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burg und Kurbraunschweig „auf Verlangen und
mit Genehmhaltung der evangelischen Stände sich
zusammen mit dem Directorio inter Evangeli-
Cos beladen und dasselbe coniunctim verwalten“,
in der Weise, daß von einer Sitzung zur andern
zwischen ihnen im Direktorium abgewechselt werden
soll. Dieser Vertrag gelangte aber niemals zur
praktischen Geltung, obwohl es die preußische Re-
gierung nicht an Versuchen hat sehlen lassen, die-
selbe herbeizuführen. Die Direktorialfunktionen
wurden auch fernerhin bis zum Untergang des
römisch-deutschen Reiches durch den katholischen
Kurfürsten von Sachsen ausgeübt. Eine Anomalie
war dieses Verhältnis ohne Zweifel, allein dieselbe
war höchst unschuldiger Natur, indem das kur-
sächsische Direktorium immer mehr zu einer inhalt-
und bedeutungslosen Formel herabsank. Zudem
hütete sich Sachsen sehr wohl, die ihm durch das
Direktorium gewährten Befugnisse zu mißbrauchen,
um die Protestanten zugunsten der Katholiken
zu benachteiligen. So kam es, daß das katholische
Direktorium des Corpus Evangelicorum auf
die Entwicklung des protestantischen Religions-
wesens in Deutschland einen wesentlichen Einfluß
nicht ausübte; nicht dieses Direktorium, sondern
die Uneinigkeit und Rivalität der protestantischen
Fürsten bewirkte, daß das Corpus Evangelico-
rum in der letzten Zeit des alten Reichs seine
Bedeutung mehr und mehr verlor (vgl. das unten
zitierte Werk von A. Frantz). Auch die Reform
des Corpus Evangelicorum, welche im Jahr
1770 versucht wurde, war nicht imstande, dem-
selben seinen früheren Einfluß wiederzugeben.
Corpus iuris canonici — Dänemark.
1154
Von katholischer Seite wurde der Name des
Corpus Evangelicorum niemals förmlich an-
erkannt und später oft bestritten, so namentlich im
Jahr 1720 durch den Kaiser Karl VI.; auch or-
ganisierten sich die katholischen Reichsstände nicht
formell als COorpus Catholicorum; sie
suchten bei ihren Zusammenkünften diesen Namen
möglichst zu vermeiden. Daß es einem Corpus
Catholicorum an sehr begründeten Religions=
beschwerden nicht gefehlt haben würde, zeigt ein
Blick auf die äußerst gedrückte Lage der Katholiken
in allen protestantischen Territorien (bgl. K. A.
Menzel a. a. O. X 95 f). Die Lässigkeit der Ka-
tholiken, welche es unterließen, dem Corpus Evan-
gelicorum eine ähnliche Assoziation entgegen-
zustellen, muß sehr beklagt werden.
Leider hat die Geschichte des Corpus Evan-
gelicorum bis jetzt von katholischer Seite eine
Bearbeitung nicht gefunden.
Die Literatur über den ganzen Gegenstand
ist stark gefärbt. — E. L. Posselt, Historia C. E.
(Kiel 1784) u. Systema iurium C. E. (1786); J.
J. Moser, Teutsches Staatsrecht X (1743); H.
W. v. Bülow, Gesch. u. Verf. des C. E. mit Bezug
auf die neuesten Verhandlungen, die Sitz= u.
Stimmordn, der beiden evangel. Fürsten-Bischöfe
zu Osnabrück u. Lübeck betr. (1795); A. Frantz,
Das Kath. Direktorium des C. E., nach handschrift-
lichen Quellen (der Archive zu Berlin, Dresden,
Marburg, Wien u. Gotha, 1880). (Pastor.]
Corpus iuris canonici s. Kirchenrecht.
Corpus iuris civilis s. Recht, römisches,
Zivilgesetzgebung.
Costa Rica s. Zentralamerika.
D.
Damaschke, Ad., s. Bodenreform.
Dampfschiffahrt s. Schiffahrt.
Dänemark. 1. Geschichte. Das kleinste
der drei nordischen Königreiche tritt erst gegen
Ende des 8. Jahrh. aus dem Dunkel einer sagen-
umwobenen Vorzeit in die Geschichte ein: bei
König Siegfried fand der Sachsenherzog Widu-
kind eine Zufluchtsstätte, König Gottfried kämpfte
gegen die Obotriten und Franken; mit dessen
Sohn Hemming schloß Karl d. Gr. 811 einen
Vertrag, demzufolge die Eider beide Reiche schei-
den sollte. Die Missionstätigkeit Ansgars (gest.
865) hatte keinen bleibenden Erfolg. Um die
Wende des 9. Jahrh. gelang es Gorm dem
Alten (gest. 936), die vielen kleinen Herrschaften
zu einem Reich zu verbinden, welches das nörd-
liche und südliche Jütland bis zur Eider, Fünen,
Seeland mit den umliegenden Inseln, Schonen,
Halland und Blekinge umfaßte; Bornholm be-
stand noch eine Zeitlang unabhängig unter eigenen
Königen. Gorms Vordringen nach Süden miß-
lang; König Heinrich I. zwang ihn, die alte
Staatslexikon. I. 3. Aufl.
deutsche Mark bis an die Eider wieder heraus-
zugeben und christlichen Sendboten sein Land zu
öffnen. Otto d. Gr. drang siegreich bis zum
Ottensund (Limfjord), und Otto II. zwang
Gorms Sohn Harald Blauzahn zur Huldigung
und Annahme des Christentums (976), welches
nun allmählich die Odinreligion verdrängte. Da-
mals wurde auch die Mark Schleswig eingerichtet,
welche jedoch Konrad II. schon 1027 dem Dänen-
könig Knut d. Gr. überließ. Zugleich mit dem
Christentum hielten auch deutsches Wesen und
Sitte ihren Einzug ins Land; Städte und
Stände entwickelten sich nach deutschem Muster.
Haralds Sohn, Sven Gabelbart, begann die
Eroberung Englands; der Enkel, Knut d. Gr.
(1014/35), vollendete dieselbe und schuf ein
gewaltiges Nordreich, das aber nach seinem Tod
wieder zerfiel. Dänemark kam sogar unter die
Herrschaft des Königs Magnus des Guten von
Norwegen, bis Svend Estrithson (1047/76),
ein Schwestersohn Knuts, die Unabhängigkeit
wieder gewann und die Dynastie der Ulfinger
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