Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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vorwiegend aber Missionsschulen und dienen meist 
dem Elementarunterricht und der Unterweisung in 
der deutschen, zum Teil auch in der englischen 
Sprache. Die Missionsschulen erhalten vielfach 
einen staatlichen Zuschuß, wofür sich der Staat 
gewisse Aufsichtsrechte ausbedingt. 
Der militärische Schutz wird den Kolonien prin- 
zipiell durch die deutschen Streitkräfte gewährleistet. 
Der Kaiser ist befugt, Heer und Flotte oder Teile 
davon aufzubieten. Die Schutztruppen in Süd- 
westafrika, Ostafrika und Kamerun sind besondere 
Truppenverbände (keine Teile des Reichsheers oder 
der Marine), welche zur Verteidigung der einzelnen 
Kolonien zuerst in Betracht kommen. Ihr oberster 
Kriegsherr ist der Kaiser. In den Schutzgebieten 
übt der Gouverneur die oberste militärische Ge- 
walt aus. Unter diesem steht der Kommandeur 
der Truppe mit selbständiger Verantwortlichkeit für 
Leistungsfähigkeit, Manneszucht, Ausbildung, 
innern Dienst und Verwaltung. Die einzelne 
Schutztruppe wird gebildet von Offizieren und 
Unteroffizieren des Reichsheers und der Marine 
und in Kamerun und Ostafrika aus angeworbenen 
Farbigen, in Südwestafrika aus Gemeinen des 
Reichsheers und der Marine. In der Schutztruppe 
für Südwestafrika können Reichsangehörige ihre 
Militärpflicht erfüllen. Die Besatzung von Kiau- 
tschou besteht aus Teilen der aktiven Marine. Über 
Polizeitruppen s. o. Sp. 1276. 
Jedes Schutzgebiet hat eine eigene Finanz- 
verwaltung. Die Einnahmen setzen sich zu- 
sammen aus eigenen Einnahmen und dem Reichs- 
zuschuß. Der Haushaltsplan wird jährlich veran- 
schlagt und vor Beginn des Etatsjahrs durch 
Reichsgesetzfestgestellt. Eine Ubersicht der Ausgaben 
und Einnahmen muß spätestens im zweitfolgenden 
Jahr dem Reichstag und Bundesrat vorgelegt und 
die nachträgliche Genehmigung über= und außer- 
etatsmäßiger Aufwendungen beantragt werden. 
Die Rechnungskontrolle liegt dem Rechnungshof 
des Deutschen Reichs ob; die Schaffung einer be- 
sondern Rechnungsbehörde in jedem Schutzgebiet 
ist in Aussicht genommen. Die Aufnahme von 
Kolonialanleihen sowie eine Garantieübernahme 
erfolgt gleichfalls im Weg der Reichsgesetzgebung. 
Die eigenen Einnahmen setzen sich zusammen aus 
den Einnahmen durch Verkauf, Verpachtung oder 
Selbstbewirtschaftung von Kronland, aus Steuern, 
Zöllen, Gebühren und Geldstrafen. Ein einheit- 
liches Steuersystem besteht für kein Schutzgebiet. 
Es gibt direkte und indirekte Steuern, Einkommen- 
steuern, Häuser= und Hüttensteuern, Gewerbe= und 
Grundsteuern, Bergwerks-, Wege= und Wagen- 
abgaben, auch besondere Eingebornensteuern, die 
zum Teil in Naturalien oder bestimmten Arbeits- 
leistungen entrichtet werden. Jedes Schutzgebiet 
bildet eine eigene Zolleinheit. Von Deutsch- 
land nach den einzelnen Kolonien und von diesen 
ins Mutterland eingeführte Waren sind also, da 
das Deutsche Reich durch völkerrechtliche Verein- 
barungen (Kongo-Akte, Akte der Brüsseler Anti- 
Deutsches Reich. 
  
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sklavereikonferenz) gebunden ist, zollpflichtig, die 
koloniale Einfuhr im Mutterland hat jedoch ge- 
wisse Vergünstigungen. Die deutsche Währung 
gilt in allen Schutzgebieten außer in Ostafrika und 
Kiautschou. Ersteres besitzt ein eigenes Münz- 
system. Rechnungseinheit ist die Rupie — 100 
Heller (20 M Gold = 15 Rupien); geprägt 
werden in Silber 1, ½, ¼ Rupienstücke, in 
Kupfer 1 und ½ Hellerstücke. Die (bis 1902) 
von der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft ge- 
prägten Silbermünzen sind noch im Kurs, ebenso 
in Neuguinea die von der Neuguinea-Kompanie 
geprägten, in Größe und Feingehalt mit den 
Reichsmünzen übereinstimmenden (außer dem 
bronzenen Zehnpfennigstück) Münzen. In Kiau- 
tschou gelten die chinesischen Münzen und der 
mexikanische Silberdollar als Zahlungsmittel. 
Das Bankwesen ist noch wenig entwickelt. Als 
besondere Kolonialbanken bestehen die Deutsch- 
Ostafrikanische Bank, die Deutsch-Westafrikanische 
Bank (für Kamerun und Togo) und die Deutsche 
Afrikabank (für Südwestafrika). Das Recht der 
Notenausgabe hat die Deutsch-Ostafrikanische Bank 
und für Kiautschou die Deutsch-Asiatische Bank 
(Schanghai). 
diteratur. Geschichte. Quellensamm- 
lungen: Monumenta Germaniae historica, 
Städtechroniken, Reichtagsakten, Regestensammlun- 
gen, Hanserezesse u. dgl. Literaturnachweise: 
Dahlmann-Waitz (71906); Wattenbach (2 de, 
71904 ff; früheres Mittelalter); Lorenz (2 Bde, 
61886 f; späteres M.-A.); Potthast (2 Bde, 1895f; 
M.-A.); Wegele, Gesch. der deutschen Historiographie 
seit dem Humanismus (1885). Gesamtdarstel- 
lungen: Häberlin-Senckenberg (27 Bde, Halle 
1767/90); K. A. Menzel (bis zum 16. Jahrh.: 
8 Bde, 181 5/23; Forts. bis 1815:6 Bde, 21854 #); 
Wirth (bis 1806; 4 Bde, 1860/64); Bibliothek 
deutscher Gesch., hrsg. von Zwiedineck-Südenhorst 
(1887 ff); Allg. Gesch. in Einzeldarstellungen, hrsg. 
von W. Oncken (45 Bde, 1879/93); Lamprecht 
(1891 ff, bis 1908 10 Bde). Handbücher: D. 
Müller (181902); Kämmel (2 Bde, 21906); Lind- 
ner (2 Bde, 1894); Stacke (2 Bde, 71896f); 
Gebhardt (2 Bde, 71906). Alteste Zeit: Dahn, 
Gesch. der deutschen Urzeit (1883); Kaufmann, 
Deutsche Gesch. bis auf Karl d. Gr. (2 Bde, 1880 bis 
1881). Früheres M.-A.: Jahrbücher der deut- 
schen Gesch.; Annalen von Richter-Kohl (3 Bde, 
1873/98); Dümmler, Gesch. des Ostfränk. Reichs 
(3 Bde, 71887 f); Giesebrecht, Gesch. der deutschen 
Kaiserzeit (5 Bde, 1855/80; reicht bis 1164); Ni- 
hues, Gesch, der Verh. zw. Kaisertum u. Papsttum 
im M.-A. (2 Bde, 1863/87, I 21877); Krebs, 
Deutsche Gesch. (3 Bde, 1853/58; bis Rudolf von 
Habsburg). Späteres M.-A.: Kopp, Gesch, von 
der Wiederherstellung u. dem Verfall des heil. röm. 
Reichs, auch: Gesch, der eidgenöss. Bünde (5 Bde, 
1845/82; behandelt die Zeit 1273/1336); Lorenz, 
Deutsche Gesch. im 13. u. 14. Jahrh. (2 Bde, 
1864/67); Lindner, Deutsche Gesch, unter den Habs- 
burgern u. Luxemburgern (2 Bde, 1890/93); We- 
runsky, Karl IV. u. seine Zeit (3 Bde, 1880/92); 
Michael, Gesch. des deutschen Volkes seit dem 
13. Jahrh. bis zum Ausgang des M.-A. (3Bde, 1897 
  
  
  
  
 
	        
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