Börsengesetzes un-
berechtigt gewesen. Dieses sagte (in § 66) freilich,
ein Börsentermingeschäft könne rechtsgültig nur
zwischen solchen Personen abgeschlossen werden,
welche in das Börsenregister eingetragen seien.
Aber auch ohne eine solche Bestimmung ist der
Differenzeinwand nach B.G.BB. möglich. Das
Börsengesetz bot aber doch auch anderseits gerade
durch die Bestimmungen über das Börsenregister
(8§ 54 ff) eine besondere Handhabe, die Er-
hebung jenes Einwands zu verhindern — aller-
dings eine vom Gesetzgeber gewünschte Handhabe
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