1033
vollen Anteil am Krieg gegen Frankreich, und
die Stadt schloß sich bereitwillig als freie Hanse-
stadt dem neuen Deutschen Reich an.
Nach Art. 34 der Reichsverfassung blieb Bremen
nebst dem weitaus größten Teil seines Gebiets
als Freihafen außerhalb der gemeinsamen Zoll-
grenze, bis es seinen Einschluß in dieselbe selbst
beantragen würde. Nachdem schon durch Gesetz
vom 5. Nov. 1875 die Stadt Vegesack und einige
andere Gebietsteile in den Zollverein ausgenom-
men worden waren, beantragte Bremen in der
Bundesratssitzung vom 5. Aug. 1884 den Zoll-
anschluß. Der Reichstag genehmigte am 3. März
1885 einen Gesetzentwurf über einen Reichsbeitrag
von 12 Mill. M zu den Kosten des Anschlusses,
und es begann der Bau der zur Durchführung
des Plans erforderlichen Hafenanlagen. Der Zoll-
anschluß selbst erfolgte am 25. Okt. 1888 und
umfaßt die Unterweser und das Bremer Staats-
gebiet mit Ausnahme des Freihafengebiets Bremer-
haven (0,95 qkm). Zur Erweiterung der Hafen-
anlagen in Bremerhaven erhielt Bremen 1905 von
Preußen 597 ha preußisches Gebiet und gab dafür
595 ha anderes Gebiet an Preußen ab.
2. Fläche, Bevölkerung, Erwerbsver-
hältnisse. Das Areal des Freistaats besteht
aus drei getrennt liegenden Teilen: Bremen nebst
Landgebiet zu beiden Seiten der Weser, Vegesack
15 km und Bremerhaven 64 km unterhalb der
Stadt, und beträgt 256,4 qkm (einschließlich
Weserbett 477,89 ha) mit (1907) 272777 Ein-
wohnern, 1063,8 (1871: 476,8) auf 1 qkm.
Die Volkszahl, die 1816: 50 000, 1855: 89000,
1900: 224 882 Seelen betrug, ist von 1816/55
um 1,48, von 1856/1905 um 2,2, von 1900/05
um 3,1% jährlich gestiegen. Dem Bekenntnis
nach waren 1905:.240 041 Protestanten, 19 124
Katholiken, 1334 andere Christen, 1432 Juden;
auf 1000 Einwohner kamen 911,2 (1871:
964,9) Protestanten, 72,6 (1871: 29) Katho-
liken, 5,4 (1871: 4) Juden. — Nach der Volks-
zählung von 1905 widmeten sich: 9595 (1882:
12 084) der Landwirtschaft, 110 535 (75 935) der
Industrie und dem Bauwesen, 84 843 (47 114)
dem Handel und Verkehr, 24 981 (11 478) dem
öffentlichen Dienst und freien Berufen; 6746
(2968) verrichteten wechselnde Lohnarbeit und
häusliche Dienste, 22 733 (10 637) waren ohne
Beruf und Berufsangabe. Die Bevölkerung ver-
teilte sich auf 15 Landgemeinden (mit 10 Kirch-
dörfern) und 3 Stadtgemeinden: Bremen mit
(1907) 221 353 (1905: 214 861), Bremerhaven
mit 24 816 (23 991) und Vegesack mit 4439
Einwohnern. — Der fette Boden der Marschen
ist zur Viehzucht besonders geeignet.
Bremen ist die zweite Hafenstadt des Deutschen
Reichs mit bedeutender Reederei und großartigem
Handel, der hauptsächlich den Verkehr des Innern
von Deutschland mit den Vereinigten Staaten
von Amerika vermittelt. Es ist Hauptstapelplatz
für den Handel mit amerikanischem Tabak, Reis,
Bremen.
1034
Farbholz, Häuten usw.; erster deutscher Markt für
Rohbaumwolle und neben Antwerpen und Ham-
burg der bedeutendste Importhafen für Petroleum
und Schafwolle in Europa. Der Export wird
meist durch Kommissionsgeschäfte betrieben; „ober-
ländische“ Häuser sind Geschäfte, die den Handel
ins Inland vermitteln. — Hervorragende Bedeu-
tung hat Bremen als Auswandererhafen. Die
Handels= und Schiffahrtsinteressen fördern eine
Reichsbankhauptstelle, die Bremer Bank (seit 1856),
die Bremer Gewerbebank, die Bremer Hypotheken-
bank u. a., mehrere Schiffahrtsgesellschaften, unter
denen der Norddeutsche Lloyd (seit 1857) die erste
Stelle einnimmt, Versicherungsgesellschaften gegen
, die Gesellschaft für Rettung Schiff-
usw. Die Eisenbahnen (500 km) sind
am 1. April 1888 in den Besitz des
Staates übergegangen. Die Industrie
dem Handel keinen Vergleich aus; von
sind der Schiffsbau, die Maschinen-
industrie, Petroleumraffinerie, die Zigarren-
fabrikation, Silberwarenindustrie, Brauerei, Reis-
mühlen usw.
3. Verfassung und Verwaltung. Die
Regierungsform Bremens ist republikanisch und
beruht auf der Verfassung vom 21. Febr. 1854
bzw. 1. Jan. 1894 und den Ausführungsgesetzen
vom 10. Nov. und 30. Nov. 1899 und 12. Dez.
1901. Danach hat der Senat als „Regierung
des Bremischen Staates“ die vollziehende und im
Verein mit der Bürgerschaft die gesetzgebende
Gewalt. Der Senat besteht aus 16 von der
Bürgerschaft indirekt auf Lebenszeit gewählten
Mitgliedern, von denen wenigstens 10 Rechts-
gelehrte und 3 Kaufleute sein müssen. Die Bürger-
schaft wählt den Senator aus 3 Kandidaten, über
welche sich je 5 Deputierte des Senats und der
Bürgerschaft vorher geeinigt haben und die als-
dann vom Senat zur Wahl präsentiert werden.
Wählbar ist jeder 30 Jahre alte Bürger, der sich
im Vollgenuß der staatsbürgerlichen Rechte be-
findet. An der Spitze des Senats stehen 2 von
ihm aus seiner Mitte auf 4 Jahre erwählte Bürger-
meister, die nicht sofort wieder wählbar sind; einer
derselben ist in jährlichem Wechsel Präsident des
Senats und Leiter der Regierungsgeschäfte.
Die Bürgerschaft besteht aus 150 Mit-
gliedern, von denen 14 Vertreter des Gelehrten-
stands, 40 des Kaufmannskonvents, 20 des Ge-
werbekonvents, 48 der übrigen Staatsbürger in
der Stadt Bremen, 12 Vertreter der beiden andern
Städte und 16 der Landbezirke sind; die Wahl
erfolgt direkt auf 6 Jahre, alle 3 Jahre scheidet
die Hälfte aus. Zum Wahlrecht sowie zur Wähl-
barkeit für die Bürgerschaft sind 25 Lebensjahre
erforderlich. Die Bürgerschaft wählt aus ihrer
Mitte den Präsidenten und einen Ausschuß, das
Bürgeramt, welches aus dem Geschäftsvor-
stand und 18 Mitgliedern besteht. Dieses hat
fortwährend über Aufrechterhaltung der Ver-
fassung, der Gesetze und Staatseinrichtungen zu