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gemeinen Ruhegehaltskasse sowie Witwen= und
Waisengelderkasse zu erstreben und bis zur Wirk-
samkeit dieser Kasse dienst= und erwerbsunfähig
oder hilfsbedürftig gewordene deutsche Rechts-
anwälte sowie deren Hinterlassene durch Geld-
beihilfen zu unterstützen. Kneer kommt in seiner
Abhandlung „Zur Lage der deutschen Rechts-
anwaltschaft“ (Soziale Kultur 1907, 401 ffl) zu
dem Ergebnis, daß bei der unverhältnismäßigen
Zunahme der Zahl der Anwälte, der Einengung
des Arbeitsfeldes und der Verschlechterung des
Einkommens für die Anwaltschaft in Deutschland
die Gefahr eines nicht bloß wirtschaftlichen Rück-
gangs bestehe und wachse.
Zu Anfang August 1897 fand in Brüssel ein
internationaler Advokatenkongreß statt, auf
welchem verhandelt wurde über Vereine und Ge-
sellschaften von Advokaten, Studien und Examina
sowie die internationalen Beziehungen zwischen
den Anwaltschaften (barreaux) und zwischen den
Rechtsanwälten; jedoch wurden — abgesehen von
der Errichtung eines internationalen Bureaus für
den Kongreß in Brüssel — Beschlüsse nicht ge-
faßt. — Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben,
daß, seitdem dem weiblichen Geschlecht auch die
gelehrten Berufsarten zugänglich geworden sind,
in mehreren Ländern (Vereinigte Staaten von
Amerika, Frankreich, England, Schweiz), wenn
auch nur vereinzelt, Frauen den Rechtsanwalts-
beruf ausüben.
Literatur. L. Hoffmann, De postulatoribus,
advocatis (1591); Thönniker, Advocatus prudens.
(1702); Grupen, Abhandlung von denen Advo-
catis (1765); Kirchhoff, Pflichten der Advokaten,
besonders in peinlichen Fällen (1765/78); Kirch-
hof, Von den Advokaten (1768); Hofacker, De ad-
vocatis (1788); Gründe für und wider die ge-
wöhnliche Einrichtung der A. (1798); Ramdohr,
Organisation des Advokatenstands (1801); Grund,
Verhältnis des öffentlichen Sachwalters zum
Staat (1805); Lewer, über den Advokatenstand
(1806); Kettenacker, Mängel des Advokatenstands
(1811); Wangemann, Advokatenstand (1812);
Siebenkees u. Mittermaier, Art. „Advokat“ in
Ersch u. Gruber, Enzyklopädie I (1818); Bemer-
kungen über Advokaten usw. (1819); v. Nahmer,
Advokatenstand (1819); Aphorismen über den Ver-
fall des Advokatenstands (1823); Gans, Vom
Amt der Fürsprecher (1827); Camus, Beruf
des Advokaten (1827); Nietzsche, De prolocutori-
bus (1831); Beschorner, Reform des Advokaten-
stands (1840); Steinacker, Aufgabe des Advokaten-
stands (1841); G. V. Schmid, De advocatis
(1841); Gans, Art. „Advokat“ in Weiskes Rechts-
lexikon 1 (1844); List im Rotteckschen Staats-
lexikon I (1845); v. Hagen, Reform der A.
(1846); Künßberg, Advokaten-Moralistik (1847);
Brater in „Blätter für Rechtsanwendung“ XII
(1847); Seybold, Magistratur und A. (1847);
Beschorner im Zivilistischen Archiv XXXI (1848) u.
XXXIV (1851); Schletter, Jahrbuch der Rechts-
wissensch, II (1855) 36 ff; Brater in Bluntschlis
Staatswörterbuch 1 (1857); Mittermaier, Stellung
des Advokatenstands (1861); Zeitschrift des An-
Afghanistan.
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waltsvereins für Bayern 1861 ff; Preußische An-
waltszeitung, hrsg. von Hinschius, 1862/66;
EGneist, Freie A. (1867); Haack, Üüber Gneists Freie
A. (1868); Brix, Organisation der A. (1869);
Jacques, Freie A. (1868); Hänle, Freigabe der
A. (1869); Jurist. Wochenschrift, Organ des deut-
schen Anwaltsvereins, 1872 ff; Johanny, Parteien-
vertretung in Österreich (Jurist. Blätter 1878);
Deutsche Rechtsanwaltsordn. v. 1. Juli 1878 und
deren Kommentare; Wach, Vorträge über d. Reichs-
zivilprozeßordn. (1879); Pfafferoth, Anwalts-
gebührenwesen (1879); Zanardelli, Lavvocatura
(1879); Hinschius, Rechtsanwaltschaft u. Anwalts-
prozeß, in Holtzendorffs Rechtslexikon (1880/81);
Siegel, Materialien der (deutschen) Rechtsanwalts-
ordn. v. 1. Juli 1878 (1883); Stein, Die Ver-
staatlichung der A. (1885); Prischl, Advokatur u.
Anwaltschaft (1888); v. Weinrich, Zur Reform
der deutschen Rechtsanwaltschaft (1891); Hergen-
hahn, Rechtsprechung über Prozeßbevollmächtigte
und Rechtsanwälte (1894); Kruse, Richteramt u.
A. (1896); Schiffer, Die Rechtskonsulenten (1897);
Leske u. Löwenfeld, Die Rechtsverfolgung im inter-
nationalen Verkehr (1897); Hupka, Die Voll-
macht (1900); Weißler, Gesch. der Rechtsanwalt-
schaft (1905). [Fösser.]
Afghanistan, Land in Zentralasien, bei
den Eingebornen Urlajet genannt.
1. Geschichte. Ende des 17. Jahrh. wurde
von Mir Wais im nordöstlichen Iran ein unab-
hängiges Reich gegründet, das zwar bald den
Persern unterlag, nach der Ermordung des per-
sischen Schah Nadir (174 7) aber wieder selbständig
wurde und unter Achmed Schah (gest. 1773) auch
Belutschistan umfaßte. Innere Wirren führten zur
Teilung des Landes und in den 1830er Jahren
zur Einmischung der Engländer, die nach schweren
Kämpfen den von ihnen befehdeten Dost Moham-
med (gest. 1863) als Herrscher anerkannten. Schir
Ali, der Sohn Dost Mohammeds, stand unter
russischem Einfluß und mußte vor den Engländern,
deren Gesandtschaft er schroff abgewiesen, fliehen.
Sein Sohn Jakub nahm einen britischen Residenten
auf und übertrug England die auswärtige Ver-
tretung des Landes. Der britische Vertreter (Ca-
vagnari) wurde jedoch ermordet (Sept. 1879),
das Land von Lord Roberts aufs schwerste ge-
züchtigt und Abdu'r-Rahman zum Emir gewählt
(Juli 1880). Diesem folgte 1901 sein Sohn
Habib Ullah.
Die Rivalität zwischen England und Rußland
haben dem Land, das seiner Lage nach ein Puffer-
staat zwischen Indien und Russisch-Zentralasien
ist, die Selbständigkeit bisher noch erhalten, ihm
aber schon schwere Einbußen an Gebiet und Volk
gebracht. 1880 nahmen die Engländer die öst-
lichen Bezirke (82 000 qkm mit 500 000 Ein-
wohnern), 1884 schob Rußland seine Grenze um
ein wesentliches nach Süden, 1890 besetzten die
Engländer wieder im Osten, bald darauf die Russen
wieder im Norden größere Gebietsteile. Die heutige
Grenze ist das Ergebnis der russisch-britischen
Grenzabsteckungen von 1895. In der zwischen