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eines vorläufigen Finanzgesetzes, da das Follke-
thing sich weigerte, die Budgetvorlage zu beraten,
und immer wieder von neuem gegen die mit der
Befestigung Kopenhagens verbundenen Ziele der
äußern Politik protestierte. 1885 wurden Präsi-
dent und Vizepräsident des Folkethings wegen
Widerstands gegen die Behörden bzw. Majestäts-
beleidigung zu sechsmonatiger Gefängnisstrafe ver-
urteilt, und eine Reihe von Jahren wiederholte
sich dasselbe Schauspiel: der Reichstag wurde auf
Befehl des Königs geschlossen, da sich Regierung
und Landsthing einerseits, Folkething anderseits
aus militärischen Gründen nicht über das Budget
einigen konnten. In verfassungswidriger Weise
wirtschaftete die Regierung ohne das Parlament,
gegen die Verfassung wurde der Führer der Oppo-
sition, Hörup, verhaftet und verurteilt (1889).
Im folgenden Jahr brachten die Neuwahlen nach
Auflösung des Folkethings eine noch verstärkte
Opposition und darum eine verstärkte Krisis, zu.
deren Ursachen auch sozialpolitische Meinungs-
verschiedenheiten zwischen der Kammermehrheit
und der Regierung sich gesellten, wie über sozia-
listische Arbeiter in Staatsbetrieben, über Alters-
versorgung. Die Vereinigung der gemäßigteren
Linken mit der Rechten (1891), dann die goldene
Hochzeit des Herrscherpaares (1892) übten auf
das politische Leben immerhin eine beruhigende
Wirkung aus; jene beide Parteien erhielten auch
bei den Neuwahlen 1892 die Mehrheit. Endlich
nahm der chronische Konflikt zwischen Regierung
und Parlament 1894 dadurch ein Ende, daß
letzteres die von ihm so lange bekämpfte Be-
festigung Kopenhagens als eine vollendete Tat-
sache anerkannte. Das Budget wurde nunmehr
regelrecht bewilligt, wofür die Regierung auf dem
Gebiet der Militärdienstzeit ein Zugeständnis
machte. Das Ministerium Estrup, welches den
Kampf gegen das Folkething hartnäckig durch-
geführt und das Odium all der verfassungs-
widrigen Maßnahmen auf sich geladen hatte, sah
nunmehr seine Aufgabe erfüllt und nahm als tat-
sächlicher Sieger seinen Abschied (1895), wobei
es noch die Genugtuung hatte, daß für die von
ihm so eifrig betriebene Landesverteidigung auch
noch aus freiwilligen Spenden eine ansehnliche
Summe zusammenkam. 1895 bewiesen die Neu-
wahlen dem neuen Kabinett von Reedtz-Thott,
daß der Ausgleich die Linke nicht geschwächt habe;
letztere kam, dank der stärker auftretenden sozial-
demokratischen Bewegung, vielmehr mit einer
größeren Anzahl von Mandaten wieder. Dennoch
gingen jetzt, dank dem günstigen Stand der Fi-
nanzen, die Budgetverhandlungen glatt vor sich,
und die Linke konnte in der neuen Zollgesetzgebung
(1896), welche mancherlei Ermäßigungen oder
selbst Zollbefreiungen brachte, ein ansehnliches Zu-
geständnis erblicken. 1897 brach aber, wiederum
wegen militärischer Ausgaben, ein neuer Konflikt
aus, der durch Nachgeben der Ersten Kammer und
Veränderungen im Ministerium beigelegt wurde.
Dänemark.
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Das Jahr 1899 brachte dann eine neue nationale
Bewegung als Nachklang von 1848 aus Anlaß
der Ausweisungen von Dänen aus Nordschleswig
und des energischen Vorgehens der preußischen Ver-
waltung und Justiz gegen Betätigung national-
dänischer Gesinnung in Versammlungen, Ver-
einigungen und Presse. Immerhin wurde im
Parlament und von der Regierung energisch be-
tont, daß Dänemark bei Konflikten anderer Mächte
strenge Neutralitätspolitik zu befolgen habe. Zeit-
weilig machte sich dank der sozialistischen Agitation
eine scharfe wirtschaftliche Krisis geltend, wobei
der geschlossene Arbeitgeberverband zunächst den
Sieg über die organisierte Arbeiterschaft davon-
trug. Auch in den ersten Jahren des neuen Jahr-
hunderts ergaben sich neue Konflikte zwischen der
Mehrheit der Volksvertretung und der Regierung;
doch wurde alsbald endgültig Friede geschlossen,
der die Mehrheit zur Regierungspartei machte.
Für die auswärtigen Beziehungen Dänemarks
war die Besserung des Verhältnisses zu Deutsch-
land von großem Belang. Nach einem Besuch
des Kronprinzen (jetzigen Königs) in Berlin er-
schien der Deutsche Kaiser zweimal, 1903 und 1905,
in Kopenhagen. Damit hing auch eine Milderung
der Gesetzgebung betreffend die Dänen in Nord-
schleswig bzw. ihre Handhabung und eine neue
beiderseitige Abmachung über die Naturalisation
zusammen (Aufnahme von 400 Optenten und
etwa 4000 Optentenkindern in Nordschleswig
durch den Vertrag vom 11. Jan. 1907). Das
bessere Verhältnis zwischen Regierung und Volks-
vertretung hatte zur Folge, daß der nationale
Unwille über einen 1902 mit den Vereinigten
Staaten bereits geschlossenen Vertrag wegen Ab-
tretung der westindischen Insel St Thomas keine
schlimmen Wirkungen herbeiführte. Die Regierung
trat von dem Vertrag einfach zurück. Der von
Island erstrebten und 1903 erreichten größeren
Selbständigkeit in der Lokalregierung wurden keine
Schwierigkeiten gemacht; doch strebte Island noch
nach weiteren Zugeständnissen zugunsten seiner
Selbständigkeit. Recht ernst war die wirtschaft-
liche Krisis in Dänemark Ende 1907 und weiter,
die sich aus der Festlegung von zu großem Kapital,
dazu meist ausländischem, erklärte. Auffallend
stark war die Verschiebung der inländischen gegen
die ausländische Staatsschuld; erstere betrug 1890
177 Mill. Kr., letztere 10 Mill. Kr. 1907 war
das Verhältnis 88 zu 169 Mill. Kr., von denen
insgesamt an 200 Mill. Kr. in ausländischen
Händen sich befinden, hauptsächlich französischen,
was auch eine gewisse politische Abhängigkeit be-
gründet. Wegen geringer Entwicklung der däni-
schen Industrie wurde unverhältnismäßig viel
Kapital in Bauspekulation festgelegt und damit
Dänemark für die Geldzuleihe mehr und mehr an
das Ausland gewiesen, von dessen Krisen — so der
amerikanischen — es empfindlich beeinflußt wurde.
Der gegenwärtig regierende König Fried-
rich VIII. ist geboren am 3. Juni 1843 und seit