Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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Religionsgemeinschaft anzugehören. Es herrscht 
Glaubens= und Gewissensfreiheit. Vorschriften 
über den Austritt aus der Kirche und Religions- 
wechsel fehlen. 
In der evangelischen Kirche ist das Kir- 
chenregiment des Senats die Einheit in der evan- 
gelischen Kirche im Bremischen Staat. Im übrigen 
gibt es nur einzelne Gemeinden, keine Organi- 
sation der Landeskirche. Für die Verfassung der 
kirchlichen Gemeinden gilt die vom Senat nach An- 
hörung von Gemeindevertretern erlassene kirchliche 
Gemeindeordnung für das Landgebietvom 18. Jan. 
1889. Die Verfassungen der Kirchengemeinden der 
Stadt Bremen, von Bremerhaven und Vegesack 
sind ohne einheitliche Rechtsgrundlage, wenn auch 
im wesentlichen übereinstimmend, beschlossen durch 
die Gemeindeorgane, bestätigt vom Senat. Die 
Prediger werden von den Gemeinden gewählt und 
vom Senat bestätigt. In Stadt Bremen sind 
14 Kirchengemeinden, St Petri Dom gilt als 
lutherisch, 6 Gemeinden als reformiert, die übrigen 
als evangelisch. Bremerhaven hat eine vereinigte 
ebangelische, eine lutherische und eine Methodisten- 
gemeinde, Vegesack eine vereinigte evangelische 
Gemeinde, das Landgebiet zerfällt in 10 
Kirchengemeinden, davon 8 reformierte, 1 unierte, 
1 lutherische. 
Die katholische Kirche war im ehemaligen 
Erzstift seit der Reformation allmählich ganz er- 
loschen. Die einzelnen Sprengel wurden unter 
verschiedene Diözesen verteilt; die Stadt Bremen 
selbst und ihr Gebiet verblieb dem Apostolischen 
Vikariat der Nordischen Missionen und steht unter 
der Jurisdiktion des Bischofs von Osnabrück als 
Provikars. Die Katholiken besitzen die Johannes- 
kirche inmitten der Stadt Bremen, eine neue Ma- 
rienkirche in der westlichen Vorstadt, in Bremer- 
haven eine Kirche, eine Raphaelskapelle (für Aus- 
wanderer) und eine Krankenhauskapelle. 
Die Juden, welche erst seit 1848 in Bremen 
wohnen dürfen, bilden eine Gemeinde. 
Diegesamte Aufsicht und Leitung des Bildungs- 
wesens liegt der Kommission für Unterrichts- 
angelegenheiten, dem Scholarchat, ob. Der Volks- 
schulunterricht ist seit 1844 obligatorisch für Kinder 
von 6 bis 14 Jahren. 
Literatur. Duntze, Gesch. der freien Stadt 
B. (4 Bde, 1845/51); Wiedemann, Gesch. des Her- 
zogtums B. (2 Bde, 1866); Brem. Jahrbuch 
(1863 ff, historisch); v. Bippen, Gesch. der Stadt 
B. (3 Bde, 1892/1905); Ehmck u. v. Bippen, Brem. 
Urkundenbuch (5 Bde, 1873/95); Buchenau, Die 
freie Hansestadt B. u. ihr Gebiet (31900); B. 
u. seine Bauten (I, 1900); Donandt, Versuch einer 
Gesch. des Bremer Stadtrechts (2 Bde, 1830); 
Binding, Verfassungsurkunden für die freien u. 
Hansestädte Lübeck, B. u. Hamburg (1897); Boll- 
mann, Brem. Staats= u. Verwaltungsrecht (1904); 
ders., Verf. u. Verwaltungsorganis. der Hansestädte 
(1907). — Dehio, Gesch. des Erzbist. Hamburg-B. 
(2 Bde, 1877). — Jahrb. f. bremische Statistik (seit 
1868, jährl.); Staatshandb. der freien Hansestadt B. 
(seit 1870, jährl.). [Ed. Franz, rev. Sacher.) 
Breve — Briefgeheimnis. 
  
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Breve s. Kurie. 
Briefgeheimnis bezeichnet die jedem 
Staatsangehörigen durch die Verfassung gegebene 
Garantie, seine Gedanken in schriftlicher Form 
andern Personen ungehemmt und unbeaufsichtigt 
zu übermitteln. Das Offnen und Unterdrücken 
fremder Briefe ist allen, nicht bloß den Beamten 
der Post, sondern auch jedem Dritten verboten. 
Das Briefgeheimnis beschränkt sich daher an sich 
nicht auf das Verbot, der Post anvertraute Briefe 
und Pakete zu öffnen, sondern umfaßt das all- 
gemeine Verbot, verschlossene Sendungen zu öffnen. 
Im engeren Sinn versteht man aber unter Brief- 
geheimnis nur die Verpflichtung der Post als Ver- 
kehrsanstalt, über die Postsendungen und den 
Depeschenverkehr keine Mitteilungen zu machen. 
Richtiger Ansicht nach ist Gegenstand des Brief- 
geheimnisses nur derjenige Inhalt der Postsen- 
dungen, von welchem die Postbeamten selbst nicht 
Kenntnis nehmen dürfen, so daß die Adressen der 
Postsendungen, die Postkarten und offenen Briefe 
sowie die Telegramme vom Briefgeheimnis aus- 
geschlossen sind. Postkarten mit beleidigendem oder 
sonst strafbarem Inhalt sind sogar durch die Post- 
beamten von der Beförderung zurückzuweisen. 
Deshalb ist jedoch ein der Kenntnisnahme der 
Post= und Telegraphenbeamten zugänglicher In- 
halt der Sendungen gegen unbefugte Mitteilungen 
an Dritte nicht ungeschützt, er ist durch das Amts- 
geheimnis gedeckt. Das Telegraphengeheimnis ist 
demgemäß nur Amtsgeheimnis. Das Amts- 
geheimnis verbietet aber die Mitteilung von auf 
den Brief= und Telegraphenverkehr bezüglichen 
Tatsachen nicht nur an Dritte, sondern auch an 
die Behörden, weshalb die Post= und Telegraphen= 
beamten von dessen Beobachtung durch ihre vor- 
gesetzte Behörde nicht entbunden werden können. 
Früheren Jahrhunderten war die verfassungs- 
mäßige Garantie des Briefgeheimnisses unbekannt. 
Obwohl die amtliche Offnung der Briefe zur 
Überwachung verdächtiger Personen und zur Er- 
forschung diplomatischer Geheimnisse in den letzten 
Jahrhunderten häufig vorkam, kannten diese nur 
einen strafrechtlichen Schutz des Briefgeheimnisses 
gegenüber Privaten. Erst das 19. Jahrh. sicherte 
dessen Unverletzlichkeit auch gegenüber den Be- 
hörden des Staats. 
Der Staat hat die Aufgabe, das Wesen des 
Menschen als solchen zur Verwirklichung zu 
bringen. Diese Verwirklichung ist nach der Natur 
des Menschen nur in der menschlichen Gemein- 
schaft möglich, weil nur in ihr der Mensch als ein 
geistiges, mit Vernunft und freiem Willen be- 
gabtes Wesen seine Individualität zu entwickeln 
und zur Geltung zu bringen vermag. Mit seinem 
ganzen geistigen Gehalt andern Menschen gegen- 
überzutreten, zur Ergänzung des eigenen Wesens 
deren Eigentümlichkeiten in sich aufzunehmen, ist 
eine sittliche Pflicht jedes einzelnen. Aus dieser 
in dem Wesen des Menschen begründeten Ent- 
wicklungspflicht folgt das Recht auf gegenseitige
	        
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