Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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mals nicht zustande. Jedoch hatte diese Bespre- 
chung das Ergebnis der stillschweigenden Aner- 
kennung des Bundestags und der Verabredung 
weiterer Verhandlungen zu Olmütz. Hier 
erfolgte am 29. Nov. eine vollständige Einigung 
zwischen den beiden Ministern Schwarzenberg und 
Manteuffel über die nächste Behandlung der 
deutschen Angelegenheiten, deren endliche Erledi- 
gung Ministerialkonferenzen in Dresden vorbe- 
halten wurde (23. Dez. 1850 bis 15. Mai 1851). 
In Dresden bemühten sich Osterreich und 
Bayern aufrichtig, eine den Verhältnissen und be- 
rechtigten Wünschen Deutschlands entsprechende 
Anderung der Bundesverfassung herbeizuführen. 
Ihre Bemühungen scheiterten jedoch vollständig an 
dem Widerspruch der deutschen Kleinstaaten (Meck- 
lenburg, Oldenburg, Weimar, Altenburg, Coburg, 
Dessau, Waldeck) und der freien Städte, welche 
in dem sehr übel verstandenen Interesse ihrer Selb- 
ständigkeit einfach die Rückkehr zu den früheren 
Verhältnissen wünschten. Auf das nämliche Ziel 
waren die Bestrebungen Preußens gerichtet, welches 
zu der notgedrungenen Einsicht gelangt war, daß 
sich ein Bundesstaat unter seiner Führung nicht 
herstellen lasse. Um überhaupt etwas zu erreichen, 
begnügten sich Osterreich und seine Verbündeten 
mit diesen Zugeständnissen, welche wenigstens 
wieder einepolitische Zusammengehörigkeit Deutsch- 
lands herbeiführten. Preußen trat am 12. Mai 
wieder in den Bundestag ein. Seine Anhänger 
folgten, soweit sie diesen Schritt nicht vorher getan 
hatten, bald nach. 
Osterreich und seine Verbündeten versuchten nun- 
mehr die Wirksamkeit des Bundes den Wünschen 
der Bevölkerung entsprechender zu gestalten, wurden 
aber von Preußen in diesen Bestrebungen nicht 
unterstützt. Gleichwohl unterschied sich die Tätig- 
keit des Bundes vorteilhaft von seinem früheren 
Vorgehen: politisch-polizeiliche Maßregeln waren 
bei der völligen Beruhigung der Gemüter ja kaum 
mehr nötig und wären wohl auch bei den ver- 
änderten Anschauungen über die „Kunst des Re- 
gierens“ kaum getroffen worden. Beschlossen 
wurde indessen die Aufhebung der Grundrechte 
(23. Aug. 1851) und eine neue Geschäftsordnung 
(16. Juni 1854), die für die Beschleunigung der 
Beschlußfassungen von besonderer Wichtigkeit war. 
In demselben Jahr erfolgten Beschlüsse über die 
Verhinderung des Mißbrauchs der Presse (6. Juli) 
und des Vereinswesens (13. Juli). Eine Bundes- 
zentralpolizei herzustellen gelang indessen den 
deutschen Vormächten trotz ihrer Einmütigkeit nicht, 
da die Mittelstaaten darin einen Eingriff in ihre 
Souveränität erblickten. Auch die unter dem Reichs- 
verweser gegründete deutsche Flotte war nicht zu 
retten. Sie verfiel am 2. April 1852 dem Hammer. 
Dagegen wuchs und festigte sich der von Preußen 
dem 1. Jan. 1834 ins Leben gerufene deutsche 
Alle Versuche Österreichs, ihn zu 
oder Eintritt in denselben zu erlangen, 
1851 traten noch Hannover, Olden- 
  
   
   
  
Deutsches Reich. 
  
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burg und Schaumburg-Lippe bei, so daß ihm 
während der Vertragsperiode 1854/65 sämtliche 
deutsche Staaten mit Ausnahme Österreichs, der 
beiden Mecklenburg und der Hansestädte an- 
gehörten. 
Der im Jahr 1854 ausgebrochene orientalische 
Krieg ließ die Mängel der deutschen Bundesver- 
fassung grell hervortreten. Osterreich, das seine 
berechtigten Interessen im Orient bedroht sah, 
suchte seine Bundesgenossen zu einem energischen 
Vorgehen zu veranlassen. Preußen aber, dessen 
Freundschaft mit Rußland damals noch groß war, 
vereitelte die österreichischen Bestrebungen. Die 
Kleinstaaten schlossen sich der zögernden und jeden- 
falls bequemeren preußischen Politik an. Oster- 
reichs Tätigkeit wurde lahmgelegt. Der orien- 
talische Krieg ging ohne Vorteil für Deutschland 
zu Ende, obgleich es namentlich mit Rücksicht auf 
seine Handelsinteressen notwendigerweise auf die 
aeiss Osterreichs und der Westmächte hätte treten 
müssen. 
Nachdem noch 1857 ein Bundesbeschluß die 
Grundlage für das allgemeine deutsche Handels- 
gesetzbuch gelegt, 1858 (11. Febr.) der Bund aus- 
drücklich die Gesamtverfassung Dänemarks als für 
Schleswig-Holstein unverbindlich erklärt hatte, 
folgte das verhängnisvolle Jahr 1859, das tat- 
sächlich den Bund sprengte und bis 1866 nur noch 
eine Scheinexistenz fortführen ließ. Im Vertrauen 
auf die Bundeshilfe und Kriegsgemeinschaft 
Deutschlands hatte Osterreich nur fünf Armeekorps 
nach Italien geschoben und sich den Vorteil des 
ersten Angriffs entgehen lassen, um den Haupt- 
feldzug am Rhein führen zu können. Preußen 
aber widersetzte sich der geplanten Mobilmachung 
der Bundesarmee und ging nur auf eine Kriegs- 
bereitschaft ein, die ihm völlig freie Hand ließ 
(23. April). Nach der Schlacht bei Magenta mo- 
bilisierte zwar Preußen, aber nur, um im Fall 
eines Sieges der Verbündeten eine bewaffnete Ver- 
mittlung auszuüben. Nach der Schlacht bei Sol- 
ferino machte Osterreich einen letzten Versuch, eine 
Kriegsgemeinschaft mit Preußen herzustellen. Allein 
die Sendung des Fürsten Windischgrätz nach 
Berlin mißlang. Kaiser Franz Joseph unter- 
zeichnete (12. Juli) die Friedenspräliminarien zu 
Villafranca. 
Tiefer entzweit als je standen die beiden Groß- 
mächte einander gegenüber. Die bis dahin in 
Deutschland ohnmächtige liberale Partei erhob 
jetzt ihr Haupt, da sie das ersehnte Ziel, den Aus- 
schluß Osterreichs aus dem Bunde, vor Augen sah. 
Politische Vereine wurden zu diesem Zweck ge- 
bildet (Nationalverein am 16. Sept. 1859) und 
von verschiedenen Staatsmännern keineswegs miß- 
günstig betrachtet. Die Versuche, auf den Mini- 
sterialkonferenzen zu Würzburg (24.—27. Okt. 
1859, fortgesetzt am 22. Mai 1861) ein besseres 
Zusammenhalten und Zusammenwirken der Mittel- 
und Kleinstaaten (Bayern, Württemberg, Sachsen, 
Hessen, Kurhessen, Mecklenburg-Schwerin, Nassau,
	        
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