Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

1209 
seinem Tod) durch Vertrag zurücktrat, wurde 
Karl IV. (1346/78) allgemein anerkannt. 
Karls Tätigkeit war hauptsächlich dem Wohl 
seiner flawisch-deutschen Erbländer gewidmet; das 
Reich verdankt ihm die Goldene Bulle, welche 
er nach seiner Heimkehr vom Römerzug gemäß 
den Beschlüssen der Reichstage von Nürnberg und 
Metz 1356 erließ. Dieses erste Reichsgrundgesetz 
übertrug die ausschließliche Befugnis der Königs- 
wahl den sieben Kurfürsten: den Erzbischöfen von 
Mainz, Köln und Trier (den Erzkanzlern von 
Deutschland, Italien und Burgund), dem Her- 
zog von Sachsen-Wittenberg (Erzmarschall), dem 
Pfalzgrafen bei Rhein (Erztruchseß), dem König 
von Böhmen (Erzmundschenk) und dem Mark- 
grafen von Brandenburg (Erzkämmerer). Seit- 
dem bilden diese Kurfürsten eine geschlossene, über 
die andern Fürsten gestellte, dem Kaiser beigeord- 
nete Körperschaft, eine Art Reichsrat. Alljährlich 
sollten sie vier Wochen nach Ostern in einer vom 
Kaiser zu bestimmenden Stadt zusammentreten zur 
Beratung der Reichsangelegenheiten. Die Bulle 
schränkte das Fehderecht ein und gebot Land- 
frieden. Das Verhältnis der Reichsgewalt zum 
Papst und die Kaiserkrönung erwähnte sie jedoch 
nicht. Zur Stärkung der Kaisermacht haben ihre 
Bestimmungen nicht gedient; denn sie erhob die 
Kurfürsten zu wirklichen Landesherren, und was 
man ihnen gewährt hatte, konnte auf die Dauer 
den übrigen Reichsgliedern nicht versagt bleiben. 
Vor allem strebten die Städte, welche Karl den 
Landesfürsten preisgab, nach politischer Selb- 
ständigkeit. Hatten sie sich in der Mitte des 
13. Jahrh. zusammengeschlossen, um ihren Handel 
zu schützen, so vereinigten sich die schwäbischen, 
fränkischen und rheinischen Städte 1376 zum 
Schwäbischen Städtebund, um ihr Recht gegen 
die Fürsten geltend zu machen. Während aber die 
Schweizerische Eidgenossenschaft unter Wenzels 
Regierung (1378/1400) durch die Siege bei Sem- 
pach (1386) und Näfels (1388) zu völliger Un- 
abhängigkeit gelangte, unterlagen die oberdeutschen 
Städte 1388 bei Döffingen und Worms. Das 
Bürgertum wurde hier an jener übermächtigen 
Entwicklung gehindert, welche in Niederdeutsch- 
land der Hansa eine so hohe Bedeutung gab. Wie 
gewaltig dagegen die Macht der Kurfürsten ge- 
worden war, lehrt Wenzels Schicksal, den die 
rheinischen Fürsten vor ihr Gericht forderten und 
als „unnützen Entgliederer des Reichs“ absetzten. 
Sein Gegner Ruprecht von der Pfalz (1400/10) 
mußte das gefährliche Recht der Reichsstände, 
Bündnisse ohne Genehmigung des Kaisers unter- 
einander zu schließen, anerkennen. Als er darauf 
mit Strenge Ordnung schaffen wollte, machten 
mehrere Fürsten und Städte im südwestlichen 
Deutschland von diesem Recht Gebrauch und ver- 
einigten sich 1405 zu Marbach gegen ihn. Nach 
seinem Tod fand wieder eine Doppelwahl statt. 
Zu dem seit 1378 in der Kirche bestehenden 
Schisma trat noch ein weltliches. Glücklicherweise 
Deutsches Reich. 
  
1210 
starb Jost von Mähren schon 1411 vor seiner 
Krönung, so daß Sigmund (1410/37), der zweite 
Sohn Karls IV., an die Beseitigung der Kirchen- 
spaltung und die Reform des Reichs gehen konnte. 
Leider hinderten Mangel an Energie und Geld 
die vollständige Durchführung seiner Absichten. 
Der blutige Husitenkrieg und die drohende 
Türkengefahr nahmen ihn allzusehr für seine 
Kronländer in Anspruch. 
Mit der kurzen Regierung von Sigmunds 
Schwiegersohn Albrecht II. (1438/39) beginnt 
die lange, nur einmal (1740/45) unterbrochene 
Reihe der Habsburger. Friedrich IV. 
(1440/93) war der letzte in Rom gekrönte Kaiser 
(1452). Nur mit Mühe erwehrten sich die Un- 
garn der Osmanen. Mailand ging 1447 an 
Franz Sforza, Holstein 1459 an Dänemark ver- 
loren. Preußen geriet 1466 in Abhängigkeit von 
Polen, im Westen schwächte das Emporkommen 
Burgunds Deutschlands Macht. Wie an den 
Grenzen der Krieg tobte, so wüteten im Herzen 
des Reichs Fehden über Fehden: der Bruderkrieg 
in Sachsen, die Soester, Pfälzer und Mainzer 
Fehde, die Kölner Händel u. a. zerrütteten Deutsch- 
lands Kraft. Auch die Städte, die im 14. Jahrh. 
noch die Sache des Reichs gegen den fürstlichen 
Partikularismus verteidigt hatten, erlagen im 
15. Jahrh. bis auf wenige dem kräftig erstarken- 
den Landesfürstentum. Trotzdem war der Ein- 
heitsgedanke noch nicht geschwunden: Auf dem 
Reichstag zu Nürnberg (1486) gingen die Kur- 
fürsten unter Führung des Erzbischofs Berthold 
von Mainz und des Erzkämmerers Albrecht 
Achilles von Brandenburg daran, die Grund- 
lagen einer neuen Verfassung zu beraten, von der 
sie eine Wiedergeburt Deutschlands erwarteten. 
Aller Hoffnungen richteten sich auf den jungen 
Maximilian, der es an Versprechungen und red- 
lichem Willen nicht fehlen ließ. Als er jedoch zur 
Regierung (1493/1519) gekommen war, bean- 
spruchten die auswärtigen Verhältnisse seine ganze 
Aufmerksamkeit, die Stände mußten die Initiative 
ergreifen. Sie benutzten des Kaisers Bedrängnis 
durch Frankreich und legten ihm auf dem Reichs- 
tag zu Worms 1495 einen umfassenden Reform- 
entwurf zur Annahme vor. Zunächst wurde ein 
ewiger Landfriede verkündigt, der für immer im 
ganzen Reich das Fehderecht aufhob und jeden 
auf den Rechtsweg verwies. Um diesen allen zu 
sichern, wurde das Reichskammergericht (bis 1530 
in Frankfurt, bis 1689 in Speyer und von da 
ab in Wetzlar) eingesetzt, dessen Vorsitzenden der 
Kaiser ernannte, während die 16 Richter von den 
Ständen zur Hälfte aus dem Ritterstand, zur 
Hälfte aus dem Stand der gelehrten Juristen er- 
wählt wurden. Zur Bestreitung der Kosten und 
als Beihilfe zur Aufstellung einer Truppenmacht 
wurde dafür dem Kaiser die Einführung einer all- 
gemeinen Reichssteuer, des „Gemeinen Pfennigs“, 
bewilligt. Die Entscheidung über die Verwen- 
dung des Ertrags war jedoch einem aus den drei
	        
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