Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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lichen Sprengel mit der selbständigen Seelsorge 
betraute Geistliche, auch der parochus putativus. 
Zuständig ist der parochus proprius, d. h. der 
Pfarrer des Domizils, Quasidomizils oder (beie 
Heimatlosen) des Aufenthaltsorts eines der Ver- 
lobten. Außer diesem Pfarrer ist auch der ent- 
sprechende ordinarius proprius zuständig. Es 
genügt die passive, daher auch die zufällige oder 
erzwungene Assistenz des Pfarrers wie der Zeugen; 
erforderlich ist zur Gültigkeit nur die sinnliche 
Wahrnehmung der Konsenserklärung.— Diese tri- 
dentinische Form wurde durch Pius X. mittels des 
Dekrets der Konzilskongregation Ne temere vom 
2. Aug. 1907 (in Kraft seit Ostern 1908) fol- 
gendermaßen modifiziert. Assistenzfähig ist nur 
der Pfarrer oder Ordinarius des Sprengels, wo#“ 
die Ehe geschlossen wird, oder der von einem dieser 
beiden ermächtigte Priester. Nicht assistenzfähig 
sind auch öffentlich exkommunizierte oder suspen- 
dierte Pfarrer. Zur Gültigkeit genügt nicht mehr 
rein passive Assistenz, vielmehr ist es notwendig, 
daß der Pfarrer eingeladen und gebeten und nicht 
unter dem Einfluß von Gewalt oder schwerer 
Furcht assistiere und daß er dabei nach dem Kon- 
sens der Eheschließenden frage und ihre Erklä- 
rungen entgegennehme. Daß der Pfarrer oder 
Ordinarius auch zuständig (proprius) sei, ist nicht 
mehr Gültigkeitserfordernis (außer noch für Ehe- 
schließungen solcher, die einer Personal-, insbe- 
sondere Militärpfarrei angehören: S. Congr. 
Conc. vom 1. Febr. 1908). Wohl verlangt die 
Erlaubtheit der Assistenz Domizil oder wenigstens 
einmonatigen Aufenthalt eines Eheschließenden 
am Trauungsort, oder, wenn diese Voraussetzung 
fehlt, Erlaubnis des eigenen Pfarrers oder Ordi- 
narius eines Kontrahenten, von deren Einholung 
aber dringende Not entschuldigt. Wenn nicht ein 
triftiger Grund dagegen spricht, soll die Ehe- 
schließung vor dem Pfarrer der Braut stattfinden, 
wie es partikularrechtlich schon vielfach vorge- 
schrieben war. Ehen solcher, die keinen eigenen 
Pfarrer im Sinn des Dekrets haben (vagi), darf 
der Pfarrer des zufälligen Aufenthaltsorts nur mit 
Erlaubnis seines Ordinarius assistieren, wiederum 
dringende Notfälle ousgenommen. Außer der or- 
dentlichen Eheschließung gibt es nach dem neuen 
Dekret noch zwei Notformen, die freilich schon 
unter der Herrschaft des tridentinischen Rechts als 
genügend anzusehen waren. In naher Lebens- 
gefahr kann, wenn der assistenzfähige Priester nicht 
zu haben ist, eine Ehe gültig und erlaubt vor 
jedem beliebigen Priester und zwei Zeugen ge- 
schlossen werden. Ist in einer Gegend mindestens 
schon einen Monat lang ein assistenzfähiger Priester 
nicht zu haben, so genügt die Assistenz zweier Zeu- 
gen ohne Priester. 
Das Geltungsgebiet der tridentinischen 
Formvorschrift des Dekrets Tametsi war dadurch 
eingeschränkt und vielfach unsicher, daß es kraft 
eigener Bestimmung nur in den Pfarreien galt, 
wo es verkündigt war (tridentinische Orte). So 
Ehe und Eherecht. 
  
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war denn in manchen nichtkatholischen oder ge- 
mischt-konfessionellen Ländern, u. a. in Groß- 
britannien, den nordischen Staaten und in Teilen 
Deutschlands und der Schweiz, auch ferner die Ehe 
ohne Beobachtung der tridentinischen Form gültig, 
z. B. auch die Zivilehe. Dieser Zersplitterung 
und Unsicherheit machte für das Deutsche Reich 
das päpstliche Dekret Provida vom 18. Jan. 1906 
ein Ende, indem es für alle von Ostern (15. April) 
1906 an dort zu schließenden Ehen unter Katho- 
liken die tridentinische Form vorschrieb. Schließ- 
lich machte das erwähnte Dekret Ne temere die 
(modifizierte) Formvorschrift für die ganze Welt 
verbindlich. 
Persönlich unterworfen waren dem triden- 
tinischen Dekret sowohl die Personen, die in einer 
tridentinischen Pfarrei die Ehe eingingen, als auch 
die Angehörigen einer solchen Pfarrei, außer wenn 
sie auch in einem nichttridentinischen Ort einen 
Wohnsitz hatten und sich dort verehelichten. War 
einer der Eheschließenden an die tridentinische Form 
gebunden, so wurde wenigstens gewohnheitsrecht- 
lich auch die Befreiung des andern von ihr an- 
genommen. Das Dekret verpflichtete zwar an sich 
alle Christen; doch waren die Ehen der Akatholiken 
untereinander in den zur Zeit der Publikation 
akatholischen Ländern davon ausgenommen und 
wahrscheinlich im allgemeinen auch sonst, selbst 
wenn sie in einer tridentinischen Pfarrei geschlossen 
wurden. Zweifelhafter war die Gültigkeit einer 
formlos geschlossenen Mischehe eines dem Dekret 
unterworfenen Katholiken. Diese Rechtsverwirrung 
beseitigte zunächst Papst Benedikt XIV. am 4. Nov. 
1741 für die Niederlande, indem er die Gültigkeit 
der formlosen rein akatholischen oder gemischten 
Ehen entschied. Diese Declaratio Benedictina 
wurde im selben und im folgenden Jahrhundert 
auf andere Gegenden, auch des Deutschen Reichs, 
ausgedehnt. Allgemeine Rechtssicherheit schuf in 
diesem Land das genannte Dekret Provida, das 
alle dort zu schließenden Ehen von Katholiken 
unter sich der tridentinischen Formvorschrift unter- 
warf, dagegen alle formlosen akatholischen und ge- 
mischten Ehen für gültig erklärte, und zwar dies 
letzte mit rückwirkender Kraft, vorausgesetzt, daß 
diese Ehen im übrigen gültig und bis zum 
15. April 1906 nicht wegen Klandestinität für 
nichtig erklärt waren sowie noch mit fortdauerndem 
Konsens bestanden. Das Dekret Ne temere 
endlich verlangt die Beobachtung der Form zur 
Gültigkeit aller Eheschließungen von Katholiken 
untereinander und mit getauften oder ungetauften 
Akatholiken. Die Ausnahme bezüglich der ge- 
mischten Ehen im Deutschen Reich besteht weiter, 
nicht aber, gemäß Entscheidung der Konzilskon- 
gregation vom 1. Febr. 1908, die Benedictina 
und die ihr verwandten päpstlichen Indulte. 
Die tridentinische Eheschließungsform ist für die 
des bürgerlichen Rechts und diese wiederum 
für das pianische Eheschließungsrecht des Dekrets 
Ne temere in mancher Beziehung vorbildlich ge- 
 
	        
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