Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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die aber bei Deutschland und England einen ener- 
gischen Widerspruch fand. Eine Besitznahme durch 
Deutschland stieß namentlich nach dem Bankrott 
des Hauses Godeffroy auf den Widerstand des 
Reichstags (1880, Bamberger). Bei Thron- 
streitigkeiten zwischen dem samoanischen König 
Malietog Laupepa und dem Führer der Gegen- 
partei Tamasese verletzte Malietoa deutsches Eigen- 
tum und wurde deshalb von einem deutschen Kriegs- 
schiaf nach den Marshallinseln gebracht (1886). 
Tamesese unterlag aber bald dem von Malietoas 
Anhängern zum König ausgerufenen Mataafa. 
Die Berliner Samoa-Akte vom 14. Juni 1889 
(Konferenz der 3 interessierten Mächte) setzte Ma- 
lietoa wieder als König ein und stellte die Inseln 
als unabhängig und neutral unter die Verwaltung 
der 3 Konsuln, neben denen ein vom König von 
Schweden ernannter Oberrichter die Justiz hand- 
habte. Zur Beseitigung des Bürgerkriegs wurde 
1893 Mataafa von den Deutschen nach Jaluit 
gebracht, nach Malietoas Tod (1898) aber zurück- 
geführt und mit großer Mehrheit, aber gegen den 
Willen des englischen und amerikanischen Ver- 
treters zum König gewählt. Zur Beseitigung der 
zahlreichen Differenzen und Quertreibereien und 
zur Schaffung ruhiger Verhältnisse unter den Ein- 
gebornen wurden im Londoner Vertrag vom 
14. Nov. 1899, dem die Union am 2. Dez. 1899 
beitrat, die Samoa-Inseln zwischen Deutschland 
und den Vereinigten Staaten geteilt und der deutsche 
Anteil am 1. März 1900 in Besitz genommen. 
Deutschland gab dafür an England die Salomon- 
inseln Choiseul und Isabella und verzichtete auf seine 
Ansprüche auf die Tonga-Inseln und Niue. An 
Stelle des samoanischen Königtums trat eine Art 
Selbstverwaltung der Samoaner. Die Entschä- 
digung der bei den Wirren benachteiligten Eigen- 
tümer wurde einem Schiedsgericht unter dem Vor- 
sit des Königs von Schweden zugewiesen; dasselbe 
entschied zugunsten Deutschlands, das 1905 als 
Entschädigungssumme 40 000 Dollar erhielt. — 
Der deutsche Besitz umfaßt die Inseln Savati 
(1700 qkm) und Upolu (870 qkm) sowie einige 
ganz kleine Inseln. Neben der Kultur der Kokos- 
palme, die auch hier überwiegt, finden sich Kakao- 
ltgen. Sit der Regierung ist der Hafenplatz 
i 
a. 
7. Kiautschou. Die Besitzergreifung der 
Kiautschoubucht erfolgte am 14. Nov. 1897 durch 
das Ostasiatische Geschwader unter dem Konter- 
admiral v. Diederichs. Die deutsche Regierung 
hatte schon längst im Interesse der Flotte, der 
Politik und des Handels einen Stützpunkt in Ost- 
asien erstrebt. Die nähere Veranlassung zur Be- 
setzung der schon vorher in Aussicht genommenen 
Bucht von Kiautschou bot die Ermordung katho- 
lischer Missionäre in Schantung. Im Vertrag 
vom 9. Mai 1898 trat China die Bucht „pacht- 
weise“ mit voller Souveränität auf 99 Jahre an 
Deutschland ab und gewährte der deutschen Re- 
gierung auch in einer 50 km breiten neutralen 
Deutsches Reich. 
  
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Zone um die Bucht militärische und Verwaltungs- 
befugnisse. Kiautschon kommt vorwiegend als 
Flottenstützpunkt in Betracht. In handelspoli- 
tischer Hinsicht hat es eine gewisse Bedeutung für 
die Erschließung Schantungs, des kohlenreichen 
Hinterlandes. Eine Eisenbahn geht von der 
deutschen Hafenstadt Tsingtau zunächst nach Tsi- 
nanfu (436 km) ihre Verlängerung nach Norden 
(Peking) und Süden (Schanghai) ist projektiert. 
Die Ausfuhr umfaßt Strohborte, Erdnuß= und 
Bohnenöl, Seide und Seidenabfälle, die nicht- 
hinesssce Einfuhr: Baumwollengarn, Metall 
u 
. dgl. 
Eine Übersicht über den Flächeninhalt, die Be- 
völkerung, die Stärke der Schutz= und Polizei- 
truppe usw. aller Kolonien gibt die Tabelle auf 
Sp. 1275/76 (nach den Angaben für 1907). 
8. In wirtschaftlicher Hinsicht hielt man in 
der ersten Zeit die Kolonien für geeignet als Pro- 
duktionsgebiete für die sog. Kolonialwaren (Kaffee, 
Kakao, Tabak, Gewürz). Seit einigen Jahren 
hat sich darin ein Umschwung vollzogen. Man hat 
die wahre Bedeutung vor allem der tropisch-afri- 
kanischen Besitzungen, namentlich des Hinterlandes, 
wenn es durch Eisenbahnen erschlossen wird, in 
deren Heranbildung zu Rohstofflieferanten für die 
deutsche Industrie zu erblicken geglaubt, besonders 
soweit es sich um Industriezweige handelt, die bis 
jetzt in der Rohstofflieferung vollständig vom Aus- 
land abhängig sind. Vor allem kommen deshalb 
Baumwolle, Kautschuk, Olfrüchte (Kokospalme, 
Olpalme, Erdnüsse) und Sisalhanf in Betracht. 
Die bisherigen Ergebnisse berechtigen denn auch 
zu guten Aussichten sowohl hinsichtlich der Quan- 
tität wie namentlich der Qualität der Erzeugnisse. 
Die Ausnutzung soll erfolgen teils durch Entwick- 
lung der Eingebornenarbeit, teils durch Plantagen- 
betrieb (Großkultur mit Maschinen). Um die 
Wollindustrie hinsichtlich ihres Rohmaterials vom 
ausländischen Markt weniger abhängig zu machen, 
ist in Südwestafrikaeine Wollschafzucht in größerem 
Maßstab in Aussicht genommen. Am ungünstigsten 
stehen die deutschen Kolonien bis jetzt hinsichtlich 
der Ausbeute an Mineralien daz allerdings sind 
die einzelnen Gebiete noch wenig erforscht. Die 
bis jetzt aufgefundenen Kupfererzlager, bei Tsumeb- 
Otawi in Südwestafrika, sind nicht im geringsten 
imstande, mit ihrer Produktion den Bedarf der 
deutschen Industriezu decken. Als Auswanderungs- 
gebiet kommen nur Südwestafrika und einzelne 
kleine Bezirke Ostafrikas in Betracht. 
9. Verfassung, Verwaltung. Die Staats- 
gewalt (Schutzgewalt) übt in den deutschen Schutz- 
gebieten der Kaiser im Namen des Reichs aus; 
die Gesetzgebung, das Budgetrecht, das Recht der 
Erhebung von Steuern und Zöllen u. dgl. steht 
Bundesrat und Reichstag zu. Im weiten Umfang 
zulässig sind Verordnungen des Kaisers und des 
Reichskanzlers. Die Angehörigen der Schutzgebiete 
zerfallen in Reichsangehörige, in diesen im allge- 
meinen gleichgestellte Schutzgenossen (Angehörige 
 
	        
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