Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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Bremen, freie Hansestadt, Bundesstaat des 
Deutschen Reichs. 
1. Geschichte. Bremen wurde 788 von Karl 
d. Gr. zum Sitz eines Bischofs bestimmt. Aber erst 
durch Ansgar, den Apostel des Nordens, welcher 
849 nach der Zerstörung Hamburgs nach Bremen 
übersiedelte, erlangte der Ort eine höhere Bedeu- 
tung als Ausgangspunkt der nordischen Missionen. 
Anfänglich von Königsvögten verwaltet, kam die 
Stadt 967 unter die Herrschaft des Erzbischofs 
von Hamburg-Bremen, und die Bürgerschaft 
wählte zum erstenmal ihren Magistrat selbst. Die 
Vogtei wurde 1088 den Grafen von Suplin- 
burg übertragen und blieb bis 1219 bei den 
Welfen. Die Immunitäten des Bischofssitzes 
kamen auch der Bürgerschaft sehr zu statten. Im 
11., 12. und 13. Jahrh. gewann die Stadt zahl- 
reiche Freiheiten und Vorrechte: so verlieh ihr 
Heinrich V. 1111 Befreiung von auswärtigem 
Gericht mit dem Recht, ein Rolandsbild auf- 
zustellen; 1238 genehmigte König Heinrich die 
Aufhebung aller Zölle, die nicht das Recht des 
Alters für sich hatten usw. Der Handel mit den 
Küstenländern der Nord= und Ostsee nahm bald 
einen mächtigen Aufschwung: Verträge wurden 
abgeschlossen, Privilegien, besonders in Norwegen, 
Flandern und England erworben, Kolonien (1158 
Riga) und Faktoreien gegründet. Frühzeitig schloß 
sich Bremen der Hansa an und befestigte 1284 
sein Bündnis mit Lübeck und dessen Genossinnen. 
Mit dem steigenden Wohlstand wuchs auch der 
Unabhängigkeitssinn der Bürger, und sie suchten 
sich allmählich der Obergewalt der Erzbischöfe zu 
entziehen, die seit 1223 endgültig ihren Sitz von 
Hamburg nach Bremen übertragen hatten. Im 
Jahr 1289 schlossen sie mit dem Erzbischof Gisel- 
bert einen Vertrag, demzufolge dieser nur das 
geistige Regiment führen, die weltliche Herrschaft 
aber dem Rat zustehen sollte. Zugleich begannen 
aber auch die innern Kämpfe zwischen Rat und 
Bürgerschaft, welche die Stadt in ihrer Entwick- 
lung störten und ihr eine mehrmalige Ausschließung 
aus der Hansa und des Reichs Acht und Aberacht 
zuzogen; erst 1433 kam zwischen den beiden strei- 
tenden Parteien ein Vergleich, die „Eintracht", 
auch „Tafel“ oder „Buch“ genannt, zustande. 
Trotz aller Selbständigkeit der Bürgerschaft galt 
jedoch die Stadt immer noch für bischöflich und 
erlangte erst 1640 durch Ferdinand III. die 
Reichsunmittelbarkeit. 
Die Reformation fand schon 1522 durch die 
Prädikanten Heinrich von Zütphen, Jakob Probst 
und Johann Timann in Bremen Verbreitung. 
Die damit im Zusammenhang stehenden Un- 
ruhen beendete 1534 der „neue Vergleich“, der 
das Regiment dem Rat anheimgab, welcher nach 
freiem Ermessen die Angesehensten und Wohl- 
habendsten aus der Bürgerschaft zur Mitberatung 
einlud. Nach schweren Kämpfen (1561/81) er- 
hielt die calvinistische Lehre die Oberhand, und bis 
1806 bestand der Rat ausschließlich aus Refor- 
  
Bremen. 
  
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mierten. Die Lutherischen wurden in der Stadt 
kaum noch geduldet und sahen sich auf den Schutz 
der Erzbischöfe angewiesen, deren Herrschaft mit 
dem Westfälischen Frieden aber auch zu Ende 
ging. Dieser bestätigte im Namen des Kaisers die 
Freiheiten und Gerechtsame der Stadt in geist- 
lichen und weltlichen Dingen samt ihrer völligen 
Reichsunmittelbarkeit. Auch gegen Schweden, das 
1648 das Erzstift Bremen erhalten hatte, mußte 
die Stadt in langen, schweren Kämpfen ihre Selb- 
ständigkeit behaupten; das Ende des Nordischen 
Kriegs befreite sie endlich 1721 von diesem lästigen 
Nachbar. Schwedens Ansprüche vererbten sich auf 
Hannover; erst König Georg II. von England, 
der Kurfürst von Hannover, sprach Bremen 1741 
das Recht zu, als freie Stadt aufzutreten. Ihr 
Gebiet wurde allerdings dabei noch weiter be- 
schränkt: außer dem Hafen von Vegesack blieben 
ihr nur wenige Dörfer. 
Der Reichsdeputationshauptschluß befreite die 
Stadt 1803 von dem Recht der Oberherrlichkeit, 
welches der Kurfürst von Hannover immer noch 
über einige Gebiete innerhalb ihres Weichbilds 
(so über den um 1050 erbauten Dom, das Gym- 
nasium und 200 Häuser) ausübte, und stellte ihr 
Gebiet im Umfang von 1741 wieder her. 1806 
mußte sie dem Rheinbund beitreten; 1810 machte 
Napoleon die Stadt zur Hauptstadt des Departe- 
ments der Wesermündungen und gab ihr den Titel 
Bonne ville de I’empire. Unter der Kontinen- 
talsperre und dem Aussaugsystem der französischen 
Gouverneure hatte Bremen aufs schwerste zu lei- 
den: am 6. Nov. 1813 erfolgte endlich die Wie- 
derherstellung der Verfassung und 1815 die Auf- 
nahme als freie Hansestadt in den Deutschen 
Bund. Es begann wieder eine Reihe von innern 
Kämpfen, aber auch zugleich die Periode des po- 
litischen und merkantilen Aufblühens der Stadt, 
das sie vorzugsweise dem Wirken ihres scharf- 
blickenden Bürgermeisters Johann Smidt zu 
danken hatte. 
Schon am 22. Febr. 1816 bewilligte der Rat 
aus freien Stücken der Bürgerschaft eine geregelte 
Teilnahme an der Wahl des Rats an Stelle der 
Kooptation. 1821 erfolgte endlich die Ablösung 
des Elsflether Weserzolls, dessen Errichtung Kaiser 
Ferdinand III. den Grafen von Oldenburg zu- 
gestanden hatte; 1827 erwarb die Stadt ein Stück 
Land nördlich von der Mündung der Geeste und 
legte „Bremerhaven“ als Hafen für große, tief- 
gehende Schiffe an. Das Jahr 1848 führte eine 
einschneidende Verfassungsänderung herbei, die am 
18. April 1849 publiziert wurde. Der Senat 
beseitigte jedoch unter dem Beifall und Schutz des 
Deutschen Bundes bald wieder einen Teil der 
neuen Errungenschaften, und am 21. Febr. 1854 
erfolgte die Proklamation der revidierten Verfas- 
sung, die seitdem allerdings manche Abänderungen 
erfahren hat. 
Das Jahr 1866 fand Bremen auf Preußens 
Seite; 1870/71 nahmen seine Truppen ruhm-
	        
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