Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

1403 
wesen. Nach dem B. G. B. (§ 1317, Einf.Ges. 
Art. 13 Abs. 3) kann im Deutschen Reich eine Ehe 
gültigerweise nur in der Form geschlossen werden, 
daß die Verlobten vor dem zur Entgegennahme 
der Erklärung bereiten Standesbeamten des Ehe- 
schließungsorts persönlich und bei gleichzeitiger 
Anwesenheit ohne Hinzufügung einer Bedingung 
oder Zeitbestimmung erklären, die Ehe miteinander 
eingehen zu wollen (8 1317). (Auch der putative 
Standesbeamte des Eheschließungsorts ist ein 
solcher im Sinn dieser Bestimmung: § 1319.) 
Alle hier genannten Momente, aber auch nur diese, 
sind Gültigkeitserfordernisse. Was darüber hinaus 
gefordert wird, beruht auf bloßen Ordnungsvor- 
schriften, so, im Gegensatz zum kirchlichen Recht, 
die Gegenwart zweier Zeugen und die Frage an 
die Verlobten, ob sie die Ehe miteinander eingehen 
wollen; ferner der Ausspruch des Standesbeamten, 
daß die Eheschließenden kraft des Gesetzes nunmehr 
rechtmäßig verbundene Eheleute seien (8 1318), 
und die Zuständigkeit des Standesbeamten. Nach 
dem Personenstandsgesetz gehörten die drei zuerst 
genannten Förmlichkeiten noch zu den wesentlichen. 
Zuständig ist nur der Standesbeamte, in dessen 
Bezirk einer der Verlobten seinen Wohnsitz oder 
seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Außer 
dem zuständigen darf auch der von diesem schriftlich 
ermächtigte Standesbeamte die Erklärung der Ehe- 
schließenden entgegennehmen (§§ 1320 f). 
3) Die eigentliche Eheschließung ist von voran- 
gehenden, begleitenden und nachfol- 
genden für die Gültigkeit unwesentlichen Förm- 
lichkeiten umgeben, die zum Teil aber streng 
vorgeschrieben sind. 
Voranzugehen hat der Eheschließung nachdemka- 
nonischen Recht das Brautexamen, in dem der 
zuständige Pfarrer (gewöhnlich der der Braut) 
sich über Namen, Taufe, Konfession, Wohnort 
und ledigen Stand der Brautleute und etwaige 
Ehehindernisse informiert, sich über das Vorhan- 
densein der erforderlichen Religionskenntnisse ver- 
gewissert und den Brautunterricht über die ehelichen 
Pflichten erteilt. Der weiteren Entdeckung etwa- 
iger Ehehindernisse dient das schon durch das 
vierte Laterankonzil angeordnete Aufgebot, 
d. h. die Proklamation der beabsichtigten Ehe- 
schließung, die gemäß Bestimmung des Trienter 
Konzils an drei aufeinander folgenden Sonn- 
oder Festtagen in der Pfarrkirche der Domizile 
der Brautleute während der Hauptmesse zu er- 
folgen hat. Die Unterlassung des Aufgebots ist 
mit Strafe für Pfarrer und Eheschließende (Ver- 
weigerung etwa erforderlicher Dispens) bedroht; 
doch kann auf gute Gründe hin der Ordinarius 
ganz oder teilweise von ihm dispensieren. Schließ- 
lich schärft das Tridentinum die zum würdigen 
Empfang des Ehesakraments in der Regel erfor- 
derliche Beicht und den Empfang des Altars- 
sakraments ein. Die Trauung selbst erfolgt 
regelmäßig erlaubterweise nur durch die seit alters 
übliche, im Rituale geregelte feierliche Kopulation 
Ehe und Eherecht. 
  
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in der Kirche womöglich in Verbindung mit der 
Brautmesse nebst Brautsegen, die aber bei Misch- 
ehen, bei bedingten Eheschließungen, bei Eheschlie- 
ßungen mittels Stellvertretung, bei Wiederverhei- 
ratung einer Witwe und in der geschlossenen Zeit 
fortfallen. Während dieser, die vom ersten Advents- 
sonntag bis Dreikönige und vom Aschermittwoch 
bis zum Weißen Sonntag dauert, sind überhaupt 
alle, auch weltliche, Feierlichkeiten bei der Ehe- 
schließung verboten. Nach der Eheschließung hat 
der Pfarrer den Akt in das Trauungsbuch 
mit den nötigen Angaben einzutragen, neuestens, 
nach dem Dekret Ne temere, auch im Taufbuch 
zu vermerken oder vom Pfarrer des Tauforts der 
Ehegatten vermerken zu lassen. 
Auch das bürgerliche Recht enthält unwesent- 
liche Formvorschriften, die der Vorbereitung der 
Eheschließung dienen; sie sind den kirchlichen nach- 
gebildet. In erster Linie soll der zuständige Stan- 
desbeamte das Vorhandensein der Erfordernisse 
der Eheschließung prüfen. Danach soll er das 
Aufgebot erlassen, das durch zweiwöchigen 
Aushang in den Gemeinden erfolgt, wo die Ver- 
lobten die letzten sechs Monate ihren Wohnsitz 
gehabt haben. Von dem Aufgebot kann die Lan- 
desregierung dispensieren, bei lebensgefährlicher 
Erkrankung eines Verlobten der Standesbeamte 
selbst absehen (B.G. B. 88 1316, 1322; Per- 
sonenstandsgesetz §§ 44/50). Der bürgerliche Ehe- 
schließungsakt selbst vollzieht sich ohne jede beglei- 
tende Feierlichkeit. Die vollzogene Eheschließung 
ist vom Standesbeamten in vorgeschriebener Weise 
in das von ihm zu führende Heiratsregister 
einzutragen. Mit Rücksicht auf die nachfolgende 
kirchliche Trauung erhalten die Eheleute eine Be- 
scheinigung über die erfolgte bürgerliche Ehe- 
chließung (Personenstandsgesetz § 54 Abs. 2). 
Literatur. Friedberg, Das Recht der Ehe- 
schließung in seiner geschichtl. Entwicklung (1865); 
Sohm, Das Recht der Eheschl. (1875); v. Scheurl, 
Die Entwicklung des kirchl. Eheschließungsrechts 
(1877); Sehling, Die Unterscheidung der Verlöb- 
nisse im kanon. Recht (1887); Stutz, Die Rechts- 
natur des Verlöbnisses nach deutschem bürgerlichem 
Recht (1900); Dittenberger, Das Verlöbnisrecht 
(1901); Cramer, Das Verlöbnis (1902); Nathan, 
Die jurist. Konstruktion des Verlöbnisses (1902); 
Glaser, Die rechtl. Natur des Verlöbnisses (1904); 
Sehling, Zur Lehre von den Willensmängeln im 
kanon. Recht (1901); ders., Zur Lehre vom Irrtum 
in der Person, in der Deutsch. Zeitschr. f. Kirchenr. 
1I (1892) 51 ff; Gerigk, Der Irrtum beim Ehever- 
trag nach dem Naturrecht (1902); derf., Irrtum u. 
Betrug als Ehehindernisse nach kirchl. u. staatl. Recht 
(1898); Gaugusch, Der Irrtum als Ehehindernis 
(1899); Flügel, Das kanon. Ehehindernis des Irr- 
tums bezüglich der Unfreiheit des Mitkontrahenten 
Bonner Diss., 1897); Hobza, Betrug bei der Ehe- 
schließung, im Archiv f. kath. Kirchenr. LXXXVIII 
(1908) 66 ff 230 ff; Leinz, Der Ehevorschrift des 
Konzils von Trient Ausdehnung u. heutige Geltung 
(1888); Fleiner, Die trident. Ehevorschrift (1892); 
v. Hörmann, Die trident. Trauungsform in rechts- 
histor. Beurteilung (1904); Haring, Das neue 
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