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vorliegt (§ 1304); eine solche Ehe wäre zwar nicht
nichtig, aber anfechtbar (8 1331).
8) Beim Eheabschluß kann es an der Absicht
oder wenigstens an der Ernstlichkeit der
Absicht, eine Ehe einzugehen, fehlen. Dies ist der
Fall, wenn die Ehe mit dem entsprechenden Vor-
behalt (Mentalreservation), zum Schein (Si-
mulation) oder im Scherz geschlossen wird. Bei
diesem Mangel ist nach kanonischem Recht die Ehe
nichtig; wenn er nicht beweisbar ist, allerdings
nur pro foro interno. Dagegen erkennt das
B. G. B. diese Willensmängel bei der Ehe nicht
an, sondern hält sich an die Erklärung der Ehe-
schließenden.
) Der Wille der Eheschließenden weicht von
der Erklärung auch im Fall des Irrtums ab.
Wenn dieser wesentlich ist, kann daher keine gül-
tige Ehe zustande kommen. Nach dem kanonischen
Recht ist wesentlich nur der Irrtum über die Per-
sönlichkeit des andern Eheschließenden (error per-
sonac), d. h. die Personenverwechslung und der
Irrtum über eine die Person individuell bestim-
mende Eigenschaft, auf die sich der Wille des einen
Kontrahenten richtete (error qualitatis in per-
sonam redundantis). Der eigentliche Eigen-
schaftsirrtum ist nur in einem Fall Nichtigkeits-
grund, nämlich wenn er den Stand des andern
Eheschließenden betrifft (error condicionis oder
status), d. h. wenn ein freier Kontrahent einen
dem Sklavenstand angehörigen ehelicht, den er
für auch frei hält. Nach dem B.G.B. kommt über
diese Fälle hinaus auch der Irrtum über solche
persönliche Eigenschaften des andern Ehegatten in
Betracht, die den einen bei Kenntnis der Sachlage
und bei verständiger Würdigung des Wesens der
Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten haben
würden (§ 1333). Ferner nennt 8 1332 als
Arten des ehehindernden Irrtums den Irrtum
über den Inhalt der abgegebenen Eheerklärung
und die irrtümliche, versehentliche Abgabe dieser
Erklärung, zwei Fälle, die das kanonische Recht
nicht ausdrücklich vorgesehen hat und deren An-
erkennung jedenfalls pro foro externo zweifelhaft
wäre. Außerdem hat der Betrug (dolus), der nach
kanonischem Recht nur als Erreger eines ehehin-
dernden Irrtums in Betracht kommt, im B. G. B.
selbständige Bedeutung, nämlich als arglistige
Täuschung über wesentliche Umstände seitens
oder mit Wissen des einen Ehegatten (§ 1334).
Alle Fälle des Irrtums und Betrugs sind nach
dem bürgerlichen Recht nur Anfechtungsgründe.
3) Der zur Eheschließung erforderliche Wille
ist in Wirklichkeit nicht vorhanden, wenn die Er-
klärung durch physischen Zwang (vis absoluta))
erpreßt wird. Aber auch der in der Furcht er-
regenden Drohung (vis et metus) liegende
Ehe und Eherecht.
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geflößt sei. Nach dem B.G.B. bewirkt die wider-
rechtliche Drohung wie bei einem Rechtsgeschäft
nur Anfechtbarkeit (§ 1335).
n.) Nach dem kanonischen Recht kann die Ehe
unter Umständen mit einer Bedingung (con-
dicio) geschlossen werden. Doch darf sie, wenn
die Ehe nicht von vornherein nichtig sein soll, keine
auflösende sein noch sonst gegen das Wesen der
Ehe verstoßen. Im übrigen ist eine aufschiebende
Bedingung bei der Eheschließung möglich, wenn
auch nur aus wichtigem, behördlich anerkanntem
Grund erlaubt. Erst beim Eintritt der Bedingung
kommt die Ehe zustande; bei ihrem Ausfall wird
die bedingte Ehe endgültig unwirksam. Nach dem
B.G. B. ist die Beifügung einer Bedingung (oder
auch einer Zeitbestimmung) überhaupt unzulässig;
sie verstößt gegen die wesentliche Form der Ehe-
schließung und bewirkt deren Nichtigkeit (§8 1317
Abs. 2 und 1324 Abs. 1).
5) Ein Widerspruch besteht zwischen dem ka-
nonischen Recht und dem B.G.B. auch hinsichtlich
der Vertretung bei der Eheschließung. Im
kirchlichen Eherecht ist sie möglich und mit bischöf-
licher Einwilligung erlaubt. Zur Gültigkeit einer
solchen Eheschließung ist erforderlich, daß der Stell-
vertreter eine besondere Vollmacht von dem Ver-
tretenen habe, die Ehe in seinem Namen mit einer
bestimmten Person abzuschließen und daß zur Zeit
der Abgabe des Konsenses die Vollmacht noch be-
steht. Das B.G.B. (88 1317 Abs. 1 und 1324
Abs. 1) verlangt zur Formgültigkeit der Ehe per-
sönliche Anwesenheit der Eheschließenden.
b) Die formellen Erfordernisse.
a) Eine wesentliche, zur Gültigkeit erforderliche
Form des Eheschließungsakts gab es jahr-
hundertelang in der Kirche nicht. Wohl verlangte
diese von jeher, daß die Ehe, entsprechend ihrer
öffentlichen Bedeutung und ihrem religiösen, sa-
kramentalen Charakter, unter ihrer Mitwirkung
eingegangen werde, und Päpste und Synoden des
Mittelalters schrieben die Offentlichkeit des Ehe-
abschlusses (in facie ecclesiae) unter Strafan-
drohung vor. Aber daneben bestand der Satz,
daß zur Gültigkeit der Ehe die einfache Konsens-
erklärung genüge, und die rechtliche Präsumtion,
daß zwischen Verlobten sogar durch bloße Kopula-
die Ehe entstehe. So kam es, daß ohne kirchliche
Form geschlossene, heimliche Ehen (matrimonia
clandestina) nicht selten waren. Da diese und
die damit verbundenen mannigfachen Übelstände
immer mehr zunahmen, kam es auf dem Konzil
von Trient zum Erlaß des Dekrets Tametsi
(sess. XXIV de reform. matr. c. 1), das den
Mangel einer bestimmten Form (clandestinitas
im tridentinischen Sinn) zum Ehenichtigkeits-
grund machte. Die tridentinische Formvorschrift
Zwang (vis compulsiva) kann nach kanonischem verlangt die Abgabe des Konsenses vor dem zu-
Recht die Gültigkeit der Ehe hindern. Doch ist ständigen Pfarrer oder einem von ihm bzw. dem
erforderlich, daß die Furcht wirklich erheblich Ordinarius ermächtigten Priester und zwei oder
(gravis) sowie von außen, widerrechtlich und un- drei Zeugen.
Pfarrer im Sinn des Dekrets ist
mittelbar zur Erzwingung des Ehekonsenses ein= jeder von der kirchlichen Behörde für einen kirch-