1207
wieder geltend zu machen. Durch freigebiges Ver-
schenken von Reichs= und Familiengütern fand
Friedrich II. (1212/50) in Deutschland bald An-
hang; die großen Hoffnungen aber, die man für
Kirche und Reich an das Auftreten dieses hochbe-
gabten Fürsten knüpfte, gingen nicht in Erfüllung.
Bald nach seinem Regierungsantritt in Deutsch-
land widmete er seine großartige organisatorische
Tätigkeit ausschließlich seinem Erbreich Sizilien,
das er zu einem fast modernen Staat machte. Es
sollte die Grundlage einer neuen Weltherrschaft
werden. Die wiederholte Auflehnung der lombar=
dischen Städte und der stets sich erneuernde Kampf
mit den Päpsten hinderten jedoch die Ausführung
dieses Plans und nötigten ihn außerdem, Deutsch-
land sich selbst zu überlassen. Hier war die Regierung
und spätere Empörung seines Sohnes, des Königs
Heinrich, dem Streben der Fürsten nach Selb-
ständigkeit ganz besonders förderlich. Bei seiner
zweiten Anwesenheit in Deutschland (1235) mußte
der Kaiser alle Anordnungen Heinrichs zu ihren
Gunsten bestätigen und sogar die Erblichkeit der
Lehen in weiblicher Linie anerkennen. Als das Konzil
von Lyon 1245 Friedrich II. aller seiner Kronenver-
lustig erklärte, stellten die geistlichen Fürsten seinem
Sohn, dem deutschen König Konrad, den Land-
grafen Heinrich Naspe von Thüringen und nach
dessen Tod (1247) den jungen Grafen Wilhelm
von Holland (gest. 1256) gegenüber. Die Ver-
wirrung stieg aufs höchste, als Friedrich II.
1250 mitten im unentschiedenen Kampf starb und
ein frühzeitiger Tod Konrad IV. 1254 in Italien
dahinraffte.
Für Deutschland bezeichnet diese Periode die
völlige Ausbildung der fürstlichen Landeshoheit,
und das nun folgende große Interregnum
vollendete die Umwandlung der deutschen Mon-
archie in einen Föderativstaat. Zwar wurden so-
gar zwei Könige gewählt, Alfons N. von Kastilien
und Richard von Cornwallis. Aber sie vergeu-
deten von den kaiserlichen Rechten so viel an die
Fürsten, daß das Kaisertum den letzten Rest seiner
Herrlichkeit verlor. Deutschland gestaltete sich zu
einer losen Verbindung geistlicher, fürstlicher und
ritterlicher Einzelgewalten, neben denen auch die
Städte anfingen, eine wichtige politische Rolle zu
spielen. Unter den letzten Hohenstaufen waren
bereits die Hansa und der Rheinische Städtebund
entstanden, allenthalben regte sich der Unabhängig-
keits= und Gemeinsinn der Städte im Kampf
gegen die fürstlichen Angriffe und das Fehderecht.
Schon bei der auf Ausländer gefallenen Wahl
hatte sich die fortschreitende Beschränkung des
Wahlrechts auf eine kleine Anzahl von Fürsten
gezeigt: sechs derselben traten endlich auf Be-
treiben der rheinischen Bischöfe unter Nichtachtung
der Ansprüche des Kastiliers zusammen und gaben
am 1. Okt. 1273 dem Reich in dem fast güter-
losen Grafen Rudolf von Habsburg ein
neues Oberhaupt. Bei König und Fürsten traten
seit dem Interregnum andere Bestrebungen her-
Deutsches Reich.
1208
vor. Die Fürsten wählten Könige mit geringer
Hausmacht aus verschiedenen Geschlechtern, um
desto ungestörter ihren persönlichen Vorteilen nach-
gehen zu können. Die Könige dagegen suchten
ihre Hausmacht zu stärken, um ihre Gewalt zu
festigen und zu erweitern. Daher kümmerten sie
sich von jetzt ab wenig um die italischen und
kirchlichen Angelegenheiten und beschränkten ihre
Tätigkeit auf Deutschland, wo sie Ruhe und Ord-
nung zu schaffen und besonders die eigene Macht
zu vergrößern suchten. So legte Rudolf I.
(1273/91) den Grund zu Osterreichs künftiger
Größe, so rang Adolf von Nassau (1292/98) er-
folglos nach Erwerbung einer Hausmacht, bis er
von den Kurfürsten für abgesetzt erklärt wurde.
Die Versuche seines Gegners Albrecht I. (1298
bis 1308), den habsburgischen Besitz zu befestigen,
mißlangen und führten zum Abfall der Wald-
stätte und zu seiner Ermordung. Glücklicher war
sein Nachfolger Heinrich VII. von Luxemburg
(1308/13), der durch Erwerbung Böhmens sein
Geschlecht zum bedeutendsten der deutschen Fürsten-
häuser erhob. Beseelt von dem Rittergeist der
alten Zeit, zog er nach Italien, das ihn, allen
voran Dante, sehnlichst erwartete, und erneuerte
nach 62jähriger Unterbrechung die Kaiserwürde.
Sein jähes Ende bewahrte ihn vor Enttäuschungen.
Eine Doppelwahl rief neue Kämpfe und Wirren
in Deutschland hervor: Friedrich III. von Oster-
reich (1314/26) fand Hilfe bei der fürstlichen
und ritterlichen Aristokratie. Ludwig IV. der
Bayer stützte sich auf die Bürger der Städte,
deren Privilegien er bestätigte und erweiterte. Die
Einmischung des in Avignon residierenden Papstes
Johann XXII., der die Entscheidung bei zwie-
spältiger Wahl beanspruchte und 1324 das Inter-
dikt über Deutschland aussprach, verschärfte den
Streit, bis Friedrich 1326 die Regierung nieder-
legte und Ludwig allgemein Anerkennung fand.
Um in Zukunft die Rechtmäßigkeit des deutschen
Königs nicht mehr von dem Ausspruch eines unter
französischem Einfluß stehenden Papstes abhängen
zu lassen, erklärten die Wahlfürsten 1338 auf
dem Kurverein zu Rense, daß der von der Mehr-
heit der Kurfürsten gewählte König durch die
bloße Wahl, ohne Bestätigung des Papstes, zur
Ausübung der königlichen Rechte befugt sei. Ein
Reichstag zu Frankfurt machte darauf auch die
Führung des Kaisertitels nur von der Wahl der
Kurfürsten abhängig. Diese Bestimmungen sind die
Vorboten der Auflösung des alten Verhältnisses
zwischen Papsttum und Kaisertum, das die Gol-
dene Bulle völlig beseitigte. Das gute Einver-
nehmen Ludwigs mit den Fürsten schwand jedoch
bald infolge der Rücksichtslosigkeit, mit welcher er
die Vermehrung seiner Hausmacht betrieb: fünf
Kurfürsten erhoben 1346 auf den Thron den
Enkel Heinrichs VII., den Markgrafen Karl von
Mähren, welchem die bayrische Partei nach Lud-
wigs Ableben den Grafen Günther von Schwarz--
burg gegenüberstellte. Als dieser 1349 (kurz vor