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desselben ist nicht erforderlich. Versäumt er aber nahmen gesetzlich statuiert sind. Solche Befug-
die Einholung desselben, oder bei Angelegenheiten, nisse, welche der Bischof ex iure delegato be-
die zu der letztgenannten Gruppe gehören, die des tätigte, gehen nur dann nicht auf den Kapitular-
consensus, so sind die von ihm einseitig er= vikar über, wenn dieselben lediglich dem Bischof
gangenen Verfügungen nicht an sich schon null und persönlich, nicht als Diözesanordinarius ver-
nichtig, sondern nur reszissibel, d. h. sie können liehen wurden. Ausdrücklich entzogen sind: 1) Ver-
vom Domkapitel oder von den betreffenden Dom= leihung von Kirchenämtern liberae collationis;
kapitularen angefochten werden. Geschieht dies 2) Veräußerung von Vermögensobjekten der ver-
nicht, so sind die ohne Beirat und ohne Zustim= waisten bischöflichen Kirche im weitesten Sinn;
mung erfolgten Akte gültig, indem taciturnitas 3) Veränderung oder Aufhebung von Benefizien;
Capituli habetur pro consensu (c. 1—4, X 4) Erteilung von Weihedimissorialien im ersten
3, 10). Die gemeinrechtlichen Bestimmungen be= Jahr der Sedisvakanz mit Ausnahme des Not-
züglich der Einholung des Rates bzw. der Zu= falls. Der Grund einer derartigen gesetzlichen
stimmung des Kapitels sind in den einzelnen Diö- Entziehung liegt zunächst und allgemein in der
zesen durch Gewohnheitsrecht meist sehr modi= Aufgabe und Bestimmung eines solchen Zwischen-
fiziert worden. regiments, die nach der hier maßgebenden Rechts-
In dem oben erwähnten zweiten Fall, in dem regel: Ne sede vacante aliquid innovetur,
der rechtlichen Erledigung des bischöflichen Stuhls, keine andere ist, als die bei dem Vakanzeintritt
besteht das Recht der Domkapitel darin, inter= bestehenden Diözesanverhältnisse möglichst zu er-
imistischer Träger der jurisdictio episcopalis halten; ebensosehr soll aber auch dadurch ver-
und damit die eigentliche Diözesanbehörde zu sein. l hütet werden, daß der zukünftige Bischof durch
Nach dem Konzil von Trient geht bei dem Ein= eine in dieser Zwischenzeit erfolgte definitive Er-
tritt der kirchenrechtlich, d. h. durch Tod, Verzicht, ledigung von Angelegenheiten, welche seinem
Versetzung, Absetzung, Konfessionswechsel begrün= eigensten Recht, sozusagen seinem ius persona-
deten Vakanz des bischöflichen Stuhls die iuris- lissimum unterliegen, sich in seinem persönlichen
dictio episcopalis auf das betreffende Dom= Entschließen präjudiziert sehe.
kapitel über, und dieses erhält damit die Berech= Außer den beiden Fällen der sedes plena und
tigung, das Diözesanregiment auszuüben. Das der sedes vacans kann die Lage des bischöflichen
Domkapitel hat die Diözesanregierung in den Stuhls noch eine solche sein, daß er faktisch vakant
ersten acht Tagen selbst, und zwar nach dem vor= und rechtlich besetzt ist, ein Fall, der deshalb
tridentinischen Recht in einer ihm zweckmäßig er= sedes impedita genannt wird, weil der rechtliche
scheinenden Form, auszuüben, muß aber vor Ab= Inhaber durch äußere Gewalt an dem wirklichen
lauf der genannten Zeitfrist behufs weiterer Ad= faktischen Besitz gehindert ist. Ist sedes
ministration einen Vikar — vicarius capituli, impedita unter den besondern Umständen ein-
Kapitularvikar, Bistumsverweser — bestellt getreten, daß der Bischof von Heiden oder Schis-
haben. Ist dies nicht geschehen, so hört mit dem matikern hinweggeführt und in Gefangenschaft
Ablauf des achten und letzten Tages sein Recht gehalten wird, so soll nach einer Bestimmung des
der Diözesanverwaltung auf und steht ihm auch Papstes Bonifatius VIII. (c. 3, in VI. 1, 8)
die Bestellung eines Kapitularvikars nicht mehr das betreffende Domkapitel, wie im Fall des
zu, da dieselbe iure devolutionis dem Erz= Todes oder sede vacante, das Recht der Diö-
bischof zugefallen ist. Diese letztere Folge tritt zesanverwaltung haben, jedoch so schnell als mög-
auch dann ein, wenn ein Kleriker ernannt ist, der lich an den pöäpstlichen Stuhl berichten, damit
wegen Abgangs der gesetzlich erforderten Eigen= dieser weitere Maßregeln veranlassen könne. Diese
schaften als persona inhabilis erscheint. Bestimmung ist zweifellos eine ganz außergewöhn-
Mit der Bestellung des Kapitularvikars ist liche, und deshalb müssen auch für eine etwaige
dieser das alleinige und selbständige Organ praktische Anwendung derselben ganz dieselben Vor-
der interimistischen Diözesanregierung. Als solches aussetzungen zutreffen wie jene, unter denen sie er-
fungiert er nicht mehr wie früher in der Eigen= folgt ist. Bei Abwägung dieser Voraussetzungen ist
schast eines Mandatars des Domkapitels, sondern aber keineswegs das Moment in den Vordergrund
vollständig unabhängig von demselben. Dieses zu stellen, daß es Heiden oder Schismatiker sind,
kann darum auch nicht beschränkend in dessen Ver= welche die sedes impedita bewirkt haben. Viel-
waltung eingreifen, für dieselbe Instruktionen er= mehr kann hier nur der Umstand maßgebend sein,
teilen oder über dieselbe eine Kontrolle üben; sein daß im Fall einer solchen Hinwegführung und
rechtliches Verhältnis zu dem von ihm bestellten Gefangenschaft überhaupt kein Organ der Diö-
Bistumsverweser ist vielmehr genau dasselbe, wie zesanregierung existiert, welches den gefangenen
es sich sede plena dem Bischof gegenüber darstellt. Bischof, solange er lebt, vertreten kann, oder es
Was nun den materiellen Umfang dieses Ver= diesem unmöglich ist, aus seiner Gefangenschaft
waltungsrechts betrifft, so geht die volle iuris- auf die Dibzesanangelegenheiten einzuwirken bzw.
dictio episcopalis, wie sie der Bischof kraft seines einen Vertreter zu ernennen. Ist dies auch nicht
bischöflichen Amts besitzt, auf das Domkapitel ausdrücklich in der angeführten Dekretale hervor-
bzw. den Kapitularvikar über, soweit nicht Aus= gehoben, so läßt es sich doch unschwer aus den