Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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Bundesratsbeschluß vom 2. Juli 1885 von der 
Thronfolge in Braunschweig ausgeschlossen. Auch 
die Kandidatur des Herzogs von Cambridge, der 
am 14. Nov. 1884 und 23. März 1885 seine 
Ansprüche auf die Regentschaft geltend gemacht 
hatte, und zwar unter Beibehaltung seiner Eigen- 
schaft als englischer Staatsbürger und General, 
war ebendeshalb von vornherein aussichtslos. Nach 
den Bestimmungen des Gesetzes vom 16. Febr. 
1879 wählte nun der Landtag am 21. Okt. 1885 
einstimmig zum Regenten den Prinzen Albrecht 
von Preußen (geb. 8. Mai 1837); dieser über- 
nahm am 2. Nov. die Regierung und schloß am 
18. März 1886 mit Preußen eine Militärkon- 
vention ab. Der Herzog von Cumberland erhielt 
laut testamentarischer Bestimmung des Herzogs 
Wilhelm die Schlösserin Braunschweig und Hietzing 
bei Wien nebst dem gesamten Barvermögen; Si- 
byllenort und die Allodialbesitzungen in Schlesien 
erbte der König von Sachsen, während das Kron- 
lehen Ols an Preußen zurückfiel. Beim Tod des 
Prinzen Albrecht (13. Sept. 1906) wünschte das 
Land eine endgültige Reglung der Thronfrage. 
Die Reichsregierung und Preußen wiesen aber 
auf den Bundesratsbeschluß vom 2. Juli 1885 
hin und gingen auf den Vorschlag des Herzogs 
von Cumberland, seinen jüngeren Sohn, der auf 
alle hannoverischen Ansprüche verzichten sollte, den 
braunschweigischen Thron zu geben, nicht ein. Am 
28. Mai 1907 wurde vom Landtag einstimmig 
Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg (geb. 
8. Dez. 1857) zum Regenten gewählt; am 
5. Juni 1907 trat er die Regierung an. — Die 
Rechtsfrage steht heute so, daß der Herzog Ernst 
August als thronberechtigter Erbe anerkannt, zur 
Zeit aber an der Ausübung seines Rechts ge- 
hindert ist. Würde es möglich sein, zwischen 
Preußen und dem Herzog Frieden zu schließen, 
so würde dieser sofort den Thron besteigen. 
Fläche, Bevölkerung, Erwerbs- 
zweige. Braunschweig besteht aus 3 getrennten 
Hauptteilen: dem Fürstentum Wolfenbüttel, dem 
Harz= und Weserdistrikt und dem Fürstentum 
Blankenburg, nebst 5 Enklaven, und hat einen 
Flächeninhalt von 3672,1 qkm mit (1905) 
485 958 Einwohnern, 132,3 (1871: 84,5) auf 
1 qdkm. Die Volkszahl, die 1816: 226.000, 
1855:.270.000 Seelen betrug, ist von 1816/55 
jährlich um 0,50, von 1855/1905 um 1,19 Pro- 
zent gestiegen. — Dem Bekenntnis nach waren 
1905: 455 680 Protestanten, 26 375 Katholiken, 
1815 Juden; auf 1000 Einwohner kamen 937.7 
(1871: 971,9) Protestanten, 54,3 (1871: 22,5) 
Katholiken, 3,.7 (1871: 3,8) Juden. — Nach der 
Berufszählung von 1895 gehörten an: 125 411 
(1882: 120 062) der Landwirtschaft, 197 695 
(146 616) der Industrie und dem Bauwesen, 
52641 (38 467) dem Handel und Verkehr, 
24 897 (18071) dem öffentlichen Dienst und 
freien Berufen; 4675 (4443) verrichteten wech- 
selnde Lohnarbeit und häusliche Dienste, 30 412 
Staatslexikon. I. 3. Aufl. 
  
Braunschweig. 
  
1026 
(22102) waren ohne Beruf und Berufsangabe. 
— Die Bevölkerung verteilt sich auf 444 Land- 
und 13 Stadtgemeinden. — Von der Gesamtfläche 
entfallen auf Acker= und Gartenland 51,7, auf 
Wiesen 9,6, auf Weiden 2,4 und auf Wald 30,1 
Prozent. Der Großgrundbesitz ist gering; das 
Ackerland befindet sich zu /8 in bäuerlichen Hän- 
den. Die Viehzucht ist bedeutend. — Der Berg- 
bau steht besonders im Harz in Blüte, auf dem 
sog. Kommunion-Harz wird er gemeinsam mit 
Preußen betrieben. Es werden namentlich ge- 
wonnen Braunkohle, Asphalt, Eisenerze, Kalisalze, 
Kochsalz, Chlornatrium, ferner Kupfer und Silber. 
Bedeutend sind auch die Steinbrüche. Die In- 
dustrie ist vertreten durch Rübenzuckerindustrie, 
Bierbrauerei, Brennerei, Weberei, Maschinenbau, 
Tabakfabrikation, Konservenindustrie usw. Den 
regen Verkehr fördern (1907): 636,8 km Haupt- 
und Nebenbahnen, die Staatsbahnen (1907: 
441,6 km) gingen 1873 in Privatbesitz über und 
wurden 1884 von der preußischen Regierung 
käuflich erworben; die Zahlung des Kaufgeldes 
erfolgt bis 1934 in Annuitäten von 2625 000 M 
an die braunschweigische Regierung. Das Land 
besitzt eine Handelskammer (24 Mitglieder) und 
eine Handwerkskammer (40 ordentliche Mitglieder, 
dazu 8 durch Selbstergänzung Gewählte). Die 
landwirtschaftlichen Interessen vertritt der Land- 
wirtschaftliche Zentralverein des Herzogtums 
Braunschweig. Die Braunschweigische Bank hat 
sich 1906 mit der Braunschweigischen Kredit- 
anstalt fusioniert und infolgedessen auf das Recht 
der Notenausgabe verzichtet. 
3. Verfassung und Verwaltung. Die 
Staatsform des Herzogtums ist die konstitutionelle 
Monarchie nach dem Landesgrundgesetz vom 
12. Okt. 1832, das mehrfach abgeändert wurde. 
Der Thron ist erblich nach der Linealerbfolge und 
dem Recht der Erstgeburt im Mannesstamm; er- 
lischt dieser, so geht die Regierung auf die weib- 
liche Linie über. Der Herzog wird mit dem 
18. Jahre volljährig, bekennt sich zur lutherischen 
Kirche und führt den Titel Herzog zu Braun- 
schweig-Lüneburg mit dem Prädikat Hoheit (Haus- 
gesetz vom 24. Okt. 1881). — Das einfache 
Wapper zeigt ein springendes silbernes Pferd 
in rotem Feld, das alte Zeichen Niedersachsens. 
Die Landesfarben sind Blau--Gelb. Orden: 
Hausorden Heinrichs des Löwen, seit 1834: 
4, seit 1877 5 Klassen, dazu noch 2 Klassen 
Verdienstkreuze. 
Die Landesversammlung besteht aus 
48 auf 4 Jahre gewählten Abgeordneten, und 
zwar 15 der Städte, 15 der Landgemeinden, 
18 der Berufsstände, nämlich 2 der evangelischen 
Geistlichkeit, 4 der Großgrundbesitzer, 3 der Ge- 
werbetreibenden, 4 der wissenschaftlichen Berufs- 
stände, 5 der Höchstbesteuerten (Gesetz vom 8. Mai 
1899). Zur Ausübung des Wahlrechts sind 25 
Lebensjahre erforderlich; wählbar ist jeder unbe- 
scholtene Landeseinwohner, der das 30. Lebens- 
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