Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

1079 Carey. 1080 
setzenden Handels zu einer Ubermacht. Dasselbe diesen in das Meer führe. Auf die Dauer, be- 
tue auch die Volkswirtschaftslehre, wie sie derzeit hauptet Carey, sei das britische System wirtschaft- 
in England studiert werde und indirekt die öko= licher Zentralisation für England selbst von Nach- 
nomische Doktrin anderer, sonst politisch unab= teil, und damit griff Carey seinen Gegner, die ihm 
hängiger Länder beeinflusse. Anstatt Annäherung gegenüberstehende, hauptsächlich englische National- 
der Preise der Rohprodukte und Fabrikate — ökonomie, namentlich Ricardo und Malthus, an. 
nach Carey ein Zeichen der Zivilisation — habe Letztere stellten die in England sich zeigenden so- 
das britische System die Verhinderung dieser zialen Schattenseiten des Wirtschaftslebens zu ein- 
Annäherung im Auge. — Irland, Ost= und West= seitig als eine Folge der Volksvermehrung bzw. 
indien, die Türkei, anderseits das schutzzöllnerische der Vermehrung der Arbeitskräfte dar, die nach 
Frankreich, der Zollverein sind, abgesehen vom Ricardo schneller zunehme als das der Beschäfti- 
naheliegenden Amerika, Careys hauptsächlichste gung von Arbeitskräften gewidmete Kapital (Lohn- 
Beispiele. In kurzer Zeit habe England die in= fonds), daher den Lohn erniedrige und auf der 
dische Baumwollindustrie vernichtet, obwohl man Stufe des notdürftigen Lebensunterhalts erhalte 
dort den Rohstoff, die Baumwolle, zur Stelle habe. (ehernes Lohngeset). Demgegenüber hatte die 
Die Inder, die Baumwolle und Reis erzeugten, Heimat Careys, Amerika, von einer Übervölkerung 
konnten früher direkt mit ihren Nachbarn tauschen, noch wenig zu leiden, seine unausgebeuteten Schätze 
welche diese Produkte in Zeug umwandelten; jetzt lockten vielmehr zur Einwanderung, verlangten 
seien sie gezwungen, ihren Reis und ihre Wolle nach stets neuen Arbeitskräften, die gut bezahlt 
nach einem 15000 Meilen entfernten Ort zu wurden. Carey erklärt also, gegen das ungesunde 
schicken, auf einer langen schmalen Schiffbrücke, „britische System“, das schließlich zur Sklaverei 
wodurch die relative Arbeitssumme, die auf den der Arbeit führe, sei ein Schutz dringend erforder- 
Transport verwendet werde, bedeutend zugenom= lich. Zu einem einzigen großen Fabriks= und 
men. Die Wirtschaftsformel lautet nun nicht mehr Handelsetablissement geworden, sei England der 
Indien-Indien oder Jamaika-Jamaika, sondern schlimmsten aller Herrschaften, der eines sozialen 
Indien-England-Indien, Jamaika-England= Handelsdespotismus, verfallen. Die Arbeiter in 
Jamaika mit aller Arbeitsvergeudung, welche dann den Fabriken („Abzehrwerkstätten") seien schlecht 
entstehe, wenn der Ort der Umwandlung vom bezahlt, um der englischen Industrie auf dem 
Ort der Produktion entfernt ist. Die englisch= fremden Markt das Schlachtfeld der Konkurrenz 
wirtschaftliche Weltherrschaft bedrohe die Mannig= zu behaupten, und die englische Nationalökonomie 
faltigkeit in der Entwicklung aller Nationen. Durch sanktioniere als normal und allgemein volkswirt- 
seine beherrschende Zwischenhandelsstellung, durch schaftlich jene krankhaften Zustände, die nur aus 
sein Streben, dem beweglichen spekulativen Kapital dem Gewährenlassen der individuellen und natio- 
des Handels das Ubergewicht über das fixe Kapital nalen Selbstsucht erwachsen seien. 
zu geben und zu erhalten, störe England die wirt. Ganz besonders mußte Carey bei seinem ame- 
schaftliche Tätigkeit der ganzen Welt und sei an rikanischen Optimismus von einer grenzenlosen 
den großen Produktions-, Handels= und Kredit= Entwicklungsmöglichkeit die für Amerika freilich 
krisen schuld. Ja die englischen Kapitalisten unter= praktisch wenig bedeutende, für alte Länder aber 
zögen sich freiwillig ungeheuern Verlusten, um wichtige Malthussche Lehre als anfechtbar erschei- 
die auswärtige Konkurrenz zu vernichten (Grund= nen. Gewöhnt an eine große Wertschätzung der 
lagen Kap. 52). Arbeit, die Amerika weniger seiner (der englischen 
Mit der Macht des Handelsmannes wachse die ohnehin verwandten) Rechtsordnung als den tat- 
Zentralisation, die Carey nicht nur in wirt- sächlichen Verhältnissen verdankt, mußten Carey 
schaftlicher, sondern auch in politischer Hinsicht manche Sätze der Malthusschen Theorie 
verwirft. Die Handelszentralisation ziele auf fast als böslich erdacht erscheinen, um die höheren 
Vernichtung der lokalen Zentren und Benachteili= Klassen von der Schuld am sozialen Übel freizu- 
gung der Landwirtschaft; die natürliche Ordnung sprechen. Die Malthussche Lehre, entstanden in der 
verlange, daß der Produzent und Konsument Zeit des Sieges des Bürgertums über Adel und 
nebeneinander sich niederlassen. Je mehr dies der Geistlichkeit, angesichts der schon damals erho- 
Fall sei, um so billiger erfolge die Funktion des benen sozialistischen Forderungen der unteren 
Handels, die Verteilung und Zirkulation, um so Klassen (1798/1806), mißfiel durch ihre schroffe 
rationeller könne die Landwirtschaft betrieben wer-Form. Ein Mensch, der in einer schon besetzten 
den, der auf die Dauer die unersetzte Wegführung Welt geboren wird, hat, so heißt es da, wenn ihn 
wertvoller Bodenbestandteile schade. Wer in iri= seine Familie nicht ernährt oder die Gesellschaft 
scher Weise allmählich seinen Boden exportiert, von seiner Arbeit keinen Gebrauch machen kann, 
der wird damit endigen, sich selbst exportieren zu nicht das mindeste Recht auf irgend einen Teil 
müssen. Justus Liebig, mit dem Carey in leb= von Nahrung. Am Gastmahl der Natur ist für 
haftem Ideenaustausch gestanden, eiferte sehr gegen ihn nichtegedeckt; die Natur gebietet ihm, sich zu 
die Zentralisation, die zur Ausfuhr der Boden- entfernen, und ermangelt auch nicht, diesen Befehl 
produkte ohne Rückersatz, zur Verschwendung der selbst in Vollzug zu setzen. Der Amerikaner Carey 
Bodenbestandteile in die Wasserläufe und aus verwahrt sich gegen die unheimliche Wissenschaft, 
  
  
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.