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wiederhergestellt, und zwar in der Weise, daß in
ihr die sonst getrennten Funktionen des Propstes
und des Dekans kombiniert erscheinen. In betreff
der eben angeführten officia theologi und paeni-
tentiarüt enthält die Bulle Provida sollersque
zunächst die ganz gleiche Bestimmung wie die
Bulle De salute animarum, dann aber im
Unterschied von dieser einen Zusatz, nach welchem
jene officia nicht notwendig einen Bestandteil der
Kapitelseinrichtung bilden, da es freisteht, auch
einen Nichtkanonikus damit zu betrauen. Die
Zirkumskriptionsbulle für Hannover enthält über-
haupt keine Bestimmungen bezüglich derartiger
Amter; aber einer etwaigen Errichtung derselben
in den dortigen Domkapiteln nach Maßgabe der
gemeinrechtlichen Bestimmungen würde ein recht-
liches Hindernis nicht entgegenstehen.
In den mehrfach angeführten Vereinbarungen
zwischen dem päpstlichen Stuhl und den einzelnen
Landesregierungen sind auch bezüglich der Er-
fordernisse für die Ernennung der canonici
nähere und den veränderten Verhältnissen ange-
paßte Vorschriften erlassen. Unter Beseitigung der
früheren hierher gehörigen statutarischen Bestim-
mungen verlangen dieselben im Sinn des ge-
meinen Rechts und mit fast allseitiger Uberein-
stimmung den Besitz einer höheren Weihe, ein
Alter von mindestens 30 Jahren und Verdienste
um die Kirche in der Ausübung der Seelsorge, in
der kirchlichen Verwaltung, in einem wissenschaft-
lichen Lehramt oder hervorragende wissenschaft-
liche Kenntnisse, nachgewiesen durch den rite er-
worbenen Doktorgrad in der Theologie oder im
kanonischen Recht. Außerdem wird für Preußen
und Bayern noch das Indigenat, für die Ober-
rheinische Kirchenprovinz die Zugehörigkeit zu der
betreffenden Diözese gefordert, während in dem
hierauf bezüglichen Art. 22 des österreichischen
Konkordats ein derartiges Erfordernis nicht er-
wähnt wird.
Die Dignitare führen den Titel Reveren-
dissimus et Amplissimus ober auch Perillustris,
während den übrigen Domkapitularen der Titel
Reverendissimus zukommt. In gleicher Weise
haben die canonici die Präzedenz vor allen Kleri-
kern der Diözese und tragen als besondere In-
signien das Kapitelskreuz und in einigen Kapiteln
den Ring. Dazu erfreuen sie sich gewisser Aus-
zeichnungen in ihrer kirchlichen Kleidung. Die
violette Farbe ist indes nicht charakteristisch, wohl
aber ein Zeichen besonderer Vergünstigung.
Was die rechtliche Stellung der jetzigen Dom-
kapitel betrifft, so erscheinen sie überall als rein
kirchliche Korporationen; als solche sind sie be-
fähigt, kirchliche Rechte zu erwerben, zu besitzen
und auszuüben; zugleich aber können sie als
juristische Personen an dem privatrechtlichen
Vermögensverkehr teilnehmen, soweit dies ihre
Zwecke notwendig machen. Als Korporationen
haben sie vor allem das Recht der Autonomie oder
das jus condendi statuta, d. h. das Recht, ihre
Domkapitel.
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eigenen Angelegenheiten selbständig zu regeln und
zu diesem Behuf für die einzelnen Mitglieder
bindende Normen aufzustellen. Selbstverständlich
dürfen diese, wenn ihnen verbindliche Kraft zu-
kommen soll, keine Verletzung des ius Commune,
des kirchlichen Interesses und der Rechte der ein-
zelnen enthalten. Zur Vergewisserung, daß diese
Schranken nicht überschritten sind, hat denn auch
das neueste Recht die Genehmigung derselben sei-
tens des Bischofs oder Erzbischofs vorgeschrieben.
Eine päpstliche Approbation ist dagegen nicht er-
forderlich, und wenn dennoch eine solche nachgesucht
ist, so kann dies nur die Bedeutung haben, für
die Beobachtung derselben tatsächlich eine festere
Garantie zu gewinnen. Weitere Rechte, welche sich
aus dem Korporationscharakter der Domkapitel
ergeben, sind: das Recht der selbständigen Ver-
mögensverwaltung, das Recht der Anstellung be-
sonderer Beamten, das Recht der Aussicht über
ihre Mitglieder und Beamten und in Verbindung
damit das Korrektionsrecht im Fall der Pflicht-
versäumnis. Auch das Recht, ein eigenes Siegel
zu führen (c. 14, X5, 31), darf hierher gerechnet
werden.
Dagegen kann das mehr oder weniger ausge-
dehnte Recht der Beteiligung an der Verleihung
der Kapitelspfründen nicht auf dem gleichen Grund
beruhen; denn diese tragen zugleich den Charakter
von Kirchenämtern an sich, deren Besetzung dem-
gemäß entweder durch die Vorschriften des ge-
meinen Rechts normiert wird oder nach besondern,
durch eigentümliche Verhältnisse bedingten Bestim-
mungen geschieht. So steht nach der Bulle De
salute animarum den Kapiteln bei der desfall-
sigen Verleihung gar keine Berechtigung zu; die
Verleihung geht entweder unter königlicher Präsen-
tation vom Papst aus (so bei der ersten Dignität
und den Kanonikaten, welche in den sog. päpst-
lichen oder ungeraden Monaten vakant werden)
oder frei vom Bischof (so bei der zweiten Dignität
und den Kanonikaten, deren Erledigung in die
sog. bischöflichen oder geraden Monate fällt). In
Bayern haben dagegen die Kapitel bei Erledi-
gungen in den drei Monaten April, August, De-
zember behufs Verleihung durch den Papst das
Designationsrecht auszuüben, während die Bi-
schöfe die in den drei Monaten Februar, Juni,
Oktober erledigten Kanonikate frei besetzen und in
betreff aller übrigen wie auch der Dignität des
Dekans der König nominiert, der Papst aber kon-
feriert. Die Ernennung zum Propst geschieht durch
den Papst auf Vorschlag des Königs (Konvention
von 1831. Döllinger, Sammlung von Urkunden
zur Gesch. des Konzils von Trient VIII 1, 310).
In den Diözesen der Provinz Hannover und der
Oberrheinischen Kirchenprovinz steht den Dom-
kapiteln abwechselnd mit dem Bischof unter Mit-
wirkung des Landesherrn in Form der Exklusive
die designatio personae zu; die institutio ca-
nonica oder die eigentliche Verleihung vollzieht
in jedem Fall der Bischof.