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berg entsprossenen Söhnen, den Grafen von Hoch-
berg, ein eventuelles Sukzessionsrecht und das
Recht der Ebenbürtigkeit verliehen. Da 1830 die
männliche Deszendenz erster Ehe ausstarb und
überhaupt keine andern Anwärter vorhanden
waren, so war dieses Sukzessionsrecht rechtlich zu-
lässig. „Nach jetzigem badischem Recht hat, da die
Thronfolgeordnung einen Teil der Verfassung
bildet, die Erklärung einer an sich nicht eben-
bürtigen Ehe zur ebenbürtigen nur dann Rechts-
wirkung für das Thronfolgerecht, wenn sie in den
für Verfassungsgesetze vorgeschriebenen Formen
zustande gekommen ist“ (bgl. Wielandt, Das
Staatsrecht d. Großherzogtums Baden 1895|;
K. Cosack, Das Staatsrecht des Großherzogtums
Hessen (1894.)).
3. Nahe verwandt mit dem Begriff der Miß-
heirat ist jener der morganatischen Ehe. Man
bezeichnet mit diesem Namen eine Ehe, bei deren
Eingehung vertragsmäßig bestimmt wird, daß die
Gattin und die Kinder vom Stand und Titel
des Vaters ausgeschlossen sein und die Kinder
keine Sukzessionsrechte in Bezug auf die Regie-
rung und die damit zusammenhängenden Familien-
güter des Herrscherhauses haben sollen. Der Name
matrimonium ad morganaticam s. ad legem
Salicam bedeutet Ehe bloß auf Morgengabe, nicht
auf Leibgeding, bzw. bezieht sich auf eine salische
Stammesübung; denn in der geschriebenen lex
Salica wird nichts diesbezügliches erwähnt. Es
finden sich die ersten Nachrichten über dieses
Rechtsinstitut, das nach der nicht wesentlichen
Form seiner Abschließung auch als Ehe zur
linken Hand bezeichnet wird, im langobardi-
schen Lehnsrecht, nach dessen Definition dieses in
Mailand morganatische Ehe genannt wird. Seit
dem 14. Jahrh. kommt es auch in Deutschland vor.
Gemeinrechtlich ist das gewohnheitsrechtlich ent-
wickelte Institut nur für die Personen von hohem
Adel anerkannt, nachdem es nach Libri feudo-
rum II 29 für den Adel überhaupt eingeführt
erscheint. Solche Ehen werden meist geschlossen,
um die Erbrechte der aus einer früheren Ehe
stammenden Kinder nicht zu schmälern oder dem
Land durch die Versorgung zahlreicher Prinzen
nicht zu große Lasten aufzulegen. Es können die-
selben, obgleich dies nicht vorzukommen pflegt,
auch mit ebenbürtigen Frauen abgeschlossen wer-
den. Es steht den Mitgliedern der zur Eingehung
morganatischer Ehen berechtigten Familien ge-
meinrechtlich frei, solche Ehen, soweit sie sich nicht
nach dem Familienrecht des betreffenden Hauses
als Mißheirat charakterisieren, in der Art einzu-
gehen, daß dieselben beim Eintritt gewisser Fälle J. J.
die Gesamtheit der Konsequenzen der Ehe im all-
gemeinen im Gefolge haben sollen, so daß den
Kindern alsdann das volle Recht der Nachfolge
zusteht. Nach einem Zusatz der Wahlkapitulation
vom Jahr 1790 wurde dem Kaiser auch hinsicht-
lich der aus „einer gleich anfangs eingegangenen
morganatischen Heirat erzeugten Kinder eines
Ebenbürtigkeit.
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Standes des Reichs oder aus solchem Haus ent-
sprossenen Herrn“ untersagt, denselben ohne Zu-
stimmung der Agnaten die väterlichen Titel und
Würden zu verleihen oder dieselben zum Nachteil
dieser für sukzessionsfähig zu erklären. Partikular=
rechtlich ist die morganatische Ehe nach dem preu-
ßischen Allgemeinen Landrecht, welches TI II,
Tit. 1, § 835/932 davon handelt, mit landes-
herrlicher Erlaubnis allgemein zulässig. Da nach
dem Einführungsgesetz zum B.G.B. (Art. 58) in
Ansehung der Familienverhältnisse des hohen
Adels die Vorschriften der Landesgesetze und nach
Maßgabe der Landesgesetze die Vorschriften der
Hausverfassungen unberührt bleiben, besteht in
Deutschland die Einrichtung der morganatischen
Ehe auch nach 1900 fort. Das österreichische
Recht hingegen läßt dieselbe nicht zu, selbstver-
ständlich vom Kaiserhaus abgesehen, in dem noch
in neuester Zeit (1. Juli 1900) von dem Erz-
herzog Franz Ferdinand, dem Thronerben von
Osterreich-Ungarn, eine morganatische Ehe mit
der Gräfin Sophie Chotek geschlossen wurde,
nachdem der Erzherzog die eidliche Erklärung ab-
gegeben, daß er die rechtlichen Folgen der von ihm
abzuschließenden Ehe für seine künftige Gemahlin
und seine eventuelle Nachkommenschaft aus dieser
Ehe anerkenne. Bei dieser Gelegenheit ist das
ganze Institut der Ebenbürtigkeit als veraltet und
dem modernen Rechtsbewußtsein widersprechend
von verschiedenen Seiten scharf bekämpft worden;
doch wird voraussichtlich das Erfordernis der
„Ebenbürtigkeit“ noch lange das Hausgesetz und
das Staatsrecht der Fürstenhäuser beherrschen:
das alte Herkommen und die gemeinsame Sitte
dienen ihm als starke Stütze. „Doch wird es trotz
aller Bemühungen der Theorie nie gelingen, scharfe
Grenzen der Ebenbürtigkeit zu ziehen, und so darf
diese Lehre als die bestrittenste und unsicherste be-
trachtet werden: daher die zahllosen Streitigkeiten,
welche den Frieden ganzer Familien untergraben.
Der in allen neueren Hausgesetzen eingeführte
Grundsatz, daß zu jeder einzugehenden Ehe die
Zustimmung des Familienoberhaupts erforderlich
ist, genügt vollständig, um die Würde und das
Ansehen des regierenden Hauses gegen unpassende
oderpolitischbedenkliche Eheschließungen zu wahren.
Dies ist der richtige Standpunkt der Royal Mar-
riage Act von 1772 für England, wo man nie
den Begriff einer Mißheirat des Königshauses ge-
kannt hat“ (v. Schulze- Gäbernit, Das deutsche
Fürstenrecht a. a. O. 1 1366 F).
Hinsichtlich der Literatur sei unter anderem
verwiesen. bezüglich der E. u. der Mißheirat auf
Moser, Familienstaatsrecht der deutschen
Reichsstände 1# (Frankf. u. Leipz. 1775) 23 ff;
Pütter, über Mißheiraten butscher Fürsten u.
Grafen (Göttingen 1796); A. W. Heffter, Beiträge
zum deutschen Staats= u. Fürstenrecht (1829)
Abt. 1; derf. in der Zeitschr. für deutsches Recht II
1840); Chr. H. Göhrum, Geschichtl. Darstellung
der Lehre von der E. nach gemeinem deutschen Recht
(2 Bde, 1846); H. A. Zachariä, Deutsches Staats-
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