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meinen nur landesherrlichen Häusern zu, die sich erst durch Gesetz vom 22. Febr. 1869 ausdrücklich
im Besitz der Landeshoheit über ein Territorium aufgehoben; vgl. hierzu Schröder a. a. O. 827.)
befanden. Wer nur eine Unterherrschaft unter Hauptmann (a. a. O. 556 ff) hat in längeren
fremder Landeshoheit besaß, konnte nicht zum trefflichen Ausführungen die Ansichten der Juristen
hohen Adel gehören. Doch gab es von alters her des 18. Jahrh. über den Ursprung des Ebenbür-
gewisse Ausnahmen für solche Herrengeschlechter, tigkeitsprinzips und über das Kriterium des hohen
die sich ungeachtet des Verlustes ihrer reichs= Adels, besonders deren Teilung des hohen Adels
unmittelbaren Stellung im Besitz der Reichsstand= in zwei Klassen, in die Reichsfürsten und Reichs-
schaft erhalten hatten. Die Erhebung in den grafen, als unrichtig nachgewiesen, wobei diese die
hohen Adel stand zwar dem Kaiser zu, aber seit Formel aufstellten, daß im allgemeinen den An-
1654 nur für Personen, die ein reichsunmittel= gehörigen des Reichsfürstenstandes Ehen mit dem
bares Territorium besaßen oder mit einem solchen niedern Adel nicht gestattet seien; wohl aber seien
beliehen wurden; seit der Verbindung der Reichs= sie Personen des Reichsgrafenstandes erlaubt.
standschaft mit bestimmten Territorien war der Hauptmann glaubt nun den Nachweis erbracht
Besitz einer nicht mit Reichsstandschaft verbundenen zu haben, daß diese Scheidung der Sachlage gar
reichsunmittelbaren Herrschaft nicht mehr genü= nicht entsprach; „denn von den 77 Geschlechtern,
gend. Ohne den Besitz des erforderlichen Terri= die im Jahr 1800 den hohen Adel bildeten, führten
toriums, der dem Reichstag nachgewiesen werden 10 schon vor dem Jahr 1500 Fürsten= oder höhere
mußte, vermochte der Kaiser nicht die Eigenschaften, Titel, nämlich Anhalt, Baden, Bayern, Braun-
sondern nur die Titel des hohen Adels zu über= schweig-Lüneburg, Hessen, Holstein, Lothringen,
tragen. Die Zugehörigkeit zum hohen Adel setzte Mecklenburg, Sachsen und Württemberg. Von
die Abstammung aus einer ebenbürtigen Ehe vor= den übrigen 67 erlangten 32 zwischen 1500 und
aus. Eine solche bestand im allgemeinen nur 1800 wenigstens in einzelnen Linien Fürsten-
zwischen Personen des hohen Adels, doch machte diplome, davon sind nur 20 alte Herrengeschlechter,
sich seit dem 16. Jahrh. vielfach die Ansicht geltend, 12 dagegen sind aus niederem Adel hervorge-
daß Männer des hohen Adels mit Frauen aus gangen“. Auch die andere Ansicht, daß das Eben-
dem niedern Adel eine ebenbürtige Ehe eingehen bürtigkeitsprinzip nur die „altfürstlichen“ Fami-
könnten. Durchgedrungen war diese Auffassung lien gehabt hätten, während die neufürstlichen
jedenfalls im 18. Jahrh. bei den gräflichen Häu= Ehen mit Frauen des niedern Adels zuließen, ist
sern; aber auch in einzelnen Fürstenhäusern hat von Hauptmann als verkehrt, weil auf der falschen
sich eine teilweise entsprechende Observanz aus= Basis ruhend nachgewiesen, nämlich auf der Hypo-
gebildet, während sich die meisten fürstlichen Haus= these, daß die alten Herrengeschlechter schon früh
gesetze um so entschiedener dagegen verwahrt haben, den Fürstentitel erlangt hätten. Während Pütter
Die früher sehr bestrittene Frage, ob in den (ÜUber Mißheiraten usw. 438 ff), Göhrum (Eben-
reichsgräflichen Häusern auch Frauen aus dem bürtigkeit usw. II 18ff) und H. v. Schulze-Gävernitz
untitulierten niedern Adel als ebenbürtig ange- l (inHoltzendorffsEnzyklopädie1[51890]1351ff)
sehen worden seien, ist nunmehr auf Grund un= annehmen, daß die schon vor 1582 eine Herr-
zweifelhafter Praxis des Reichskammergerichts im schaft über Land und Leute ausübenden Familien
18. Jahrh. in bejahendem Sinn entschieden. Bei " altfürstlich seien, läßt Hauptmann also die Her-
reichsfürstlichen Häusern beschränkte sich die ob- kunft maßgebend sein und gesteht das Ebenbürtig-
servanzmäßige Zulassung von Ehen mit dem nie= keitsprinzip den aus dem alten Herrenstand hervor-
dern Adel auf Frauen aus gräflichen Familien gegangenen Familien, den aus dem niedern Adel
(vgl. hierzu Schröder, Rechtsgesch. 824 ff). in den hohen aufgestiegenen dagegen das Kon-
Bis ins 18. Jahrh. hinein wurden Ehen zwischen nubium mit dem niedern Adel zu (Das Ebenbür-
Adligen und Nichtadligen freien Standes allge= tigkeitsprinzip 568 f). Als Resultat seiner Unter-
mein als ebenbürtige Ehen behandelt. Erst im Lauf suchung ergibt sich also, daß „der Grund des
des 18. Jahrh. machte sich in Doktrin und Praxis Ebenbürtigkeitsprinzips im hohen Adel der alte
eine Richtung geltend, welche die Ehe eines adligen Rechtssatz ist, daß im Mittelalter Ehen zwischen
Mannes mit einer vilis et turpis persona als Freien und Unfreien verboten waren; daß dem-
ungebührlich bezeichnete und der Ehefrau wie den entsprechend das Ebenbürtigkeitsprinzip nur bei
aus einer solchen Ehe entsprossenen Kindern die denjenigen Familien des hohen Adels vorauszu-
besondern Standesvorrechte des Vaters versagte; setzen ist, die im Mittelalter zu den Altfreien, den
diese Auffassung fand hie und da auch Eingang Semperfreien gehörten, nicht aber bei den zahl-
in die Gesetzgebung, namentlich in ein preußisches reichen Familien des heutigen Hochadels, die da-
Edikt vom Jahr 1739 und von da in das All= mals Ministerialen und somit Unfreie waren“
gemeine Landrecht, nach welchem ein Mann von (Hauptmann a. a. O. 569).
Adel mit Frauen aus dem Bauern= oder geringeren 2. Geltendes Recht. „Als unzweifel-
Bürgerstand ohne eine auf Bewilligung seiner drei haft ebenbürtig gelten, nach deutschem Fürsten-
nächsten Verwandten erteilte gerichtliche Dispens recht, alle Ehen, welche mit Gliedern regierender
keine Ehe zur rechten Hand eingehen konnte. # deutscher und europäischer Fürstenhäuser ge-
(Die Bestimmung des Allgem. Landrechts wurde schlossen werden, außerdem Ehen mit Gliedern