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auseinander gehen könnten, sondern es bedarf dazu
grundsätzlich der Erhebung einer Nichtigkeitsklage
zum Zweck der gerichtlichen Nichtigkeits-
erklärung. Nach kanonischem Recht hat die
nichtige Ehe die weitere Wirkung, daß sie das
trennende Hindernis der öffentlichen Ehrbarkeit
erzeugt, außer wenn die Nichtigkeit auf einem
Konsensmangel beruht. Ist die nichtige Ehe in
der kirchlichen Form und wenigstens von einem
der Ehegatten in gutem Glauben eingegangen
worden (Putativehe), so wird sie als gültig
behandelt, insbesondere gelten die Kinder als ehe-
lich. Das Ehenichtigkeitsurteil und die Tren-
nung der nichtigen Ehe muß herbeigeführt werden,
wenn die fehlende Gültigkeitsvoraussetzung nicht
nachgeholt oder das vorliegende Ehehindernis nicht
behoben werden kann; nur ausnahmsweise ist dann
eine Dissimulation der Nichtigkeit oder ein quusi-
geschwisterliches Zusammenleben der Scheinehe-
gatten erlaubt. Im übrigen aber soll womöglich
die Heilung der nichtigen Ehe (convalidatio
matrimonü) angestrebt werden. Es gibt ver-
schiedene Arten der Konvalidation: 1) Ist die Ehe
nichtig wegen eines Mangels im Konsens, so ist
ihre Heilung nur möglich durch die gültige (bei
Publizität der Nichtigkeit und Formbedürftigkeit
der Eheschließung auch formgerechte) Erneuerung
des Ehekonsenses. Die einseitige Erneuerung ge-
nügt, wenn der fehlerlose Konsens des andern
Gatten noch fortdauert. 2) Beruht die Nichtig-
keit auf einem Formmangel, so erfolgt die Heilung
der Ehe nur durch neue (bei geheimer Nichtigkeit
aber nur private) Eheschließung vor Pfarrer und
Zeugen, es sei denn, daß jetzt das Erfordernis der
Form nicht mehr besteht. 3) Ist die Ehe infolge
eines behebbaren Hindernisses nichtig, so ist zur
Heilung erforderlich, daß dieses nachträglich ent-
weder von selbst fortfällt oder durch Dispensation
behoben wird und dann der Ehekonsens (bei Pu-
blizität der Nichtigkeit und Formbedürftigkeit der
Ehe formgerecht) erneuert wird. Für diese Dis-
pensation (dispensatio in matrimonio con-
tracto) gelten die oben (Nr IV 1) für die Dis-
pensation vor der Eheschließung genannten Re-
geln. Doch wird sie leichter erteilt; die bloße
Tatsache der erfolgten Eheschließung ist ein ge-
nügender kanonischer Dispensgrund. Ist die Ehe-
nichtigkeit geheim, nur einem Gatten bekannt, so
verlangt die Zertiorationsklausel des Dispens-
reskripts zur Gültigkeit der Konsenserneuerung die
Bekanntmachung auch des andern Gatten mit der
Nichtigkeit. Die manchmal darin liegende Ge-
fahr für die Aufrechterhaltung der Ehe ist neuer-
dings durch die Abschwächung der Formel ver-
mindert. Die auf eine dieser drei Weisen geheilte
Ehe ist erst vom Zeitpunkt der Konvalidation an
(ex nunc) als rechtsgültig anzusehen, außer wenn
eine Putativehe vorlag. In den Fällen 2 und 3
besteht, wenn die Erfüllung der Eheschließungs-
sorm verweigert wird oder die genannte Art der
Heilung unmöglich ist (z. B. nach dem Tod der
Ehe und Eherecht.
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Ehegatten) oder die eben erwähnte Gefahr in sich
bergen oder Argernis erregen würde, die Möglich-
keit einer außerordentlichen Art der Gültigmachung
in der Heilung der Ehe in der Wurzel (sanatio
matrimonü in radice). Hier wird durch rück-
wirkende päpstliche Dispensation die ursprüngliche
Erklärung des Konsenses und damit die Ehe von
Anfang an (ex tunc), soweit es sich um rein
kirchenrechtliche Wirkungen handelt, gültig gemacht
und deshalb die Konsenserneuerung erlassen.
2. a) Auch im bürgerlichen Recht bedarf
es, damit die Ehenichtigkeit ihre volle rechtliche
Bedeutung erlange, regelmäßig der Herbeiführung
einer Nichtigkeitserklärung; dieselbe Wirkung hat
daneben die Auflösung der nichtigen Ehe (B.G.B.
§ 1329). Bis dahin hat die nichtige Ehe ihre
Wirkungen. Eine solche („mittelbare") Ehenichtig-
keit liegt vor: 1) wenn bei der Eheschließung die
wesentliche Form nicht beobachtet, die Ehe aber ins
Heiratsregister eingetragen worden ist (8 1324);
2) wenn bei der Eheschließung ein Gatte ge-
schäfts= oder vorübergehend handlungsunfähig
war (§ 1325); 3) wenn das trennende Hindernis
der bestehenden gültigen Ehe (§ 1326), 4) wenn
das der Verwandtschaft oder der Schwägerschaft
(§ 1327), 5) wenn das des Ehebruchs (§5 1328)
bestand; 6) außerdem wenn eine anfechtbare Ehe
mittels Klage angefochten, aber noch nicht für
nichtig erklärt ist (§ 1848). Eine volle, der Ge-
schäftsnichtigkeit des Allgemeinen Teils des B.G.B.
entsprechende („unmittelbare") Ehenichtigkeit, auf
die sich also jeder ohne weiteres berufen kann
(6 1329), besteht nur: 1) wenn die Ehe mit
einem wesentlichen Formfehler geschlossen und auch
nicht ins Heiratsregister eingetragen ist (8 1324);
außerdem 2) wenn eine „mittelbar“ nichtige Ehe
für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist
(§§ 1329, 1343 Abs. 2); 3) wenn eine aufge-
löste, bis dahin anfechtbare Ehe durch Erklärung
gegenüber dem Nachlaßgericht angefochten ist,
(§§ 1342, 1343 Abs. 1). — Auch die nichtige
Ehe des B.G.B. ist in gewissen Fällen heilbar,
und zwar so, daß sie von Anfang an gültig wird.
So heilt die „mittelbar“ nichtige Ehe im Fall 1
durch zehnjährige oder, wenn einer der Gatten
vorher gestorben ist, mindestens dreijährige und
bis zu dessen Tod dauernde häusliche Gemein-
schaft der Ehegatten (§ 1324 Abs. 2); im Fall 2
durch Bestätigung seitens des geschäftsfähig ge-
wordenen Ehegatten (8 1325 Abs. 2; ist der Be-
stätigende nur beschränkt geschäftsfähig und han-
delt er ohne Einwilligung seines gesetzlichen Ver-
treters, so erstarkt die nichtige nur zur anfecht-
baren Ehe: § 1331); im Fall 5 durch nachträg-
liche Dispens (§ 1328 Abs. 2); im Fall 6 durch
Genehmigung oder Bestätigung gemäß § 1337
vor der Nichtigkeitserklärung oder Auflösung der
Ehe (§ 1341 Abs. 2). Auch die wegen Form-
mangels vollnichtige Ehe kann heilen, allerdings
nur stufenweise: dadurch, daß sie nachträglich ins
Heiratsregister eingetragen und dann die vorge-